Zwei Löwen in der kenianischen Flötenakaziensavanne.  (Archivbild: 2000)

Invasive Art Ameisen beeinflussen Jagdstrategie von Löwen

Stand: 31.01.2024 06:21 Uhr

In Kenia droht eine invasive Ameisenart, ein ganzes Ökosystem zu verändern: Die Dickkopfameise verdrängt ihre Artgenossen - und beeinflusst so durch einen Dominoeffekt sogar das Jagdverhalten der Löwen.

Von Justin Schmidt, SWR

Eigentlich bevölkern die Akazienameisen (Crematogaster) die Flötenakazien in Kenia. Die Bäume bieten der Akazienameise Nahrung und Unterschlupf - im Gegenzug schützen die Insekten sie vor grasenden Pflanzenfressern wie Elefanten. Versucht einer der Dickhäuter, mit seinem Rüssel Blätter von den Ästen abzureißen, krabbeln die Ameisen sofort durch die Nasenlöcher in den Rüssel. Mit ihren scharfen Mundwerkzeugen beißen sie zu und spritzen Ameisensäure in die Wunden. Wegen dieser schmerzhaften Bisse meiden Elefanten diese Bäume normalerweise.

Jetzt aber verdrängt die Dickkopfameise (Pheidole megacephala) ihre Artgenossen, denen gegenüber sie sehr aggressiv auftritt. Das wiederum hat weitreichende Folgen für den Speiseplan der Löwen.

Ameisen wälzen Ökosystem um

Bei der Dickkopfameise handelt es sich um eine invasive Art, da sie in Kenia nicht heimisch ist und durch ihre Ausbreitung das Ökosystem stört. Denn die insekten- und spinnenfressenden Dickkopfameisen haben es auch auf andere Ameisenarten abgesehen. Wenn Elefanten die Pflanzen abgrasen, werden sie von den Dickkopfameisen nicht gebissen. Die Folge: Elefanten ernähren sich wieder vermehrt von den Blättern der Akazienbäume. Dadurch verändert sich die Savannenlandschaft dramatisch: Der Baumbestand geht zurück.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Wyoming beobachten nun einen Rückgang der Bäume um fast ein Dreifaches im Vergleich zu Gebieten, in denen die Dickkopfameise noch nicht verbreitet ist. Das geht aus der Studie von Douglas Kamaru und Kollegen hervor, die in der Fachzeitschrift "Science" erschien.

Den Löwen erschwert dieser Rückgang die Nahrungsbeschaffung. Zebras haben jetzt eine bessere Übersicht über weite Flächen und können früher fliehen, wenn sich ein Fressfeind nähert. Was das für die kenianischen Löwen bedeutet und wie es sich auf ihre Population auswirkt, bleibt noch abzuwarten.

Kenianischen Savanne: Einheimische Ameisen (roter Kopf und Brust, schwarzer Hinterleib) werden von invasiven Großkopf-Ameisen getötet

Umwälzung eines Ökosystems: Einheimische Ameisen (roter Kopf und Thorax, schwarzes Abdomen) werden von invasiven großköpfigen Ameisen getötet.

Löwen jagen jetzt Büffel statt Zebras

Bisher können die Löwen auf alternative Beutetiere ausweichen und jagen im Ol-Pejeta-Schutzgebiet nun Kaffernbüffel. Weil die aber deutlich schwerer zu überwältigen sind, müssen die Löwen ihre Jagdgewohnheiten anpassen. In Zukunft werden sie wahrscheinlich in größeren Gruppen und ohne Deckung jagen.

Die Dickkopfameise hat sich inzwischen als invasive Art von Australien, Madagaskar und Afrika über Indien bis Süd- und Nordamerika verbreitet und verursacht erhebliche Schäden, indem sie Superkolonien bildet und einheimische Ameisenarten verdrängt. In Deutschland spielt sie aufgrund der für sie ungeeigneten Klimaverhältnisse bisher noch eine untergeordnete Rolle. Die Ameise mag es tropisch: Ein warmes und feuchtes Klima ist optimal.

Unscheinbare Spezies - bedeutender Einfluss

Der entscheidende Einfluss einer so unscheinbaren Spezies wie der Dickkopfameise wird hierdurch deutlich. Eine solche systemweite Veränderung auf ein einzelnes Glied in der Nahrungskette zurückzuführen ist für Forschende aber gar nicht so einfach.

In Feldexperimenten kann simuliert und beobachtet werden, wie sich das Auftauchen einer neuen Spezies auf die Umwelt auswirkt. Und dieser Effekt ist nicht immer schlecht: So konnten Forschende nach der Wiedereinführung von Wölfen im Yellowstone Nationalpark bereits gestiegene Biber- und Vögelbestände erkennen. Weil der Wildbestand durch die Wölfe reguliert wurde, konnten sich andere Artbestände wieder stabilisieren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. Januar 2024 um 16:41 Uhr.