
Schädliche Emissionen Klimakiller Kuh?
Kühe gelten wegen ihres Methanausstoßes als Klimabelastung in der Landwirtschaft. Doch das ist nur die halbe Wahrheit - was auch mit der Öko-Bilanz des Kuhfladens zu tun hat.
Auf dem Hof von Familie Lorenz aus Vöhl am Edersee sind die Wege kurz. Vom Stall laufen die Kühe jetzt im Sommer direkt auf das Weideland. Im Winter stehen sie im offenen Stall auf Stroh und futtern Kleegras. Auf diesem Biohof kann man lernen, warum die Kühe keine Klimakiller sind.
Landwirt Sven Lorenz erklärt es so: "Durch die Beweidung, durch das Abgrasen tragen unsere Kühe auf dem Grasland zur Humusbildung bei." Und dieser Humus wiederum bringe "in den Boden CO2 aus der Atmosphäre in den Boden zurück".
Zu seinem Hof gehören 120 Milchkühe und 80 Hektar Weideland. Nach einer Umweltbedrohung sehen die grasenden Kühe von Bauer Lorenz gar nicht aus. Und so will das Idyll nicht so recht zum allgemeinen Image der Kuh passen. Der Tierhaltung ist in Studien schon vorgeworfen worden, klimaschädlicher zu sein als der Verkehr. Doch woher kommt der schlechte Ruf?
Das Problem mit dem Methan
Bei der Tierhaltung wird vor allem das Treibhausgas Methan freigesetzt. So produziert eine Kuh übers Jahr gerechnet 100 Kilogramm des klimaschädlichen Gases, das zehn- bis zwanzigmal schädlicher ist als Kohlenstoffdioxid. Immer wieder wurde der Kuhausstoß mit dem von Autos verglichen, doch dabei wurden Fehler gemacht. So rechnete man bei der Kuh die Emissionen der Milcherzeugung, der Düngemittel- und Fleischproduktion mit ein.
Anders dagegen beim Auto: Da wurde nur die Fahrleistung über ein Jahr berechnet. Emissionen beispielsweise, die bei der Herstellung eines Autos anfallen oder der Instandsetzung von Verkehrswegen, wurden nicht mitgerechnet. So trägt am Ende der Verkehr zu 19 Prozent der Gesamtemissionen in Deutschland bei, der Verdauungstrakt der Kuh nur zu ungefähr 3 Prozent.
Grasland als CO2-Speicher
Auf dem Hof von Landwirt Sven Lorenz sind die Kühe zuständig für die fruchtbaren Böden. Die Tiere halten das Gras kurz, sie regen die Pflanzen zum Wachsen an, mehr Humus gelangt in den Boden und damit mehr Kohlenstoff - ob auf dem Weideland oder beim Anbau von Grünfutter wie Klee, das er noch zusätzlich füttert. Sein Grasland sei ein CO2-Speicher. "Wenn wir hier kein Kuhfutter produzieren würden, würden wir einfach Getreide produzieren oder Mais, alles Pflanzen, die Kohlenstoff aus dem Boden verbrauchen", sagt Lorenz. "Aber mit dem Grasland kann ich je nach Humusgehalt gut doppelt so viel Kohlenstoff speichern."
Seine Klimabilanz durch das Grünland ist die Bindung von 1,8 Tonnen CO2 pro Jahr und Hektar. Tatsächlich ist Grasland neben Feuchtgebieten und Mooren der größte Kohlenstoffspeicher. Erst dann folgen Wälder und Ackerland.
"Wir müssen das Grasland erhalten, und das geht nicht ohne Kühe", appelliert Klimaschützerin Anita Idel. Die Tierärztin beschäftigt sich seit Jahren mit Viehwirtschaft und hat über die Kuh als Klimaretter ein Buch geschrieben. Man müsse es differenziert sehen, sagt die Expertin. Ob Beweidung im Einzelfall tatsächlich Bodenfruchtbarkeit fördere, hänge mit der Humusbildung zusammen und mit der Art und Weise, wie nachhaltig die Landwirtschaft wirtschaftet.
Klimaschutz mit Kuhfladen
Die Milchkühe bei Landwirt Sven Lorenz liefern den Dünger für die Felder. Ihr Festmist wirkt weniger scharf auf den Boden und bringt dadurch mehr Nährstoffe. Ohne seine Kühe wäre das nicht möglich. "Aber noch besser für den Boden und damit für das Ökosystem sind die Kuhfladen", sagt der Landwirt.
Denn eine Tonne Dung, die eine Kuh im Monat durchschnittlich produziert, wird zum komplexen Nahrungsnetz. Anita Idel rechnet vor: „Allein zehn Tonnen Dung bringt Nahrung für hundert Kilogramm Insektenbiomasse. Das wiederum heißt, dass davon beispielsweise 30 Störche satt werden können. Wer will da vom Klimakiller Kuh reden?"
Bauer Lorenz sieht die Landwirte in der Pflicht, dazu gehört auch, keine Sojabohnen aus Brasilien zu füttern "Wenn Bauern falsch handeln, haben nicht die Kühe die Verantwortung für den Klimawandel. Es kommt eben darauf an, welche Schlüsse die einzelnen Landwirte aus den bekannten Problemen ziehen."