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Krieg gegen die Ukraine ++ Blinken: China will Russland Waffen liefern ++

Stand: 19.02.2023 23:00 Uhr

US-Außenminister Blinken zufolge erwägt China, Russland mit Waffen zu versorgen. Die Lieferungen von ukrainischem Getreide sind zurückgegangen. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen.

19.02.2023 • 23:00 Uhr

Ende des Liveblogs

Für heute beenden wir den Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine. Herzlichen Dank für Ihr Interesse.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat neue Sanktionen gegen den Finanzsektor Russlands erlassen, um die Kriegswirtschaft des Aggressors zu schwächen. Belegt mit Strafmaßnahmen sind demnach nicht nur Vertreter des Bankenwesens in Russland, sondern auch die Moskauer Börse. "Heute gibt es einen neuen Sanktionsschritt unseres Staates gegen all jene, die die russische Aggression speisen", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Die Sanktionen seien Grundlage für Verbündete im Westen, ebenfalls solche Strafmaßnahmen zu erlassen. Selenskyj erinnerte daran, dass mit Blick auf den Jahrestag des Beginns des russischen Angriffskrieges nun bereits das zehnte Sanktionspaket in Arbeit sei. "Wir arbeiten mit unseren Partnern daran, es zu verstärken", sagte der Staatschef. Darüber hinaus wollen die Außenminister der Europäischen Union am Montag in Brüssel beraten. Selenskyj forderte, dass sich jeder verantwortungsbewusste Staat den "Sanktionen gegen den Terror" anschließen solle.

In der russischen Grenzregion Belgorod ist nach Behördenangaben ein zwölf Jahre altes Mädchen durch Artilleriebeschuss von ukrainischer Seite getötet worden. Der Gouverneur des Gebiets Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, teilte am Sonntag mit, dass das Mädchen in einem Dorf der Region auf der Straße tödlich von einem Geschoss verletzt worden sei. Unabhängige Medien berichteten, dass bei dem Beschuss mehrere Häuser und Autos beschädigt worden seien. Nach Darstellung von Gladkow gab es auch Beschuss in anderen Ortschaften des Gebiets, wo teils Elektroleitungen getroffen wurden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Russland erleidet nach Darstellung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hohe Verluste bei den Gefechten im östlichen Donbass. Die Situation dort sei "sehr kompliziert", sagt er in seiner abendlichen Videoansprache. Die Ukraine füge den Invasoren "außerordentlich hohe Verluste" zu.

Selenskyj nannte mehrere Orte in der Region, wo seit Monaten schwere Kämpfe toben. Die Angaben können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden. Eine russische Stellungnahme liegt nicht vor.

Bei russischen Angriffen in der Region Cherson sind nach ukrainischen Angaben drei Menschen getötet worden. Vier weitere Menschen, darunter zwei Kinder, seien verletzt worden, als eine Granate in den Hof eines Hauses in dem Dorf Burgunka in der südukrainischen Region einschlug, teilte die Regionalverwaltung beim Messengerdienst Telegram mit. In dem Dorf sei zudem ein achtjähriger Junge durch russischen Beschuss verletzt worden.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Der Flugzeugbauer Airbus, der auch das Militärttransportflugzeug A400M herstellt, wartet auf Exportgenehmigungen im Wert von mehreren Milliarden Euro und fordert schnelleres Vorgehen der Politik. "Wir sehen schon ein Interesse aus verschiedenen Ländern, was den A400M angeht. Leider tun wir uns im Moment schwer, die deutschen Exportlizenzen rechtzeitig zu erhalten", sagte Airbus-Rüstungschef Michael Schöllhorn der Nachrichtenagentur Reuters auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

"Unser momentanes Problem ist: Von der Zeitenwende sind bisher noch keine Aufträge bei uns angekommen, und wichtige Exporte werden nicht genehmigt", kritisierte der Manager. "Insofern ist das für uns gerade eine sehr unbefriedigende Situation, nicht zuletzt mit Blick auf den Auftragseingang." Bundeskanzler Olaf Scholz hatte kurz nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine eine "Zeitenwende" in der Sicherheitspolitik angekündigt. Ein Sonderfonds über 100 Milliarden Euro soll die Bundeswehr auf Vordermann bringen.

Schöllhorn plädierte für schnellere Exportverfahren. Danach hängen Aufträge für mehrere Plattformen, nicht nur für den A400M, bei der Regierung fest. Schöllhorn nannte keine konkrete Summe, betonte aber: "In Summe sind das dann schon Milliarden." Der Bundeskanzler habe in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz betont, dass die Produktionslinien der Industrie laufen müssten. "Um das sicherzustellen, benötigen wir Aufträge - umso mehr, wenn uns gleichzeitig der Export verwehrt wird."

China erwägt nach den Worten von US-Außenminister Antony Blinken die Lieferung von Waffen zur Unterstützung Russlands in seinem Krieg gegen die Ukraine. Jegliche Waffenlieferung an Moskau würde "ernste Probleme" verursachen, warnte Blinken am Sonntag im Fernsehsender CBS. "Die Sorge, die wir jetzt auf Grundlage der uns vorliegenden Informationen haben ist, dass sie die Bereitstellung tödlicher Unterstützung erwägen", sagte Blinken mit Blick auf China. Auf die Frage, was eine solche "tödliche Unterstützung" umfasse, sagte der Außenminister, "alles von Munition bis zu den Waffen selbst".

US-Präsident Joe Biden habe den chinesischen Staatschef Xi Jinping bereits im vergangenen März vor Waffenlieferungen an Russland gewarnt, sagte Blinken dem Sender ABC. Seither habe China darauf geachtet, "diese Linie nicht zu überschreiten", hieß es aus US-Regierungskreisen.

Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson hat davor gewarnt, Finnland früher in die NATO aufzunehmen als sein eigenes Land. Aus strategischen Gründen sollten beide Mitgliedsanträge gleichzeitig ratifiziert werden, sagte Kristersson der "Financial Times". "Die sehr enge militärische Zusammenarbeit zwischen Schweden und Finnland (...) würde deutlich komplizierter, wenn wir als Mitglieder getrennt würden." Man habe den Aufnahmeprozess gemeinsam begonnen und sollten ihn gemeinsam beenden. Ähnlich hatte sich zuvor bei der Sicherheitskonferenz in München die finnische Regierungschefin Sanna Marin geäußert.

Die beiden nordischen Länder hatten im Mai 2022 unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Aufnahme in das Verteidigungsbündnis beantragt. Den Beitritt müssen alle Mitglieder ratifizieren, doch die Türkei blockiert bislang. Präsident Recep Tayyip Erdogan begründet dies vor allem mit einer vermeintlichen Unterstützung für Terroristen in Schweden. In Finnland wird nun debattiert, ob man auf den Nachbarn warten sollte oder nicht.

Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow hat davon gesprochen, eine private Söldnergruppe zu gründen. "Wenn mein Dienst für den Staat beendet ist, plane ich ernsthaft, mit unserem lieben Bruder Jewgeni Prigoschin zu konkurrieren und ein privates Militärunternehmen zu gründen", kündigte er in sozialen Medien an. Die Söldnergruppe Wagner von Prigoschin kämpft - ebenso wie tschetschenische Milizionäre von Kadyrow - an der Seite der russischen Armee in der Ukraine.

Ukrainische Abgeordnete wollen die Parlamentarische Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am 23. und 24. Februar in Wien wegen der Teilnahme Russlands boykottieren. Das sagte eine Delegierte, Jewhenija Krawtschuk von der Präsidentenpartei Diener des Volkes, im ukrainischen Fernsehen. "Wir werden nicht an den offiziellen Veranstaltungen der Parlamentarischen Versammlung teilnehmen, an keiner einzigen", so Krawtschuk. Trotzdem werde man nach Wien fahren und mit Partnern beraten, wie die OSZE aus ihrer Krise herauskommen könne.

Vorher hatten Abgeordnete aus 20 Ländern versucht, Österreich von einer Visavergabe an die russische Delegation abzuhalten. Österreich vertritt den Standpunkt, als Land, in dem die OSZE ihren Hauptsitz habe, sei man zur Erteilung der Visa verpflichtet. Bei Treffen der Parlamentarischen Versammlung 2022 hatten die Gastgeber Großbritannien und Polen keine Russen einreisen lassen.

Die jetzige Tagung fällt mit dem Jahrestag der russischen Invasion in die Ukraine zusammen, die am 24. Februar 2022 begann. Generell hat sich die deutsche OSZE-Generalsekretärin Helga Maria Schmid gegen einen Ausschluss Russlands aus der Organisation ausgesprochen, um diplomatische Kanäle offenzuhalten.

Die Vereinten Nationen blicken mit Sorge auf die anstehenden Gespräche über eine Fortsetzung des am 18. März auslaufenden Abkommens zum Export ukrainischen Getreides. Die Lage sei "etwas schwieriger" als bei der ersten Verlängerung der Vereinbarung im November, sagte der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP zufolge in Genf. Er hoffe und glaube aber, dass das Abkommen verlängert werde. Es gehe dabei um die "internationale humanitäre Sicherheit". Die ärmeren Länder seien auf das Abkommen angewiesen.

Moskau hatte wiederholt beklagt, dass eine parallel zum Getreideabkommen geschlossene Vereinbarung, die Russland den Export von Dünger und Lebensmitteln trotz Sanktionen erlaubt, nicht respektiert werde. Auch diese Exporte gelten als äußerst wichtig für die weltweite Lebensmittelsicherheit. Griffiths räumte ein, es sei "in vielerlei Hinsicht viel komplizierter, das Düngemittelabkommen einzuhalten".

19.02.2023 • 13:39 Uhr

Meloni soll nach Kiew reisen

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni soll am Montag in die ukrainische Hauptstadt Kiew reisen, um Präsident Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Das meldet die Nachrichtenagentur Reuters unter Bezug auf "eine mit der Situation vertraute Person". Meloni, die seit Oktober im Amt ist, hatte angekündigt, die Ukraine noch vor dem Jahrestag des Kriegsausbruchs am 24. Februar zu besuchen.

Italien und Frankreich haben kürzlich Gespräche über die Lieferung eines modernen Luftabwehrsystems an die Ukraine abgeschlossen.

Frankreich beginnt nach Angaben seines Verteidigungsministeriums in den kommenden Tagen mit der Lieferung von Panzern in die Ukraine. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den Spähpanzern des Typs AMX-10 stehe "kurz vor dem Abschluss", die Lieferung werde "bereits Ende kommender Woche" beginnen, sagte Verteidigungsminister Sébastien Lecornu in einem Interview mit der Tageszeitung "Le Parisien".  Zur Zahl der Panzer, die Paris an Kiew liefert, machte Lecornu zunächst keine Angaben. Er wolle Russland diese "strategisch wichtige Information" nicht geben, sagte der Verteidigungsminister.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte Anfang Januar der Lieferung von AMX-10-Spähpanzern an die Ukraine zugestimmt. Eine Lieferung von Kampfpanzern hat Frankreich - anders als Deutschland - bisher nicht zugesagt. Zu einer möglichen Lieferung von Kampfjets, die der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Nachdruck fordert, sagte Lecornu dem "Parisien", es gebe zwar "kein Tabu". Die "logistischen und praktischen Fragen" dabei seien jedoch komplex.

Der Verteidigungsminister schloss zudem nicht aus, dass Paris ukrainische Piloten ausbildet. Großbritannien hat bereits angekündigt, Piloten der ukrainischen Luftwaffe auszubilden. Lecornu verteidigte die grundsätzliche Dialogbereitschaft Frankreichs mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Paris werde seine Gesprächskanäle offen halten, "wo immer dies nützlich ist".

Russland hat dem Westen nach bald einem Jahr Angriffskrieg gegen die Ukraine fehlenden Verhandlungswillen vorgeworfen. Es fehle an Offenheit für Friedensinitiativen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in einem Fernsehinterview, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass meldete. Aus diesem Grund werde der Westen wohl auch kein Treffen von Russlands Präsident Wladimir Putin mit US-Präsident Joe Biden befürworten, sagte Peskow.

Russische Truppen waren am 24. Februar 2022 ins Nachbarland einmarschiert. Aus Sicht der angegriffenen Ukraine wie westlicher Länder fehlt eine Verhandlungsbasis, weil Russland an seinen Eroberungen in der Ukraine festhält und die Kiewer Führung stürzen will. Der belarusische Staatschef Alexander Lukaschenko hat bereits mehrfach ein Treffen der Präsidenten Russlands und der USA angeregt. Als Ort schlug er die belarusische Hauptstadt Minsk vor.

Am Dienstag will Putin in Moskau eine Rede an die Nation halten. US-Präsident Biden wird am selben Tag zu einer Rede im ukrainischen Nachbarland Polen erwartet, in der Hauptstadt Warschau.

SPD-Chef Lars Klingbeil hat sich skeptisch zum Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für eine gemeinsame europäische atomare Abschreckung geäußert. In Deutschland sei man froh und dankbar, dass es bei diesem Thema eine transatlantische Antwort gemeinsam mit den USA gebe, sagte Klingbeil auf der Sicherheitskonferenz in München laut offizieller Übersetzung. Über die Vorschläge Macrons müsse in den kommenden Monaten im Rahmen einer notwendigen strategischen Debatte in der Europäischen Union gesprochen werden, sagte Klingbeil. Auch der italienische Außenminister und Vize-Regierungschef Antonio Tajani äußerte sich zurückhaltend - für die Diskussion über das Thema nukleare Abschreckung werde man viel Zeit benötigen.

Macron hatte Deutschland und anderen EU-Partnern erneut Gespräche zur atomaren Abschreckung in der EU angeboten. Dabei könne es um die europäische Dimension der nuklearen Abschreckung Frankreichs gehen, hatte er am Freitag auf der Sicherheitskonferenz gesagt. Die russische Aggression gegen die Ukraine sei eine Ermahnung, welch wichtige Rolle Atomwaffen in der Europäischen Union hätten und weiter haben müssten.

Frankreich ist seit dem Austritt Großbritanniens am 31. Januar 2020 die einzig verbliebene Atommacht der EU. Macron fordert seit Langem, dass sich Europa unabhängiger von den USA machen sollte.

Holzhütte, Rauchsauna, abgelegene Wälder - und unweit einer Wellnessanlage trainiert das estnische Militär. Der Krieg in der Ukraine hinterlässt Spuren in dem Land, berichtet ARD-Korrespondent Christian Blenker.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Forderungen aus der Ukraine nach Streumunition und Phosphor-Brandwaffen zurückgewiesen. "Die NATO-Verbündeten sind nicht für diese Art Waffen und haben sie bislang auch nicht geliefert", so Stoltenberg. Man liefere "Artillerie und dergleichen", aber "keine derartigen Waffen", sagte Stoltenberg bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Gespräch mit RTL/ntv.

Auch Bundespolitikerinnen und -politiker von Grünen und Linken hatten sich bereits gegen das Ansinnen der Ukraine gewandt. Der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow hatte auf der Sicherheitskonferenz für den Einsatz von Streumunition und Phosphor-Brandwaffen plädiert - der Einsatz beider Waffen ist umstritten, Streumunition ist völkerrechtlich geächtet.

Angesichts des großen Munitionsbedarfs der Ukraine wird in der EU an einem neuen Beschaffungsverfahren gearbeitet. Das bestätigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Nach Angaben von Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas geht es darum, ein ähnliches Verfahren zu nutzen wie das, mit dem in der Corona-Pandemie die zügige Beschaffung von Impfstoffen sichergestellt wurde. Kallas zufolge sollen demnach EU-Staaten Geld zur Verfügung stellen, mit dem dann über die EU gebündelt Großaufträge an die Rüstungsindustrie vergeben werden. Mit dem Verfahren könnte dafür gesorgt werden, dass die Industrie die für die Ausweitung der Produktion notwendigen Investitionen tätigen kann.

"Russland verfeuert an einem Tag so viele Artilleriegranaten, wie in Europa in einem Monat produziert werden", sagte Kallas und verwies darauf, dass in der russischen Rüstungsindustrie derzeit im Dreischichtbetrieb gearbeitet werde. In der EU müssten die Produktionskapazitäten schnell ausgebaut werden. Ohne Munition könne die Ukraine den Krieg nicht gewinnen.

Borrell sagte: "Wir sind im Kriegsmodus." Es gehe jetzt darum, schnell zu reagieren. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits gestern für Abnahmegarantien für die Rüstungsindustrie geworben.

Ein Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sieht die Deutsche Industrie- und Handelskammer einen Wohlstandsverlust in Deutschland. DIHK-Präsident Peter Adrian sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post": "Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat jenseits des durch nichts aufzuwiegenden menschlichen Leids auch wirtschaftliche Wohlstandsverluste mit sich gebracht." Insgesamt dürften rund vier Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts seit Kriegsbeginn bis Ende 2023 verloren gehen.

"Damit werden rund 160 Milliarden Euro weniger erwirtschaftet - umgerechnet etwa 2000 Euro pro Kopf", so Adrian. In den Bilanzen der Betriebe schlage sich das deutlich nieder. Viele Betriebe in der Breite der Wirtschaft verzeichneten stark gestiegene Kosten für Gas und Strom. Das treffe etliche Unternehmen weiterhin hart. Adrian bekräftigte, die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise erwiesen sich zunehmend als Standortnachteil.

Die DIHK erwartet für dieses Jahr eine Stagnation der Wirtschaftsleistung. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben hatte vor einer Woche gesagt, zwar habe sich einiges beruhigt, aber noch nichts belebt. Im Herbst hatte die DIHK vor dem Hintergrund vor allem drastisch gestiegener Energiepreise noch mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von rund drei Prozent gerechnet. Im vergangenen Jahr war Europas größte Volkswirtschaft nach jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes preisbereinigt um 1,8 Prozent gewachsen. Die angesichts des Ukraine-Krieges lange Zeit düsteren Prognosen erfüllten sich damit nicht.

Trotz einer von den Vereinten Nationen vermittelten Vereinbarung sind die Getreidelieferungen aus der Ukraine im Januar deutlich zurückgegangen. Das Gemeinsame Koordinierungszentrum in Istanbul teilte einer Meldung der Nachrichtenagentur AP zufolge mit, die Lebensmittelexporte aus drei ukrainischen Häfen seien von 3,7 Millionen Tonnen im Dezember auf drei Millionen im Januar gesunken. Als Grund wurde auf einen Rückstau bei den vereinbarten Kontrollen der Frachtschiffe in der Türkei verwiesen.

Die Inspektionen werden in Istanbul von Teams aus Russland, der Ukraine, den Vereinten Nationen und der Türkei durchgeführt. Sie sollen sicherstellen, dass die Schiffe nur landwirtschaftliche Erzeugnisse und keine Waffen transportieren. Die Kontrollen kommen allerdings immer langsamer voran: Zuletzt wurden der Meldung zufolge im vergangenen Monat 5,7 Inspektionen pro Tag registriert, im Februar sind es bisher sechs. Im Oktober hatten sie mit 10,6 ihren Höchststand erreicht.

Nach Angaben des Koordinierungszentrums warten derzeit 152 Schiffe auf Abfertigung, was einem Anstieg von 50 Prozent gegenüber Januar entspricht. Beim Besuch von Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Odessa Ende Januar wurde von 80 wartenden Schiffen gesprochen.

Norwegen will der Ukraine langfristig und unabhängig von der jetzigen Regierung helfen. "Wer auch immer Norwegen nach den nächsten Wahlen regiert - die Ukraine kann sich sicher sein, dass sie Unterstützung beim Wiederaufbau und für die Selbstverteidigung hat", sagte der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Störe in einem Videointerview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "7,5 Milliarden Euro über fünf Jahre war unsere Botschaft", so Störe weiter. Die Entscheidung sei parteiübergreifend getroffen worden.

Die nächste reguläre Parlamentswahl in Norwegen steht 2025 an. Auf Dauer angelegte Zusagen für die Ukraine gelten auch als relevant, weil über etwaige Veränderungen der amerikanischen Ukraine-Politik nach den kommenden US-Präsidentschaftswahlen spekuliert wird.

In der ostukrainischen Stadt Druschkiwka sind nach Angaben der örtlichen Behörden mehrere russische Geschosse eingeschlagen. Dabei seien in der Nacht zum Sonntag zwei Wohnhäuser beschädigt worden, teilte der Gouverneur des umkämpften Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, mit. Angaben über Verletzte oder Todesopfer machte er zunächst nicht. Druschkiwka liege weit hinter der Front, werde aber trotzdem immer wieder mit Raketen beschossen, schrieb Kyrylenko im Netzwerk Telegram.

Nach einem Bericht des Nachrichtenportals "Ukraiinska Prawda" wurden seit Samstag insgesamt acht ukrainische Verwaltungsgebiete beschossen. Dazu gehörten die Gebiete Sumy, Charkiw und Dnipropetrowsk, die alle nahe der Front liegen. Im Westen der Ukraine wurde in der Hauptstadt des Gebiets Chmelnyzkyj nach Behördenangaben ein Militärobjekt von einer Rakete größere Reichweite getroffen. Eine weitere Rakete sei nahe einer Haltstelle eingeschlagen. Die Druckwelle habe mehrere Wohnhäuser und Schulen beschädigt.

Am Sonntagmorgen herrschte im Osten und Süden der Ukraine zeitweise Luftalarm.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Russland hat den Vereinigten Staaten vorgeworfen, ein "großer Provokateur" internationaler Spannungen zu sein. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nahm dabei Bezug auf Äußerungen von US-Diplomatin Victoria Nuland. Sie hatte erklärt, dass die Krim nach Ansicht der USA demilitarisiert werden sollte und dass ihr Land ukrainische Angriffe auf militärische Ziele auf der 2014 von Russland annektierten Halbinsel befürwortete.

Am Freitag hatte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Nachrichtenagentur Interfax zufolge davon gesprochen, die "Kriegshetzer" USA würden "das Kiewer Regime zur weiteren Eskalation (anstiften)", indem sie den Krieg auf russisches Territorium verlegen würden.

Gleichzeitig sprach Peskow dem Westen ab, ernsthaft an Frieden interessiert zu sein. Bislang gebe es weder die Bereitschaft, noch die Offenheit für eine Friedeninitiative seitens des "kollektiven Westens", zitiert ihn die russische Nachrichtenagentur Tass.

Der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, hat sich bei der Sicherheitskonferenz in München dafür ausgesprochen, die Ukraine militärisch mehr und schneller zu unterstützen.

Der britische Premier Rishi Sunak hatte gestern in München bereits weitere Waffenhilfe für die Ukraine zugesagt. In seiner abendlichen Videoansprache nahm Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj darauf Bezug: Er erwarte Raketen mit größerer Reichweite.

Die diesjährige Sicherheitskonferenz soll am Mittag zu Ende gehen. Rund 40 Staats- und Regierungschefinnen und -chefs, fast 100 Ministerinnen und Minister sowie weitere Gäste aus fast 100 Ländern nehmen teil.

Der russische Angriffskrieg belastet die Beziehungen zwischen den Niederlanden und Russland. Mehrere russische Diplomaten müssen die Niederlande nun verlassen - wegen Spionageverdachts. Darüber hinaus soll das Generalkonsulat der Niederlande in St. Petersburg schließen.

Rund ein Jahr nach dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine geht die Bundesagentur für Arbeit von einer deutlichen Entlastung des deutschen Arbeitsmarkts durch Flüchtlinge aus dem Land aus. Aktuell seien rund 65.000 Ukrainerinnen und Ukrainer mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt als vor Beginn der Kämpfe, sagte Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur, der Nachrichtenagentur dpa. Hinzu kämen 21.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Minijobs. Sie alle trügen zur Bekämpfung des Personalmangels in der deutschen Wirtschaft bei.

Terzenbach erwartet, dass die Zahl der Beschäftigten aus der Ukraine in den nächsten Wochen und Monaten deutlich steigen werde - dann, wenn die Frauen und Männer die Integrations- und Berufssprachkurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge absolviert hätten.

In den Jahren 2014 bis 2016 sei das Ziel gewesen, nach fünf bis sechs Jahren die 50 Prozent der gefllüchteten Menschen in Beschäftigung zu haben - das sei trotz der Widrigkeiten der Corona-Pandemie erreicht worden. Jetzt bestehe die Chance, durch verbesserte Verfahren und zielgenauere Vermittlungen einen noch höheren Anteil in Jobs zu bringen. "Nahezu alle haben eine Chance auf dem Arbeitsmarkt", sagte Terzenbach.

Russlands Botschafter in Washington beschuldigt die USA, den von ihm als Krise bezeichneten Krieg in der Ukraine durch ihr eigenes Vorgehen zu befeuern. Dies berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Tass. Anatoli Antonow bezieht sich dabei auf die Aussage von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die Russland Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Ukraine-Krieg vorgeworfen hatte.

"Wir betrachten solche Unterstellungen als einen beispiellosen Versuch, Russland im Rahmen des gegen uns entfesselten hybriden Krieges zu dämonisieren", zitiert Tass den Botschafter. Es bestehe kein Zweifel, dass der Zweck solcher Angriffe Washingtons darin bestehe, seine eigenen Handlungen zu rechtfertigen, um die Krise in der Ukraine anzuheizen.

Die Länder Schweden und Finnland sind auf der Münchner Sicherheitskonferenz für ihre Bewerbungen zu NATO-Beitritt mit dem Ewald-von-Kleist-Preis ausgezeichnet worden. Zur Begründung hieß es, beide Länder hätten damit infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eine "historische Entscheidung" getroffen.

Für Schweden nahmen die frühere Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, die den Prozess begonnen hat, und der aktuelle Ministerpräsident Ulf Kristersson den Preis entgegen. Die finnische Seite war mit Präsident Sauli Niinistö und Ministerpräsidentin Sanna Marin vertreten.

Die Konferenz ist das weltweit größte Expertentreffen zum Thema Sicherheitspolitik. Kleist hatte 1963 den Vorläufer der Sicherheitskonferenz, die Wehrkundetagung, gegründet. Mit dem Preis werden Persönlichkeiten geehrt, die sich besonders um Konfliktbewältigung verdient gemacht haben.

Markus Söder, Sanna Marin, Ulf Kristersson, Magdalena Andersson, Sauli Niiniistö und Christoph Heusgen (von links nach rechts) im Münchner Kaisersaal

Verliehen wurde der Preis in der Münchner Residenz.

Johannes Reichart, Johannes Reichart, BR, 19.02.2023 05:45 Uhr

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will zwar eine Niederlage Russlands in der Ukraine, nicht jedoch, dass Russland "vernichtet" wird. "Ich möchte, dass Russland in der Ukraine besiegt wird, und ich möchte, dass die Ukraine ihre Position verteidigen kann, aber ich bin überzeugt, dass es am Ende nicht militärisch entschieden wird", sagte Macron in einem am Samstag in den französischen Zeitungen "Journal du Dimanche" und "Le Figaro" sowie in einem beim Sender France Inter veröffentlichten Interview.

Macron sagte zudem, er gehe davon aus, dass weder die Ukraine noch Russland den Konflikt vollständig gewinnen könnten. "Ich denke nicht - wie manche -, dass Russland vollständig besiegt und auf seinem Boden angegriffen werden sollte", sagte der französische Präsident. Solche Leute wollten Macron zufolge "vor allem Russland vernichten. Das war nie die Position Frankreichs und wird es auch nie sein".

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko zeigt kein Verständnis für Einschränkungen bei Waffenlieferungen. Sein Land werde den Krieg gewinnen, sagte er "Bild am Sonntag". "Dafür brauchen wir aber dringend weitere Waffen, Munition und auch Kampfjets", heißt es in einem Vorabbericht weiter. "Ich verstehe nicht, warum es immer wieder neue rote Linien gibt. Klar ist doch eins: Wir müssen unser Land zurückerobern, dafür brauchen wir alles, was notwendig ist."

Der russische Regierungskritiker und frühere Schachweltmeister Garry Kasparow sieht in einer militärischen Niederlage Russlands den einzigen Schlüssel für Veränderung. "Ein Sieg der Ukraine ist die Voraussetzung für jeden Wandel in Russland", sagte Kasparow am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Exilrussen diskutierten Wege und Konzepte für eine demokratische Zukunft des Landes.

Der Bevölkerung in Russland müsse deutlich gemacht werden, dass der Krieg verloren sei, sagte Kasparow. Er halte die Menschen dort für enorm leidensfähig, solange sie einen Sieg für möglich hielten. Der einzige Weg sei, den Menschen klar zu machen, dass der Krieg verloren werde. "Und um die Meinung der Russen zu ändern, gibt es leider keine andere Lösung, als den Ukrainern zu helfen, die Krim zu befreien. Die Krim ist die Heftklammer von Putins Mythologie", sagte Kasparow.

Die Außenminister der G7-Staaten haben in München härtere Strafmaßnahmen gegen Russland angekündigt. Die EU-Kommission will prüfen, durch welche Länder die Sanktionen unterlaufen werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 19. Februar 2023 um 02:55 Uhr.