Eine Frau schaut in ein Italienisch-Wörterbuch.

Studie zu Erinnerungsvermögen Fremdsprachen helfen dem Gedächtnis

Stand: 29.08.2023 13:16 Uhr

Mehrsprachigkeit trainiert das Gehirn und erhöht dessen Leistungsfähigkeit. Eine neue Studie zeigt: Wer mehrere Sprachen lernt, kann damit auch sein visuelles Gedächtnis verbessern - und das unabhängig vom Alter.

Von Lara Kubotsch, SWR

Wörter aneinanderreihen, Sätze bilden, Grammatik beachten: Sprache ist eine kognitive Hochleistung unseres Gehirns. Noch komplexer wird es, wenn wir neben der Muttersprache auch noch weitere Sprachen lernen. Besonders leicht fällt uns das in der Kindheit, da das Gehirn dann noch formbarer ist. Doch auch im Erwachsenenalter führt Mehrsprachigkeit nicht nur zu einer besseren Verständigung, sondern auch zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit des Gehirns.

Dass sich durch Mehrsprachigkeit auch das visuelle Erinnerungsvermögen verbessern kann, hat jetzt eine Forschungsgruppe der Northwestern University in den USA herausgefunden. Die Idee dahinter: Wenn wir mehrere Sprachen sprechen, steuern wir unsere Aufmerksamkeit gezielter und können uns das Gesehene dadurch besser merken.

Bilderspiel testet Erinnerungsvermögen

In ihrer Studie untersuchten die Forschenden das Erinnerungsvermögen von insgesamt 126 Testpersonen. Ein Drittel von ihnen sprach ausschließlich Englisch. Die übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer beherrschten zusätzlich auch Spanisch auf unterschiedlichen Niveaus. Während des Versuchs bekamen die Versuchspersonen dann zunächst ein englisches Wort zu hören. Anschließend wurden ihnen vier Bilder vorgelegt, woraus sie sich das eben gehörte Objekt heraussuchen sollten.

Die Besonderheit dabei: Was auf den übrigen Bildern abgebildet war, klang auf Englisch oder Spanisch ähnlich wie das zuvor gehörte Wort. Hatten die Testpersonen zum Beispiel "candle" (Englisch für Kerze) gehört, zeigten die weiteren Bilder "candy" (Englisch für Süßigkeiten) oder ein "candado" (Spanisch für Vorhängeschloss).

Diese Ähnlichkeiten schlugen sich dann auf das Erinnerungsvermögen aus: Im zweiten Teil des Experiments wurden den Testpersonen nochmals Bilder vorgelegt. Sie sollten dann angeben, welche davon sie in der ersten Runde bereits gesehen hatten. Englischsprachige erinnerten sich dann zum Beispiel an die Süßigkeiten, in der Regel aber nicht an das Vorhängeschloss. Wer hingegen zusätzlich Spanisch sprach, konnte sich in den meisten Fällen auch an das Vorhängeschloss erinnern.

Sprachverarbeitung im Gehirn

Dass die Teilnehmenden sich bestimmte Wörter merken konnten, liegt an der Art und Weise, wie wir Sprache verarbeiten. Hören wir ein Wort, dann hangelt sich unser Gehirn von Buchstabe zu Buchstabe und aktiviert alle ähnlichen Wörter, die im Gehirn gespeichert sind - unabhängig von der Sprache. Wer zum Beispiel "candle" hört und sowohl Englisch als auch Spanisch spricht, für den gehört dann neben "candy" auch "candado" dazu.

Die Ergebnisse der Studie zeigen: Mehrsprachigkeit kann einen Einfluss darauf haben, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen. Dabei beeinflusst sie im ersten Schritt, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Kommen jemandem sowohl "candle" als auch "candy" und "candado" bekannt vor, dann werden die entsprechenden Wörter aktiviert. Das wiederum ist eine Voraussetzung dafür, sie sich zu merken - und verbessert die visuelle Merkfähigkeit.

Mehrsprachigkeit trainiert das Gehirn

Aus vorheriger Forschung geht auch hervor: Ein verbessertes Gedächtnis kann bei Mehrsprachigkeit auch dadurch entstehen, dass das Gehirn einem permanenten Training ausgesetzt ist. Es ist dauerhaft damit beschäftigt, richtige Wörter auszuwählen und nicht benötigtes Sprachwissen zu unterdrücken. Im Alltag zeigt sich das an einer verbesserten Fähigkeit, zwischen Aufgaben hin- und herzuwechseln - resultiert aber auch in einer verbesserten Konzentrationsfähigkeit und Aufnahmefähigkeit.

Eine Studie aus Kanada konnten sogar zeigen, dass mehrsprachige Kinder bei Intelligenztests besser abschneiden als Kinder, die einsprachig aufwachsen. Doch auch im Alter hat Mehrsprachigkeit zahlreiche Vorteile und kann sogar das Risiko von Demenz vermindern - und das unabhängig davon, in welchem Alter man eine Sprache erlernt.

Sprachen lernen lohnt sich

Die Ergebnisse der Studie wiederum können eine Erklärung dafür sein, warum sich verschiedene Menschen unterschiedlich an ein und dasselbe Ereignis erinnern. Dementsprechend helfen die Forschungsergebnisse dabei, gegenseitiges Verständnis zu fördern - vor allem in sprachlich vielfältigen Gemeinschaften. Egal ob für eine bessere Verständigung oder ein verbessertes Gedächtnis: Sprachen lernen lohnt sich also.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 21. Februar 2023 um 14:54 Uhr.