
Innovatives Kühlungssystem Die "Pariser Kühle"
Paris erfrischt seine Gebäude - energieeffizient und mit Seine-Wasser aus der Unterwelt. Das Kühlungssystem "Fraîcheur de Paris" hat mehr als 700 Kunden - wie den Louvre. Und es werden immer mehr.
Plötzlich beginnt es am Pariser Place du Canada laut zu piepen. Ein asphaltierter Kreis, der aussieht wie ein Gullideckel, hebt sich nach oben. Darunter verbirgt sich eine Wendeltreppe. Sie führt in die Pariser Unterwelt zu einem System, auf das man in der Stadt besonders stolz ist: "Fraîcheur de Paris" - übersetzt "Pariser Kühle" oder "Frische" - das Kühlungssystem der Zukunft.
Stéphane Thibault, der Produktionschef, stiefelt die Wendeltreppe hinunter. 30 Meter unter der Erde wummern riesige Kühlaggregate, es ist laut. "Das Wasser kommt hier mit zehn Grad aus dem Netzwerk an und wird auf zwei bis vier Grad heruntergekühlt", so Thibault.
Effizienter als individuelle Klimaanlagen
Das abgekühlte Wasser zirkuliert im größten unterirdischen Kühlsystem Europas. Pumpen verteilen es über ein 90 Kilometer langes Netz an Rohren in der ganzen Stadt - und versorgen Museen, Einkaufszentren und Büros. Für Thibault ergibt gemeinsames Kühlen einfach Sinn: "Dieses System verbraucht viel weniger Energie als individuelle Klimaanlagen. Wir sind 50 Prozent effizienter, was den Energieverbrauch angeht. Das ist viel umweltfreundlicher." Die ganze Anlage wird zusätzlich mit erneuerbarer Energie betrieben.
Was unter der Erde passiert, bekommt man oben gar nicht mit. Man spürt auf der Straße weder Vibrationen, noch hört man Geräusche. "Die Anlage ist wie ein U-Boot gebaut", erklärt Thibaut. Alles sei isoliert. "Jeder Pariser läuft über die Anlage und bekommt davon aber gar nichts mit, dass sich darunter eine richtige Industrieanlage befindet."
Der Fluss zum Energieaustausch
Die Kältefabrik liegt direkt neben der Seine. Über fünf Luken pumpt die Anlage Flusswasser aus der Seine heraus. Das Flusswasser wird zum Energieaustausch genutzt. Es fließt leicht erwärmt zurück. Bis zu fünf Grad Unterschied können das sein.
Anne Bringault vom Netzwerk Action Climat lobt das System dennoch: "Die Auswirkungen für die Seine halten sich in Grenzen, denn sie hat einen doch recht erheblichen Durchfluss. Diese kollektive Kühlung mit Flusswasser wirkt sich im Vergleich zu Klimaanlagen auch positiv auf den Energieverbrauch aus."
Für schwer renovierbare historische Gebäude wie den Louvre sei das System eine gute Lösung. "Andere Häuser sollte man viel lieber isolieren, Holzfensterläden anbringen, Luftzug ermöglichen. Klimatisiert man alles - selbst mit dieser Methode, verschärft man das derzeitige Stromproblem in Frankreich weiter. Aber global gesehen, ist die Sache mit der Seine positiv", so Bringault.

Das Pariser Kühlsystem gibt es schon seit 30 Jahren. Bisher sind mehr als 700 Kunden angeschlossen.
Im Winter reicht Flusswasser aus
Im Winter reicht die Temperatur des Flusswassers sogar aus, um damit die gesamte Kältefabrik zu kühlen. Da hat der Fluss unter fünf Grad Celsius und kann also direkt zur Kühlung genutzt werden. "Free-Cooling" heißt das im Fachjargon. Dann kann Thibaults Firma Stromanlagen ausschalten.
Das Pariser Kühlsystem gibt es schon seit 30 Jahren. In der Öffentlichkeit hat es bisher wenig Beachtung gefunden. Das ändert sich gerade. In Anbetracht des Klimawandels hat die Stadt ein Firmenkonsortium beauftragt, "Fraîcheur de Paris" deutlich auszubauen. Paris ist dicht besiedelt, hat wenig Grünflächen. Durch die höheren Temperaturen ist Kühlen hier kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit.

Wenn die Seine unter fünf Grad Celsius hat, kann das Flusswasser zur Kühlung genutzt werden.
Perspektivisch mehr Kunden
Bisher sind mehr als 700 Kunden angeschlossen, darunter auch der berühmte Louvre. Perspektivisch sollen es viel mehr werden. Auch Krankenhäuser, Kindergärten und Metrostationen sollen angeschlossen werden. Das "Musée Guimet", das Museum für asiatische Kunst, ist seit 1998 dabei.
Die Ausstellungsräume sind auf 20 Grad temperiert - allein durch das unterirdische Kühlsystem. Im Keller, auf Höhe der Kanalisation, kommt das gekühlte Wasser an. "Wenn wir die Anlage nicht hätten, müssten wir Dutzende Klimaanlagen draußen am Gebäude anbringen. Das System ist außerdem stabiler und sicherer", sagt Éric Thomas, der technische Leiter des Museums.
Eine Art Kälteabonnement
Über ein System innerhalb des Hauses wird die Kälte dann in die unterschiedlichen Räume geleitet. Aus Konservierungszwecken ist das Museum auch im Winter auf Kühlung angewiesen. Wie einen Stromvertrag hat das Museum eine Art Kälteabonnement. Auch wenn die Anfangsinvestitionen in die Anlage verhältnismäßig hoch seien, rechne sich das System für das Museum. "Das System ist langfristig im Einsatz. Das lohnt sich wirklich. Auch weil wir viel weniger Instandhaltungskosten haben", sagt Lila Dida, die Direktorin der Gebäudewirtschaft des Museums.
Stéphane Thibault hofft, dass das System andere Großstädte inspiriert. In Paris jedenfalls wird kräftig ausgebaut. Bisher gibt es zehn solcher Kältefabriken, bald sollen es dreimal so viele sein.

Nahe der Seine gibt es einen Ein- und Ausgang in das unterirdische Kühlsystem.