
Ehemalige Kolonie Indonesien Die niederländische Gewalt hatte System
Die Niederländer ringen mit ihrer kolonialen Vergangenheit in Indonesien. Eine Studie über den Unabhängigkeitskampf zwischen 1945 und 49 belegt, dass die niederländische Armee systematisch mit Gewalt vorging.
Die niederländische Wochenschau blickt im Dezember 1949 nach Batavia, dem heutigen Jakarta. Über dem Palast am Königsplatz weht stolz die rot-weiße Flagge Indonesiens. Die Niederlande haben kurz zuvor die Unabhängigkeit des Landes anerkannt - nach einem vierjährigen Krieg, der in Den Haag als Serie von "Polizeiaktionen" verharmlost wurde.
Jahrzehntelang behauptete die Regierung, dass es dabei nur in Ausnahmen zu Gewaltexzessen gekommen sei. Diese Lesart sei nicht mehr haltbar, sagt Gert Oostindie vom Institut für Völkerkunde. Heute wisse man, "dass diese extreme Gewalt nicht ab und zu mal vorkam, sondern zur Art und Weise gehörte, wie die niederländische Armee diesen Krieg geführt hat."
"Es geht wirklich um grobe Gewalt."
Der Historiker hat gemeinsam mit anderen Forschern eine Studie über den Unabhängigkeitskampf zwischen 1945 und 49 vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die niederländische Armee, systematisch mit Gewalt gegen indonesische Militärs und Bürger vorgegangen ist.
Denken Sie an Folter oder Misshandlungen, während jemand verhört wurde, denken Sie an willkürliche Exekutionen von gefangen genommenen Militärs und Zivilisten, an Plünderungen, das Abbrennen ganzer Dörfer, also es geht wirklich um grobe Gewalt.
Das damalige Ost-Indien war rund 350 Jahre lang niederländische Kolonie, bis 1942 die Japaner das Insel-Reich besetzten. Nach der Kapitulation Japans setzte Den Haag alles daran, die Kontrolle über Indonesien zurückzugewinnen. Auch mit Gewalt. Dabei kamen rund 100.000 Indonesier und 5.000 niederländische Soldaten ums Leben.
Selbstbild von der Opfernation
Die Regierung habe von den Kriegsverbrechen nicht nur gewusst, sagt der Historiker Oostindie, sie habe das alles auch toleriert.
Wenn die Rede war von extremer Gewalt, hat niemand etwas dagegen unternommen. Und wenn niemand was tut, gibt es auch keine Prävention. Es gab die hohen Militärs, die Justiz, letztlich auch die Politik. Aber wenn niemand sagt: 'Das geht nicht', dann tut jeder, was er will, und das ist hier aufs Schlimmste passiert.
Nach dem Krieg überwog in den Niederlanden das Selbstbild von der Opfernation, die im Untergrund tapfer Widerstand gegen die deutschen Besatzer geleistet hatte. Die eigene koloniale Vergangenheit wurde ausgeblendet. Die kritische Auseinandersetzung damit begann erst Ende der 1990er Jahre.
Kritiker der Studie melden sich bereits zu Wort
Die jetzt vorgestellte Studie zu dem Thema ist die umfangreichste ihrer Art. Und sie war noch nicht publiziert, da meldeten sich bereits die ersten Kritiker zu Wort. Unter ihnen Hans van Griensven vom Niederländischen Veteranenbund.
Das Bild, das hier gezeichnet wird, ist einseitig auf die niederländische Gewalt fokussiert - ohne das in einen Kontext zu setzen und alles zu berücksichtigen, was sich da in vier Jahren abgespielt hat. Ein kleiner Teil der Soldaten hat sich schuldig gemacht - das stimmt. Das darf man auch sagen, aber das musst du auch belegen mit Tatsachen und Quellen. Du darfst aber nicht den Eindruck erwecken, dass jeder, der sich dort für die Niederlande eingesetzt hat, eine Art Kriegsverbrecher war. Das ist nicht wahr.
Für den Verband der Opfer des niederländischen Kolonialismus hingegen, geht die Studie nicht weit genug. Indem sie explizit auch Kriegsverbrechen indonesischer Truppen benenne, relativiere sie die Schuld der niederländischen Täter, so ein Sprecher der Stiftung. König Willem Alexander hatte sich bei einem Staatsbesuch in Indonesien vor zwei Jahren für die von Niederländern begangene Gewalt während des Unabhängigkeitskrieges entschuldigt.