
Spenden nach Flutkatastrophe Warten auf die Wiederaufbauhilfen
Recherchen von Report Mainz zeigen, dass auch Monate nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und NRW ein Großteil der Spenden nicht ausgezahlt worden ist. Dafür fließt Geld in fragwürdige Projekte.
Nach der Flut im vergangenen Jahr sind nach Angaben des "Deutschen Instituts für soziale Fragen" über 580 Millionen Euro Spenden zusammengekommen. Das meiste Geld hat die "Aktion Deutschland Hilft" eingesammelt: über 270 Millionen Euro. Geld, das zu einem großen Teil noch auf dem Konto liegt.
Viel Geld ist noch nicht ausgezahlt
Nach Recherchen von Report Mainz liegen bei "Aktion Deutschland Hilft" noch über die Hälfte der Spendengelder auf dem Konto, rund 157 Millionen Euro. Auch andere Hilfsorganisationen können keine Wiederaufbauhilfen auszahlen. So heißt es beispielsweise vom "Wohlfahrtsverband der Arbeiterwohlfahrt" (AWO): "Eine abschließende rechtliche Klarheit besteht noch nicht. Deshalb können Einzelfallhilfen, als Ergänzung der staatlichen Wiederaufbauhilfe, noch nicht ausgezahlt werden."
Im Interview erklärt sich die Vorständin des Spendenbündnisses "Aktion Deutschland Hilft", Manuela Roßbach: Man habe nach der Katastrophe rund 30 Millionen Euro Soforthilfe gezahlt, Sachspenden finanziert oder gemeinnützige Projekte unterstützt. Doch jetzt bei den Spenden für den Wiederaufbau werde alles komplizierter: "Einfach Geld auszahlen, geht nicht. Die rechtliche Situation verlangsamt komplett die Auszahlungen." Die komplizierten Gesetze zwängen die Hilfsorganisationen zu warten, bis der Staat seine Hilfsgelder für den Wiederaufbau von Gebäuden ausgezahlt habe.
Dabei sollte es dieses Mal schnell und unbürokratisch laufen. So das Versprechen der Politik, allen voran des heutigen Bundeskanzlers, damals noch Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister.
Das Grundproblem ist das komplizierte Spendenrecht, das die schnelle Hilfe erschwert. Normalerweise müssen sich Hilfsorganisationen am Sozialhilfesatz orientieren, wenn sie Privatpersonen Geld geben möchten und die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit genau prüfen.
Für die Flut hatten Bund und Land das zwar deutlich vereinfacht, erklärt der Vorsitzende des "Deutschen Fundraising Verbandes", Martin Georgi. Jedoch nur für sogenannte Soforthilfen bis 5000 Euro. "Die meisten Hilfsorganisationen stoßen sich an diesen Regeln, weil es immer wieder Regeln gibt, die nicht so leicht in die Praxis der Nothilfe und zur Realität im Ahrtal passen", kritisiert er. "Was uns fehlt ist, konkret in der Not und bei der Katastrophe helfen zu können.
Komplizierte Regeln für Gewerbetreibende
In manchen Fällen verhinderten die Regeln sogar komplett die Auszahlung und das seit Monaten: Denn Unternehmer dürfen von Hilfsorganisationen laut den derzeitigen Regeln gar nicht bedacht werden. Besonders für die Winzerinnen und Winzer an der Ahr ist das ein Problem. Einige von ihnen gründeten eine eigene Hilfsorganisation: Flutwein, verschenkten gegen Spenden volle Flaschen aus den überfluteten Kellern. Die Geschichte ging um die Welt. Am Ende kamen sieben Millionen Euro zusammen.
Doch aufgrund der Gesetze durfte das Geld bisher nicht ausgezahlt werden. Irrsinn, findet Winzer Jan Lingen: "Dass es jetzt auf dem Konto versauert, ist ja weder im Sinne des Spenders, noch des Empfängers." Seit Monaten gebe es Gespräche mit Bund und Land, berichtet der "Fundraising-Verband".
Erstes Signal vom Bundesfinanzministerium
Nun kommt ein erstes Signal aus Berlin: Das Bundesfinanzministerium erklärt gegenüber Report Mainz, man habe einen Weg gefunden, der "die Auszahlung der eingesammelten Gelder an die betroffenen Betriebe ermöglichen soll." Details wurden nicht genannt.
Am vergangenen Freitag hatte das Bundesfinanzministerium noch auf Nachfrage die Verantwortung von sich gewiesen, zuständig sei die Landesfinanzbehörde. Das rheinland-pfälzische Finanzministerium wiederum sagt, Spendenrecht sei Bundesrecht. Im Rahmen der Gesetzeslage versuche man aber zu helfen.
Der Vorsitzende des "Deutschen Fundraising Verbandes", Georgi, sagt: "Wir sind vorsichtig optimistisch, aber es wird sich zeigen, ob das am Ende wirklich allen Betroffenen hilft und wann es sich realisiert.”
Mikroorganismen: Fragwürdige Spendenausgaben?
Nach Recherchen von Report Mainz werden zudem Spendengelder zum Teil für fragwürdige Zwecke ausgegeben. So wurden mehrere zehntausend Liter Flüssigkeit mit sogenannten Mikroorganismen verteilt. Sie sollen unter anderem auf Wände und Böden aufgetragen werden und helfen, ausgetretenes Heizöl, Schimmel und Gerüche zu bekämpfen. Allein das Spendenbündnis "Aktion Deutschland Hilft" stellt laut eigener Aussage 450.000 Euro für diese speziellen Bakterien bereit. Die verantwortliche Spendenorganisation "ADRA Deutschland e.V." bewirbt die Flüssigkeit als Allzweckmittel.
Mehrere unabhängigen Wissenschaftler bezweifeln gegenüber Report Mainz die Wirkung im konkreten Einzelfall. Der Mikrobiologe Professor Rainer Meckenstock von der Universität Duisburg-Essen kritisiert: "Wenn sie eine Flüssigkeit, die ganz normale Mikroorganismen, wie Hefen oder Milchsäurebakterien enthalten, auf Wände aufbringen, wird das bestimmt nicht Schimmel bekämpfen, sondern eventuell sogar noch fördern. Laut der Produktbeschreibung sind in der Flüssigkeit keinerlei Mikroorganismen, die Öl abbauen können. Die Hoffnung, dass Allerweltsbakterien oder Hefen den Abbau von Öl beschleunigen würden, ist absurd."
Professor Dirk Bockmühl von der Hochschule Rhein-Waal hat für Report Mainz eine Stichprobe exklusiv untersucht: "Wir haben […] so ähnliche Mikroorganismen gefunden, wie sie auf dem Produkt versprochen werden. Was wir allerdings auch sagen müssen, es sind relativ wenige. Für mich als Wissenschaftler ist das höchst fragwürdig, weil wir natürlich davon ausgehen, dass solche Spendengelder auch in Maßnahmen gehen, die wissenschaftlich basiert sind. Und das haben wir hier mitnichten."
Die Hilfsorganisation "ADRA Deutschland e.V." räumt ein, dass die Wirkung bisher nur marginal wissenschaftlich belegt sei. Trotzdem sieht die Organisation aufgrund der Erfahrungen die Wirkung als belegt an und erklärt: "Obwohl ein umfangreicher wissenschaftlicher Nachweis noch aussteht, lässt sich daraus unseres Erachtens nicht im Umkehrschluss ableiten, dass es keine evidenzbasierte Wirksamkeit gibt." Die Bündnisorganisation "Aktion Deutschland Hilft" erklärt, sie habe das Projekt im Vorfeld nicht geprüft, möchte das aber jetzt nach den Report Mainz-Recherchen nachholen.