Wladimir Putin
Liveblog

Krieg gegen die Ukraine ++ Russland will auf US-Militärverstärkung reagieren ++

Stand: 29.06.2022 23:15 Uhr

Russland hat angesichts der angekündigten US-Truppenverstärkung in Europa mit "Ausgleichsmaßnahmen" gedroht. EU und Litauen stehen vor einem Kompromiss im Kaliningrad-Streit. Alle Entwicklungen zum Nachlesen im Liveblog.

29.06.2022 • 23:15 Uhr

Ende des heutigen Liveblogs

Hiermit schließen wir den Liveblog für heute und wünschen eine gute Nacht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angekündigt, dass seine Regierung die diplomatischen Beziehungen zu Syrien abbrechen wird. "Es wird keine Beziehungen zwischen der Ukraine und Syrien mehr geben", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft auf Telegram. Zuvor hatte die syrische Regierung die pro-russischen selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine anerkannt. Damit war Syrien das erste Land nach Russland, das die beiden Separatistengebiete anerkannte.

29.06.2022 • 21:29 Uhr

Uniper bittet Staat um Hilfe

Der Energiekonzern Uniper ruft wegen der Gaskrise nach Hilfe vom Staat. Der Versorger nahm seine Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr 2022 mit Blick auf das bereinigte Ebit sowie den bereinigten Überschuss zurück. Die Geschäftsentwicklung habe sich durch den Krieg in der Ukraine und die in der Folge stark reduzierten Gaslieferungen aus Russland spürbar verschlechtert, sagte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach. "Daher sprechen wir jetzt mit der Bundesregierung erneut über Stabilisierungsmaßnahmen, für die eine Reihe von Instrumenten in Frage kommen wie zum Beispiel Garantie- und Sicherheitsleistungen, Erhöhung der aktuellen Kreditfazilität bis hin zu Beteiligungen in Form von Eigenkapital."

Uniper - eine Tochter des finnischen Fortum-Konzerns - ist der größte ausländische Kunde des russischen Gasriesen Gazprom. Die Düsseldorfer spielen auch mit ihren Gasspeichern eine wichtige Rolle bei der Absicherung der Versorgung Deutschlands im Winter und bei den Bemühungen der Bundesregierung, Deutschland unabhängig von russischen Gaslieferungen zu machen.

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hat den Teilnehmern des NATO-Gipfels in Madrid ein Erlebnis mit Bezügen zur Ukraine geboten. Der Sozialist lud zum Arbeitsessen in den Prado, eines der größten und bedeutendsten Kunstmuseen der Welt. Dazu spielte das Symphonieorchester aus Kiew. Das Menü wurde vom spanischen Starkoch José Andrés entwickelt, Gründer der Organisation World Central Kitchen (WCK), die Opfer von Naturkatastrophen mit gesundem Essen versorgt.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine gab WCK Tausende Portionen warmer Speisen an ukrainische Flüchtlinge an der polnischen Grenze aus. Das Menü im Prado war exquisiter: Als Vorspeise stand Hummer-Gazpacho mit Sommergemüse auf der Karte, als Zwischengang Kabeljau mit Orange und Roter Bete und als Hauptgericht Lammschulter mit Zitronenpüree. Das Dessert unter dem Namen "Aromen von Madrid" war Anislikör mit Erdbeeren aus Aranjuez. Dazu gab es Waffeln und Veilchenkaramell.

Der indonesische Präsident Joko Widodo hat im Rahmen von Vermittlungsbemühungen zwischen Russland und der Ukraine Kiew besucht. Dabei traf Widodo auch Staatschef Wolodymyr Selenskyj. Der erste Besuch eines indonesischen Präsidenten in der Ukraine habe angesichts der russischen Invasion hohen symbolischen Wert, sagte Selenskyj.

Widodo erneuerte seine Einladung an den ukrainischen Präsidenten, am G20-Gipfel im November auf Bali teilzunehmen, obwohl die Ukraine kein Mitglied der G20-Gruppe wichtiger Industrie- und Schwellenländer ist. Indonesien führt dort derzeit den Vorsitz.

Am Donnerstag will Widodo zu einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Moskau reisen. Er kündigte bereits an, Putin im Rahmen einer "Friedensmission" auffordern zu wollen, den seit vier Monaten andauernden Krieg zu beenden, um eine weltweite Nahrungsmittelkrise abzuwenden.

Der russische Präsident Wladimir Putin will nach Erkenntnissen des US-Geheimdienstes weiterhin den Großteil der Ukraine einnehmen. "Wir schätzen Präsident Putin so ein, dass er im Grunde dieselben politischen Ziele verfolgt wie zuvor. Das heißt, den größten Teil der Ukraine einzunehmen", sagt die Direktorin des US-Geheimdienstes der Nachrichtenagentur Reuters. Die Aussichten für den weiteren Verlauf des Krieges blieben daher "ziemlich düster".

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Der Streit zwischen Russland und Litauen über das Transitverbot bestimmter Waren in die russische Exklave Kaliningrad könnte Insidern zufolge in wenigen Tagen beendet werden. Derzeit verhandelten Vertreter der Europäischen Union mit Unterstützung Deutschlands mit Litauen über das Aussetzen des Transitverbotes, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Trotz Vorbehalten der litauischen Regierung zeigten die Insider sich zuversichtlich, dass ein Kompromiss bis spätestens 10. Juli getroffen wird.

Litauen ist einer der schärfsten Kritiker Russlands in der EU. "Sanktionen müssen durchgesetzt werden. Keine Entscheidung sollte die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der EU-Sanktionspolitik untergraben", sagte eine Sprecherin des litauischen Außenministeriums. Einem der Insider zufolge wird allerdings von den Befürwortern eines Kompromisses eine militärische Eskalation auf EU-Boden befürchtet. Die Regierung in Moskau könnte Gewalt anwenden, um einen Landkorridor zu schaffen. Kaliningrad sei "heilig" für Russland.

Die NATO schmiedet im Konflikt mit Russland, aber auch im Wettbewerb mit China eine globale Allianz. Man sehe eine "Ära des strategischen Wettbewerbs", sagt Generalsekretär Jens Stoltenberg nach einem Treffen der Staats- und Regierungschefs der 30 Mitgliedstaaten mit anderen demokratisch geführten Ländern.

Dem Kreis der Partner gehören Georgien, die künftigen Mitglieder Finnland und Schweden, die Europäische Union und die indo-pazifischen Staaten Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea an. "China ist nicht unser Gegner", betont Stoltenberg. Die Allianz verfolge dennoch die Aufrüstung Chinas sowie die Bedrohung von Taiwan skeptisch. Die Nato strebe "ein globales System basierend auf Werten anstatt Gewalt" an.

29.06.2022 • 19:12 Uhr

Biden dankt Erdogan für Kompromiss

US-Präsident Joe Biden dankt dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan für den Kompromiss mit Finnland und Schweden. Die Türkei hatte den Wunsch beider Länder, Mitglied der NATO zu werden, bislang blockiert. In einer kurzen Ansprache vor einem Treffen der beiden Regierungschefs, dankte Biden Erdogan auch für die diplomatischen Bemühungen, Getreide aus der Ukraine zu schaffen.

Russland hat angesichts der angekündigten US-amerikanischen Truppenverstärkung in Europa mit "Ausgleichsmaßnahmen" gedroht. Moskau habe Washington im vergangenen Jahr Gespräche über gegenseitige Sicherheitsgarantien angeboten, um ein Eskalationsszenario zu vermeiden, sagte Vize-Außenminister Sergej Rjabkow der Agentur Interfax zufolge. Diese Chance hätten die USA verpasst, meinte er. "Jetzt führt das, was gerade passiert, ganz sicher zu Ausgleichsmaßnahmen von unserer Seite."

Rjabkow fügte hinzu: "Ich denke, dass diejenigen, die solche Lösungen vorschlagen, sich der Illusion hingeben, dass sie Russland einschüchtern, irgendwie eindämmen können. Das wird ihnen nicht gelingen." Ungeachtet der Tatsache, dass Russland vor mehr als vier Monaten das Nachbarland Ukraine angegriffen hat, stellt der Kreml immer wieder die NATO und die USA als Hauptgefährder für Europas Sicherheit dar. Moskau hat vor diesem Hintergrund bereits mehrfach betont, seine westlichen Grenzen stärken zu wollen.

US-Präsident Joe Biden hatte bei einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärt, dass die USA ihre Truppenpräsenz in Europa infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiter ausbauen wollen. Ein Schwerpunkt der US-Truppenverstärkungen ist nach Bidens Angaben die Ostflanke der NATO - etwa Polen.

Die geplante Verstärkung der militärischen Präsenz der USA in Europa stellt nach Angaben des italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi keine Eskalation innerhalb der NATO dar. Die USA würden nur 70 zusätzliche US-Soldaten auf italienischem Boden stationieren, sagte Draghi in Madrid. Hinzu komme ein Luftabwehrsystem, das bereits vorgesehen gewesen sei.

Draghi sagte beim NATO-Gipfel: "Man muss bereit sein." Italien steuere insgesamt 10.000 Soldaten zur NATO bei. Dazu gehörten 2000 Soldaten, die für Bulgarien, Rumänien und Luftpatrouillen über dem Baltikum stationiert würden. Weitere 8000 italienische Soldaten würden in Italien in Alarmbereitschaft gehalten - "falls eventuell benötigt".

Russland verschärft sein ohnehin schon vielfach kritisiertes Gesetz über "ausländische Agenten" deutlich. Zum "ausländischen Agenten" können künftig alle Organisationen oder Einzelpersonen erklärt werden, die aus dem Ausland unterstützt werden oder unter irgendeiner Form von "ausländischem Einfluss" stehen.

Für das entsprechende Gesetz, das Anfang Dezember in Kraft treten soll, stimmte das Parlament in Moskau. Bislang sah die russische Gesetzgebung vor, dass beispielsweise Nichtregierungsorganisationen nur dann zu "ausländischen Agenten" erklärt werden konnten, wenn sie sich mit Geldern aus dem Ausland finanzierten.

Auch das Oberhaupt der selbsternannten Volksrepublik Donezk in der Ostukraine hat bestätigt, dass ein Gefangenenaustausch mit Kiew stattgefunden hat, an dem 144 Kämpfer auf beiden Seiten beteiligt waren. "Heute kehren wir 144 Kämpfer der Volksrepublik Donezk und der Russischen Föderation, die vom Feind gefangen genommen wurden, nach Hause zurück", schrieb Denis Puschilin über Telegram.

"Wir haben die gleiche Anzahl von Gefangenen aus ukrainischen bewaffneten Einheiten, von denen die meisten verwundet waren, an Kiew übergeben."

Im Transitstreit mit Litauen hat ein russischer Abgeordneter vor einer militärischen Konfrontation gewarnt. Der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im Parlament, Wladimir Dschabarow, sagte, wenn der Bahnverkehr zwischen Russland und der russischen Exklave Kaliningrad weiterhin beschränkt werde, könnte das zu einem bewaffneten Konflikt führen.

"Der russische Staat muss sein Territorium schützen und seine Sicherheit gewährleisten", sagte Dschabarow in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung. "Wenn wir eine Bedrohung unserer Sicherheit sehen, die mit einem Verlust von Territorium verbunden ist, werden wir sicherlich extreme Maßnahmen ergreifen und nichts wird uns aufhalten."

Der Kreml warnte bereits, er könnte Vergeltung üben für die Beschränkungen des Transits nach Kaliningrad, das an die EU- und NATO-Mitglieder Polen und Litauen grenzt. Litauen hat erklärt, es setze lediglich EU-Sanktionen gegen Russland wegen des Krieges in der Ukraine um.

Russlands enger Verbündeter Syrien hat die beiden ostukrainischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk offiziell als unabhängige Staaten anerkannt. Das meldete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das Außenministerium in Damaskus. Es sollten mit beiden "Ländern" Gespräche geführt werden, um diplomatische Beziehungen aufzunehmen.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte die beiden Separatistengebiete kurz vor dem Überfall auf die Ukraine Ende Februar unter großem internationalen Protest als unabhängige "Volksrepubliken" anerkannt. Nach offizieller Lesart des Kreml sollen sie von ukrainischen Nationalisten "befreit" werden. Beobachter sehen darin einen Vorwand für den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Syrien ist nach Russland das erste Land, das die Separatistengebiete als Staaten anerkennt.

Millionen Menschen sind nach UN-Angaben wegen stark gestiegener Getreidepreise infolge des Kriegs in der Ukraine von Hungersnot bedroht. Falls der Export ukrainischen Getreides vollständig zum Erliegen kommt, würden die globalen Preise um 19 Prozent im Vergleich zum Vorkriegs-Niveau steigen, prognostizierten die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).

Falls die russischen Exporte um die Hälfte schrumpften, könnte es zu einem Preisanstieg von 34 Prozent im Vergleich zu 2021 kommen. Eine solche Entwicklung könnte acht bis 19 Millionen Menschen zusätzlich in den Hungersnot drängen, teilten die Organisationen mit.

Bei dem bislang größten Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine sind nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums 144 ukrainische Soldaten befreit worden.

Darunter seien 95 Kämpfer aus dem Asow-Stahlwerk in Mariupol, erklärte die Geheimdienstabteilung des ukrainischen Verteidigungsministeriums im Onlinedienst Telegram. Angaben zu Ort und Zeitpunkt des Austauschs wurden zunächst nicht gemacht.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesinnenministerin Nancy Faeser planen im Juli eine gemeinsame Reise in die Ukraine. Das kündigten beide SPD-Politiker am Rande eines Treffens mit Schülern einer Integrationsklasse an einem Berliner Gymnasium an.

Man wolle mit den ukrainischen Amtskollegen unter anderem über Integrationsperspektiven von nach Deutschland geflüchteten Menschen reden, sagte Heil. Er sprach von einem sensiblen Thema. Auf der einen Seite gebe es die Hoffnung der Ukraine auf ein möglichst baldiges Ende des furchtbaren Krieges und eine Rückkehr der Menschen, auf der anderen Seite wisse man nicht, wie lange der Krieg dauere.

Der natürliche Wunsch der Menschen sei, sobald wie möglich die Heimat wiederzusehen. "Aber die schreckliche Realität ist, das wird für viele dauerhaft oder langfristig nicht möglich sein", sagte der Arbeitsminister. Er sicherte zu: "Wir werden für alle, die hier sind, Integration anbieten und ermöglichen."

Unter dem Eindruck westlicher Sanktionen will Russlands Präsident Wladimir Putin im Energiebereich die Zusammenarbeit unter anderem mit zentralasiatischen Partnern ausbauen. Bereits jetzt arbeiteten die Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres bei der Nutzung von Gas- und Ölfeldern eng zusammen, sagte Putin bei einem Gipfeltreffen in der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik Turkmenistan.

Zu der Runde der sogenannten Kaspischen Fünf zählen neben Russland und Turkmenistan auch Kasachstan, Aserbaidschan und Iran. Russland betrachte den Aufbau regionaler Handels- und Investitionsbeziehungen sowie die Vertiefung von industrieller und technologischer Zusammenarbeit als Hauptaufgabe für die Zukunft, sagte Putin.

In Norwegen sind zahlreiche private und staatliche Einrichtungen Ziel eines Hackerangriffs geworden. "Eine kriminelle pro-russische Gruppe scheint hinter den Attacken zu stecken", teilte die norwegische Sicherheitsbehörde NSM mit. In den vergangenen 24 Stunden sei es zu wiederholten Angriffen gekommen. "Wir haben zuletzt ähnliche Angriffe in anderen Ländern gesehen", sagte NSM-Direktorin Sofie Nyström.

Am Montag war es zu einem Cyberangriff auf staatliche und private Unternehmen in Litauen gekommen. Die russische Hackergruppe Killnet bestätigte der Nachrichtenagentur Reuters den Angriff. Die Aktion sei eine Vergeltungsmaßnahme für den Streit mit Litauen über das Transitverbot für bestimmte Waren in die russische Exklave Kaliningrad gewesen.

Bei dem Zwischenfall in Norwegen handelt es sich nach NSM-Angaben um DDoS-Attacken. Dabei wird ein Netzwerk mit Anfragen geflutet, um es zu lähmen.

China hat der NATO eine Mentalität des Kalten Krieges attestiert. NATO-Staaten schürten Spannungen und provozierten Konflikte, indem sie Kriegsschiffe und Flugzeuge nach Asien und ins Südchinesische Meer schickten, sagte Außenministeriumssprecher Zhao Lijian.

Die NATO solle aufhören, sich Feinde zu schaffen und Asien und die ganze Welt durcheinander zu bringen, nachdem sie schon Europa zerrüttet habe. Zhao kritisierte zudem die wegen des Ukraine-Krieges verhängten Sanktionen gegen Russland.

Die NATO hat Russland in einer Erklärung als bedeutendste und unmittelbarste Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit ihrer Mitglieder bezeichnet. Diese Einschätzung gab das Militärbündnis bei seinem Gipfel in Madrid ab.

Die Erklärung unterstreicht, wie nachhaltig der russische Angriffskrieg in der Ukraine die Sicherheitsordnung in Europa nach dem Kalten Krieg auf den Kopf gestellt hat. Die Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder versprachen, die politische und praktische Unterstützung für die Ukraine zu verstärken.

Die NATO hat offiziell das Verfahren zur Aufnahme von Finnland und Schweden gestartet. "Heute haben die Staats- und Regierungschefs der NATO die historische Entscheidung getroffen, Finnland und Schweden einzuladen, Mitglieder der NATO zu werden", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg beim Gipfeltreffen des Bündnisses in Madrid. Dies sei wochenlange harte Arbeit gewesen.

Die Ukraine kann sich nach den Worten von Stoltenberg "so lange wie nötig" auf die NATO verlassen.

"Der Fahrplan der NATO ist radikal anders als bisher", Markus Preiß, ARD Brüssel, zum Nato-Gipfel

tagesschau 15:00 Uhr
Helga Schmidt, Helga Schmidt, ARD Brüssel, 29.06.2022 15:04 Uhr

Russland sieht den derzeit stattfindenden NATO--Gipfel als Bestätigung für die aggressive Haltung des westlichen Militärbündnisses. "Das Gipfeltreffen in Madrid festigt den Kurs einer aggressiven Eindämmung Russlands" durch die Militärallianz, sagte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow laut russischen Nachrichtenagenturen.

Die Erweiterung des Bündnisses um Finnland und Schweden bezeichnete er demnach als "rein destabilisierenden Faktor in den internationalen Angelegenheiten". NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete Russland in Madrid als eine "direkte Bedrohung" für die Sicherheit der westlichen Militärkoalition.

Die 30 NATO-Staaten haben eine deutliche Verstärkung der Ostflanke beschlossen. Zudem stimmten die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel in Madrid einem neuen Streitkräfte-Modell zu, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Bündniskreisen erfuhr. Es sieht vor, künftig mehr als 300.000 Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft zu halten. Die bisherige schnelle NATO-Eingreiftruppe NRF soll durch das neue Streitkräfte-Modell ersetzt werden. Sie hat lediglich eine Größe von rund 40.000 Soldaten.

Die westlichen Verbündeten haben nach eigenen Angaben im Zuge der Sanktionen gegen Russland bisher persönliche Vermögenswerte im Wert von mehr als 30 Milliarden US-Dollar (28,5 Milliarden Euro) eingefroren.

Außerdem sei Vermögen der russischen Zentralbank im Wert von etwa 300 Milliarden Dollar (285 Milliarden Euro) eingefroren worden, teilte das US-Finanzministerium mit. Dies sei der Zusammenarbeit in der Task Force "Russische Eliten, Helfer und Oligarchen" zu verdanken, bei der die Europäische Union und die G7-Staaten Deutschland, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, Großbritannien und die USA sowie Australien kooperieren.

Beim Einfrieren von Vermögenswerten geht es darum, diese nicht mehr nutzbar zu machen. Das kann zum Beispiel bedeuten, ein Bankkonto zu sperren. Formal bleibt das Vermögen dabei im Regelfall im Besitz des Eigentümers.

Der russische Vize-Außenminister Sergej Ryabkow hat erklärt, wenn die USA ein Embargo gegen russisches Gold beschließen, würde man sich andere Abnehmerländer suchen. Zudem stellen Experten auch in Deutschland die Wirksamkeit der Maßnahme in Frage: Das geplante Importverbot für russisches Gold hat aus Sicht des Branchenverbands Fachvereinigung Edelmetalle keine gravierenden Folgen für das aktuelle Marktgeschehen.

Hinter dem Fake-Videotelefonat eines vermeintlichen Vitali Klitschko mit Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey steckt offenbar ein russisches Komiker-Duo. Das behaupten die beiden Männer gegenüber dem ARD-Magazin Kontraste.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die USA und ihre Verbündeten im Zuge ihrer Sanktionen gegen Moskau nach eigenen Angaben Vermögenswerte in Höhe von mehr als 313 Milliarden Euro eingefroren. Ein Großteil davon entfalle auf Guthaben der russischen Zentralbank, teilte das US-Finanzministerium unter Berufung auf Zahlen der gemeinsamen Task Force Repo mit. Durch Sanktionen gegen russische Oligarchen und Regierungsvertreter seien weitere Finanzmittel in Höhe von 30 Milliarden Dollar blockiert worden. Darüber hinaus seien mindestens fünf Luxusjachten und mehrere Immobilien im Besitz russischer Milliardäre beschlagnahmt worden.

Papst Franziskus verurteilt die Bombardierung eines Einkaufszentrums im zentralukrainischen Krementschuk scharf. In einer ganzen Reihe von "barbarischen Angriffen" sei dies der jüngste, erklärt der Papst. Der "irrsinnige Krieg" müsse endlich aufhören, sagte er beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz. Bei dem Angriff waren nach ukrainischen Angaben am Montag mindestens 18 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Russland bestreitet ukrainische Vorwürfe, das Einkaufszentrum attackiert zu haben und hat erklärt, ein Waffendepot in der Nähe beschossen zu haben.

Großbritannien hat Sanktionen gegen den russischen Oligarchen Wladimir Potanin angekündigt. Er häufe weiter Reichtum an und unterstütze das Regime von Präsident Wladimir Putin, begründet die Regierung in London ihr Vorgehen gegen Potanin, den sie als den zweitreichsten Mann in Russland bezeichnet. Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine habe Potanin bei der Rosbank zugeschlagen und Anteile an der Tinkoff Bank erworben. Der Oligarch verdankt seinen Reichtum vor allem seiner Beteiligung an Nornickel, dem weltgrößte Produzenten von Palladium und veredeltem Nickel. Neben Potanin setzt Großbritannien noch etwa ein Dutzend weitere Unternehmer und Finanzfirmen auf seine Sanktionsliste.

Norwegen hat der ukrainischen Armee die Lieferung von drei Mehrfachraketenwerfern zugesagt. Das bestätigte der norwegische Verteidigungsminister Björn Arild Gram. Die Lieferung der Geschütze erfolge in Kooperation mit Großbritannien. Norwegen werde der Ukraine außerdem 5000 weitere Granaten zur Verfügung stellen, fügte Gram hinzu.  Zuvor hatten bereits die USA der Ukraine vier Mehrfachraketenwerfer geliefert. Deutschland und Großbritannien sagten Kiew jeweils drei Mehrfachraketenwerfer zu.

Russland ist nach eigenen Angaben bislang nicht darüber informiert worden, dass US-Behörden einen Frachter mit russischen Ölprodukten an Bord gestoppt haben sollen. Das meldet die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf Vize-Außenminister Sergej Rjabkow. Einem Insider zufolge haben die Amerikaner den von Russland nach New Orleans fahrenden Öltanker aufgehalten, um zu prüfen, ob seine Fracht aus Russland stamme. Ein Sprecher der Firma, die das Schiff gechartert hat, hat erklärt, es seien keine russischen Frachtgüter an Bord. Die USA haben nach Russlands Einmarsch in die Ukraine Sanktionen auf russische Ölprodukte verhängt.

Bei Kämpfen im Süden der Stadt Lyssytschansk in der Ostukraine haben regierungstreue Truppen nach Darstellung Moskaus deutliche Verluste erlitten. Von den 350 Mann einer Gebirgsjägerbrigade seien lediglich noch 30 Soldaten am Leben geblieben, teilte das russische Verteidigungsministerium in Moskau mit und bezog sich dabei auf Kämpfe an einer Ölraffinerie.

Zudem sei eine Ausbildungsbasis für ausländische Söldner in der Nähe der Stadt Mykolajiw im Süden sowie vier Kommandoposten zerstört worden. Das russische Verteidigungsministerium teilte zudem mit, bei Angriffen in der Nähe von Pytomnyk im Charkiwer Gebiet im Osten seien 100 Kämpfer getötet und Militärtechnik vernichtet worden. Auch in anderen Gebieten seien Kämpfer auf der Seite der ukrainischen Armee getötet worden. Über größere Geländegewinne wurde nichts mitgeteilt.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Russland betrachtet die geplanten NATO-Beitritte Finnlands und Schwedens nach Angaben seines stellvertretenden Außenministers Sergej Rjabkow als "negativ". Eine Erweiterung der NATO sei destabilisierend und trage nicht zur Sicherheit der Mitglieder des Bündnisses bei, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax Rjabkow weiter.

Vier Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben die Vereinten Nationen der russischen Armee eine völkerrechtswidrige Kriegsführung vorgeworfen. "In weitaus geringerem Umfang" scheinen dagegen die ukrainischen Streitkräfte das humanitäre Völkerrecht gebrochen zu haben, wie Matilda Bogner, Leiterin der UN-Menschenrechtskommission in der Ukraine sagte.

Völkerrechtswidrig werden demnach dicht besiedelte Gebiete mit schwerer Artillerie, Mehrfachraketenwerfern beschossen und durch Flugzeuge und Raketen aus der Luft angegriffen. Dabei sei auch mehrfach Streumunition eingesetzt worden, sagte Bogner. Besonders hob sie den Angriff auf den Bahnhof im von der Ukraine kontrollierten Kramatorsk Anfang April mit 60 Toten und 111 Verletzten hervor. Sie verwies auch auf den Beschuss des von prorussischen Separatisten kontrollierten Donezk Mitte März mit 15 Toten und 36 Verletzten mit Streumunition.

Russland wirft Norwegen vor, eine Frachtladung nicht zur Insel Spitzbergen transportieren zu dürfen. Dabei handele es sich um Lebensmittel für russische Bergleute, die in einem Dorf arbeiteten, schrieb der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow im Nachrichtendienst Telegram. Die norwegischen Behörden hätten ihre Weigerung mit den Sanktionen gegen Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine begründet.

Kossatschow warf Norwegen einen Verstoß vor gegen internationale Verpflichtungen aus dem Vertrag von Paris von 1920 vor. Demnach hätten alle Vertragsstaaten gleiche Rechte auf Arbeit, Handel und Schifffahrt im Gebiet Spitzbergen. "Die Sowjetunion ist dem Dokument am 7. Mai 1935 beigetreten, und Russland beteiligt sich daran als Nachfolgestaat der UdSSR", schrieb der Außenpolitiker.

Vertreter von NATO-Staaten haben die Verstärkung der Streitkräfte des Bündnisses hin zu einem Bollwerk gegen Russland in Osteuropa zu einer Schlüsselpriorität des Gipfels in Madrid erklärt. Der britische Premierminister Boris Johnson sagte bei seiner Ankunft, die NATO müsse Lehren aus den Kriegsmonaten ziehen und die Notwendigkeit erkennen, ihre Haltung an der Ostflanke der Militärallianz zu revidieren.

Der polnische Präsident Andrzej Duda sagte über die geplante umfassende Aufstockung der schnellen Eingreifkräfte in den Russland am nächsten gelegenen Mitgliedsstaaten, diese werde Europa sicherer machen. "Russland ist eine Bedrohung für Europa, und nicht nur für Europa, sondern die gesamte NATO", sagte er.

US-Präsident Joe Biden hat die Verlegung weiterer amerikanischer Verbände nach Europa angekündigt, darunter ein fünftes Hauptquartier der europäischen US-Streitkräfte in Polen. Die NATO werde so ausgestattet, um Gefahren aus allen Richtungen, an Land, aus der Luft und zur See, begegnen zu können, betonte Biden beim NATO-Gipfel in Madrid.

Wie Generalsekretär Jens Stoltenberg hat auch er dabei von einem "historischen" Treffen gesprochen. Er unterstrich, die im Vertrag des Verteidigungsbündnisses festgehaltene Beistandspflicht sei "heilig". Vom Gipfel werde die "unzweifelhafte Botschaft" ausgehen, die NATO sei stark und geeint.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat die Zusage Deutschlands und der Niederlande gelobt, weitere sechs Panzerhaubitzen in die Ukraine zu liefern. Das sei ein wichtiger Schritt, sagte sie im Interview mit NDR Info. "Wir gehen militärisch für die Bundeswehr ans Limit, anderes wäre ja auch seltsam", so Strack-Zimmermann.

Die FDP-Politikerin forderte, künftig auch bereit zu sein, Marder-Panzer zu schicken. Bezüglich der zusätzlichen Stärkung der NATO-Eingreiftruppe durch Bundeswehrsoldaten sagte Strack-Zimmermann: "Wir brauchen mehr junge Menschen, die bereit sind, diesen ja nicht ganz ungewöhnlichen Beruf zu ergreifen." Wer heute zur Armee gehe, könne in einen Kampf verwickelt werden. Die Verteidigungsexpertin sagte zudem: "Wir werden uns spätestens im Herbst auch damit beschäftigen müssen, wie wir die Bundeswehr noch attraktiver für junge Menschen machen können."

29.06.2022 • 10:15 Uhr

Widodo in Kiew eingetroffen

Der indonesische Präsident Joko Widodo ist zu seinem geplanten Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Am Bahnhof wurden er und seine Entourage unter anderem vom stellvertretenden Außenminister der Ukraine, Dmytro Senik, empfangen. Das teilte das indonesische Präsidentenbüro in Jakarta mit.

Am Nachmittag ist ein Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj geplant. Er werde an ihn appellieren, Friedensgesprächen zuzustimmen, hatte Widodo zuvor angekündigt. Morgen will er nach Russland reisen und Präsident Wladimir Putin treffen. Er wolle diesen auffordern, den Krieg zu beenden, um eine weltweite Nahrungsmittelkrise abzuwenden.

Widodo ist laut eigenen Angaben in einer "Friedensmission" unterwegs. Er habe diese "mit guten Absichten begonnen", schrieb Widodo auf Twitter - und hoffe, die Dinge würden einfacher. Indonesien richtet im November den G20-Gipfel auf Bali aus. Widodo hatte dazu auch Putin eingeladen, der Kreml bestätigte mittlerweile dessen Teilnahme.

Die Ukraine hat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde gegen Russland eingereicht. Laut Gerichtshof monierte sie unter anderem Verstöße gegen das Recht auf Leben und den Schutz vor Folter. Die ukrainische Regierung spricht von gezielten und unverhältnismäßigen Angriffe auf Zivilistinnen und Zivilisten. Das Gericht informierte Russland über die Beschwerde seines Nachbarlandes, die vergangene Woche eingereicht wurde. Ob sie zulässig ist, wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.

Insgesamt fünf Staatenbeschwerden der Ukraine gegen Russland sind derzeit vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof anhängig. Er hat seinen Sitz im französischen Straßburg und gehört zum Europarat. Aus diesem ist Russland wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine ausgeschlossen worden - Russland bleibt aber bis zum 16. September Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Die Ukraine wird nach Angaben von Bundeskanzler Olaf Scholz weiter militärisch unterstützt. "Die Botschaft ist: Das werden wir so lange fortsetzen und auch so intensiv fortsetzen, wie es notwendig ist, damit die Ukraine sich verteidigen kann", sagte Scholz vor Beginn des NATO-Gipfels in Madrid. Russland habe mit seinem brutalen Angriffskrieg die Souveränität und Integrität der Ukraine verletzt. Deshalb sei es richtig, das Land mit Geld und Waffen zu unterstützen.

Scholz verwies darauf, dass Deutschland zudem seine Beiträge erhöht habe, um gerade die osteuropäischen NATO-Partner gegen mögliche Angriffe zu verteidigen. Zahlen nannte er nicht.

Laut Einschätzung britischer Geheimdienste könnte der russische Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in der ukrainischen Stadt Krementschuk ein Versehen gewesen sein. Es sei durchaus realistisch, dass die Attacke am Montag ein nahe gelegenes Infrastrukturziel habe treffen sollen, hieß es in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums.

Moskaus Angriffe mit Langstreckenraketen seien auch schon in der Vergangenheit ungenau gewesen, was zu einer hohen Zahl an zivilen Opfern geführt habe - etwa beim Beschuss des Bahnhofs in der Stadt Kramatorsk im April. Moskau sei bereit, "hohe Kollateralschäden" in Kauf zu nehmen.

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in seiner täglichen Videobotschaft gesagt, der Angriff auf das Einkaufszentrum sei gezielt erfolgt, um möglichst viele Menschen zu töten. In Krementschuk waren mindestens 18 Menschen ums Leben gekommen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg möchte die auf 300.000 Soldaten verstärkte schnelle Eingreiftruppe im kommenden Jahr einsatzfähig haben. Die Kräfte des Verteidigungsbündnisses würden jeweils in ihren Ländern stationiert, aber für die Verteidigung bestimmter Staaten und Gebiete zuständig sein, sagte Stoltenberg am Mittwoch beim NATO-Gipfel in Madrid.

Er verwies auf Deutschland und konkrete Pläne, eine Kampfbrigade für die Verteidigung des NATO-Partners Litauen zu stellen. Dies sei ein Beispiel für die Verstärkung der Ostflanke. "Sie werden dort üben. Sie werden lernen, zusammen mit heimischen Streitkräften zu operieren. Und sie werden dort bereitstehende Ausrüstung, schwere Ausrüstung, Treibstoffvorräte und viele andere nötige Dinge für den Einsatz in dem bestimmten Gebiet haben."

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hält die angekündigte Lieferung von drei weiteren Panzerhaubitzen an die Ukraine für vertretbar. Die SPD-Politikerin sagte im Interview mit NDR Info, man wäge genau ab. Ohne den Krieg in der Ukraine hätte sie die drei Panzerhaubitzen zwar lieber für die Bundeswehr behalten. "Jetzt geht es darum, die Ukraine zu unterstützen", so Lambrecht. Andererseits müsse auch dafür gesorgt werden, dass die abgegebenen Bestände wieder aufgefüllt werden. Lambrecht sagte: "Da sind wir im Gespräch mit der Industrie, dass das auch schnell erfolgen kann."

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich erleichtert darüber geäußert, dass die Türkei ihren Widerstand gegen den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands aufgegeben hat. Damit werde der Plan des russischen Präsidenten durchkreuzt, das Militärbündnis zu spalten, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF.

Finnland und Schweden seien starke liberale Demokratien und hätten auch starke eigene Armeen. Daher werde ihr Beitritt die NATO deutlich stärken, so Baerbock. Zugleich seien die Staaten verwundbar und fürchteten angesichts des russischen Angriffskriegs um ihre Sicherheit. Daher setze sich Deutschland dafür ein, dass es keine lange Übergangszeit bis zum Beitritt gebe.

In der von russischen Truppen besetzten Stadt Cherson im Süden der Ukraine soll ein Referendum vorbereitet werden, um über einen möglichen Beitritt zu Russland zu entscheiden. Das meldet die Nachrichtenagentur Reuters und nennt als Quelle die russische Nachrichtenagentur Tass. Organisiert werde die mutmaßlich geplante Abstimmung von der von Moskau eingesetzten Administration in Cherson. Die Stadt liegt rund 30 Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt. Sie wurde Anfang März eingenommen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Nach dem Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in der zentralukrainischen Stadt Krementschuk sprechen die Behörden von weiterhin 36 Vermissten. Bei dem Angriff am Sonntag sind mindestens 18 Menschen getötet und 40 verletzt worden.

In der südukrainischen Stadt Mykolajiw sollen bei einem russischen Angriff zwei Menschen getötet und drei verletzt worden sein. Das meldet die Nachrichtenagentur Reuters unter Bezug auf den Regionalgouverneur Witaly Kim. Den Angaben zufolge soll es sich um einen Angriff auf ein Wohngebäude gehandelt haben. Ob Bomben oder Raketen, Artillerie oder Mörser eingesetzt worden sind, dazu äußerte er sich nicht.

Nach dem türkischen Einlenken im Streit um einen NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands dringt die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson auf raschen Vollzug. Je schneller das Aufnahmeprozedere nun vonstatten gehe, desto besser - "nicht nur für Schweden und Finnland, sondern für die anderen NATO-Länder", sagte Andersson der Nachrichtenagentur AP. Sie wendete aber auch ein, dass es 30 Parlamente seien, die die Entscheidung billigen müssten: "Und man weiß nie." Die Türkei hatte Schweden und Finnland vorgeworfen, die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK und Kämpfer der YPG in Syrien zu unterstützen - Ankara sieht diese als Terroristen an.

Im Vorfeld des heute beginnenden NATO-Gipfels in Madrid hat CDU-Oppositionspolitiker Roderich Kiesewetter die Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine als unzureichend kritisiert. "Es war absehbar, dass die Ukraine in die Defensive gerät, weil über Wochen Waffen nur versprochen wurden, aber nicht geliefert", sagte Kiesewetter der "Passauer Neuen Presse".

Deutschland habe der Ukraine vieles erschwert. "Man will offenbar den Frieden erzwingen, indem man die Ukraine mit der Lieferung von nur geringen Stückzahlen an wichtigen Waffen geradezu aushungert, bis sie nicht mehr kann", so Kiesewetter. Der CDU-Politiker warnte zudem, das Ziel des russischen Präsidenten Putin seien neben der Auflösung der Ukraine auch Angriffe auf Moldau und das Baltikum.

Die von der NATO angekündigte drastische Aufstockung der schnellen Einsatztruppe wird die Bundeswehr nach Einschätzung der Wehrbeauftragten des Bundestages, Eva Högl, schwer belasten. "Absehbar ist, dass die Anforderungen an Deutschland steigen werden. Für die Bundeswehr bedeutet das eine enorme Herausforderung und erfordert große Anstrengungen hinsichtlich Personal, Material, Ausrüstung und Infrastruktur", sagte Högl der "Augsburger Allgemeinen".

Kai Küstner, Kai Küstner, ARD Berlin, 29.06.2022 05:43 Uhr

Kurz vor dem NATO-Gipfel hat Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda nochmals auf eine stärkere NATO-Präsenz im östlichen Bündnisgebiet gepocht. Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine müsse bei dem Spitzentreffen in Madrid der Übergang von Abschreckung zur Vorwärtsverteidigung vollzogen werden, sagte Nauseda der Nachrichtenagentur dpa.

Die bisherige NATO-"Stolperdrahtlogik" zur Verteidigung des Baltikums sei nicht mehr tragfähig. Notwendig seien mehr Bodentruppen in den baltischen Staaten und an der NATO-Ostflanke, sagte der litauische Staatschef. Auch Luftverteidigung statt Luftüberwachung sei nötig.

US-Präsident Joe Biden hat das Ende des türkischen Widerstandes gegen einen Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO begrüßt. Biden erklärte in der Nacht, er gratuliere den drei Ländern zur der Abmachung, in der Ankara eine Unterstützung von Stockholms und Helsinkis Beitrittsbestrebungen zusichert. "Finnland und Schweden sind starke Demokratien mit sehr fähigen Streitkräften", erklärte der US-Präsident. "Ihre Mitgliedschaft wird die kollektive Sicherheit der NATO stärken und dem gesamten transatlantischen Bündnis zugute kommen."

Mit Blick auf den heute beginnenden NATO-Gipfel in Madrid erklärte Biden, das westliche Militärbündnis sei "stärker, vereinter und entschlossener als jemals zuvor".

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat Kremlchef Wladimir Putin nach dem tödlichen Raketeneinschlag in einem Einkaufszentrum in Krementschuk verbal scharf attackiert. Putin sei ein "Terrorist", sagte Selenskyj in einer Videoansprache an den UN-Sicherheitsrat. Zudem forderte er den Ausschluss Russlands aus den Vereinten Nationen und die Schaffung eines internationalen Tribunals, das zum russischen Vorgehen in der Ukraine ermitteln solle.

Seine Rede beendete Selenskyj mit einem Ausruf an alle Mitglieder des höchsten UN-Gremiums, sich für eine Schweigeminute in Gedenken an die "Zehntausenden" Kinder und Erwachsene zu erheben, die bisher im Krieg getötet worden seien. Alle Repräsentanten der Ratsmitglieder standen auf, auch der russische Vize-UN-Botschafter Dmitri Poljanski.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 29. Juni 2022 um 08:04 Uhr.