Steuerdumping von Kommunen FDP gegen schärfere Regeln
Kommunen locken Unternehmen mit extrem niedrigen Gewerbesteuern - SPD und Grüne wollen laut Panorama und "SZ" gegen dieses Steuerdumping vorgehen. Das von der FDP geführte Finanzministerium sieht keinen Handlungsbedarf.
Die Fraktionen von SPD und Grünen im Bundestag wollen gegen sogenannte "Gewerbesteueroasen" in Deutschland vorgehen. Das FDP-geführte Bundesfinanzministerium hält jedoch eine Erhöhung des Mindesthebesatzes für die Gewerbesteuer für überflüssig. Das Recht der Kommunen, die Gewerbesteuersätze festzulegen, dürfe man "nicht unverhältnismäßig beschränken".
Die Kommunen sind auf die Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle angewiesen. Vor allem große Städte finanzieren damit Ausgaben für den öffentlichen Nahverkehr, Kinderbetreuung, Schwimmbäder oder soziale Dienste. Jede Kommune kann den so genannten Hebesatz für die Gewerbesteuer selbst festlegen. Er muss mindestens bei 200 Prozent liegen. In den großen Kommunen und kreisfreien Städten liegt der durchschnittliche Hebesatz nach Angaben des Deutschen Städtetags bei 449 Prozent. Aber einzelne Kommunen verlangen deutlich weniger Gewerbesteuer.
Grüne und SPD für bundesweite Lösung
"Wir stehen Steuervermeidungspraktiken bei der Gewerbesteuer und den drastisch auseinandergehenden Hebesätzen ablehnend gegenüber", sagt Bernhard Daldrup, kommunalpolitischer Sprecher der SPD und Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages, dem ARD-Magazin Panorama und der "Süddeutschen Zeitung".
Wenn Kommunen ihren Gewerbesteuer-Hebesatz "auf Kosten umliegender Gemeinden radikal reduzieren, handeln sie unsolidarisch und schaden damit nicht nur den Nachbargemeinden, sondern mittelbar auch den Menschen, die dort leben", erklärt Stefan Schmidt, Finanzpolitiker der Grünen im Bundestag. Seine Fraktion sei grundsätzlich aufgeschlossen für eine Anhebung des Hebesatzes. Man wolle auf eine bundesweite Lösung hinwirken, "die Steuervermeidung nachhaltig eindämmt".
Scheinfirmensitze
Auffällig ist, dass gerade auch Kommunen in der Nähe großer Städte Unternehmen mit sehr niedrigen Gewerbesteuern locken. Auch Vermögensverwaltungen von milliardenschweren Unternehmerfamilien wandern in diese Kommunen mit niedriger Gewerbesteuer ab.
Beispiele sind Grünwald (Hebesatz 240) und Pullach (260) bei München, Zossen (270) bei Berlin sowie Leverkusen (250) und Monheim (250) bei Köln und Düsseldorf. Nach Berechnungen des "Netzwerks Steuergerechtigkeit" entgehen der öffentlichen Hand durch solche Steueroasen jährlich Gewerbesteuereinnahmen von geschätzt einer Milliarde Euro.
Zudem bieten spezielle Dienstleister "virtuelle Firmenbüros" in diesen Oasen an, wie Panorama bereits 2021 berichtete. Sie verschaffen Unternehmen offizielle Geschäftssitze, inklusive Telefon- und Postservice. Viele dieser vermeintlichen Firmensitze wirken wie reine Briefkasten-Standorte.
"Schlimmste Dumpingauswüchse eindämmen"
Auch aus dem Deutschen Städtetag kommt ein Ruf nach einer deutlichen Erhöhung des Mindesthebesatzes. Der Vorsitzende des Fachausschusses Finanzen, Harald Riedel, hat eine persönliche Meinung dazu. Er spricht sich für einen Satz von 300 bis 320 Prozent aus, "dann hätte man die schlimmsten Dumpingauswüchse eingedämmt".
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Daldrup berichtet, seine Partei habe in den Koalitionsverhandlungen eine Anhebung auf 250 Prozent vorgeschlagen. "Leider konnte in diesem Punkt keine Einigung mit den Koalitionspartnern erzielt werden."
Uneins ist man sich offenbar weiterhin. Die FDP-Fraktion aus dem Bundestag sieht die Länder in der Pflicht. "Eine Gewerbesteuerreform ist daher derzeit nicht geplant", so Christoph Meyer, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion.
Blinder Fleck im Steuerhaushalt
Das Bundesfinanzministerium unter Führung von FDP-Chef Christian Lindner erklärt auf Anfrage, die Kommunen könnten durch ihre Hebesätze "im Wettbewerb um Gewerbeansiedlungen andere Standortnachteile ausgleichen". Mit dem Mindestsatz von 200 Prozent werde verhindert, dass sich einzelne Gemeinden durch die Festsetzung sehr niedriger Hebesätze übermäßige Standortvorteile verschafften.
Doch die Steuervermeidung findet mittlerweile im großen Stil statt. Linkspartei-Chefin Janine Wissler wollte deshalb vom Bundesfinanzminister wissen, wie hoch die Steuerausfälle durch diesen Unterbietungswettbewerb der Kommunen ausfallen. Die Antwort des Ministeriums erstaunt: Der Bundesregierung lägen dazu keine Erkenntnisse vor. Wissler kritisiert, die Bundesregierung müsse "endlich belastbare Zahlen zum Umfang missbräuchlicher Steuergestaltung durch Briefkastenniederlassungen und damit verbundenen Steuerausfällen vorlegen".