Eine Arbeiterin drischt die Weizenernte auf einem Feld am Rande des Dorfes Ajmer in Rajasthan, Indien.

Studie zu Erderwärmung Die "Klima-Nische" wird kleiner

Stand: 22.05.2023 18:43 Uhr

Die meisten Menschen bevorzugen gemäßigte Temperaturen zum Leben. Doch durch die Erderwärmung werden diese sogenannten Klima-Nischen kleiner - bis Ende des Jahrhunderts könnte ein Drittel aller Menschen in Regionen mit sehr hohen Temperaturen leben.

Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte rund ein Drittel aller Menschen einer Studie zufolge außerhalb der sogenannten Klima-Nische und damit in klimatisch schwierigen Regionen leben. Bei einem Temperaturanstieg von 2,7 Grad auf der Erde, so wie er bei der aktuellen Klimapolitik erwartbar sei, läge die Zahl der betroffenen Menschen in dieser Größenordnung, heißt es in einem Bericht zu den Folgen des Klimawandels, der im Fachjournal "Nature Sustainability" erschienenen ist. Würde die Erderwärmung auf 1,5 Grad beschränkt, wären es nur 14 Prozent.

Sahelzone besonders betroffen

Als Klima-Nische gilt danach der Temperaturbereich, in dem Menschen aufgrund günstiger klimatischer Bedingungen bevorzugt siedeln. Die optimale Jahresmitteltemperatur dieser Nische liegt den Angaben zufolge bei etwa elf bis 15 Grad Celsius. Aktuell lebten bereits mehr als 600 Millionen Menschen und damit über neun Prozent der Weltbevölkerung außerhalb der Klima-Nische, heißt es weiter. Mit der Klimakrise änderten sich jedoch auch die Gebiete, die heute noch zu den klimatisch günstigen Regionen zählen.

Betroffen wären Menschen etwa in Indien, Nigeria und Indonesien, so die Studie um die Klimaforscher Timothy M. Lenton und Chi Xu. Besonders große Flächenanteile eines Landes wären in Burkina Faso, Mali und Katar betroffen, die nahezu komplett außerhalb der Klima-Nische liegen würden.

Anpassung nur bedingt möglich

Das Problem dabei: Die Menschen in diesen Regionen können sich nur bedingt an solch extreme Temperaturen anpassen. Prinzipiell sei dies zwar möglich, sagt Christian Franzke, Klimaphysiker an der Universität von Pusan in Südkorea. "Aber das wird Geld kosten, das arme Länder und arme Menschen nicht haben. Zum Beispiel können sich nicht alle eine Klimaanlage leisten", sagt er dem Wissenschaftsportal Science Media Center (SMC). Zudem finde in vielen Entwicklungsländer die meiste Arbeit draußen statt, zum Beispiel auf dem Feld.

Der Stockholmer Klimaforscher Richard J.T. Klein verwies darauf, dass neben den Temperaturen weitere Faktoren für ein menschenwürdiges Leben wichtig seien - etwa Wasser, Luftfeuchtigkeit und Lebensbedingungen der für die Ernährung gehaltenen Tiere und angebauten Pflanzen. "Was diese Studie sehr gut zeigt, ist das direkte menschliche Leid, das der Klimawandel verursachen könnte", sagte er. "Das Leben außerhalb der Nische bedeutet Leiden aufgrund eines unerträglich heißen und möglicherweise feuchten Klimas."

Einfluss auf Migration

Auch wenn der Zeitpunkt in der Studie weit weit in der Zukunft liegt, sei baldiges Handeln wichtig, mahnte die Bonner Entwicklungsgeografin Lisa Schipper. "Die Vorstellung, dass immer weniger Menschen in der Lage sein werden, ein menschenwürdiges Leben zu führen, steht in direktem Zusammenhang mit der Warnung des Weltklimarats IPCC, dass sich das Zeitfenster für die Sicherung eines nachhaltigen und lebenswerten Lebens für alle Menschen schließt. Selbst bei 1,5 Grad Erwärmung ist dies wahrscheinlich nicht möglich."

Zudem dürften die Entwicklungen die Migration in den betroffenen Regionen beeinflussen. "Es handelt sich um Orte, an denen ein menschenwürdiges Leben nahezu unmöglich erscheint, und es ist wahrscheinlich, dass diese Menschen - sofern sie die Mittel dazu haben - versuchen werden, umzusiedeln", so Schipper ebenfalls im SMC.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 17. Mai 2023 um 17:10 Uhr.