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Streit um Handydaten Mobilfunkbetreiber gegen Datenschützer

Stand: 24.01.2022 06:06 Uhr

Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern haben die Praxis für unzulässig erklärt - trotzdem geben Mobilfunkbetreiber Kundendaten an Wirtschaftsauskunfteien weiter. Einige der Firmen erwägen sogar eine Klage gegen die Datenschützer.

Von Peter Hornung, Neu-Delhi

Deutsche Mobilfunkbetreiber geben nach Recherchen von NDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) offenbar weiterhin Vertragsdaten von Handykunden an Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa weiter, damit diese sie auswerten können. Damit stellen sich Vodafone, Telefónica & Co. gegen einen Beschluss der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern vom vergangenen September, die diese Praxis für unzulässig erklärt hatten. Nach Angaben des Branchenverbandes VATM prüfen die Mobilfunkunternehmen darüber hinaus eine Klage gegen die Entscheidung der Datenschützer.

Der Streit droht nun zu eskalieren, denn den Recherchen zufolge zieht gleichzeitig der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) wegen der Klauseln zur Datenweitergabe vor Gericht. Zudem bereiten einzelne Verbraucherzentralen Unterlassungsklagen gegen Telekommunikationsanbieter vor.

Die Daten, um die es geht, sind nicht Informationen über geführte Telefonate, sondern Angaben beispielsweise zum Vertragsabschluss, zur Dauer eines Vertrages und einem Vertragswechsel. Diese Informationen dienten hauptsächlich der Betrugsprävention, hatten die Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder betont.

Schufa

Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa speichern Informationen über Mobilfunkverträge - ohne Einwilligung. mehr

Daten zur Analyse der Zahlungsfähigkeit genutzt

Erst vergangenen November hatten die Wirtschaftsauskunfteien auf Nachfrage von NDR und SZ erstmals öffentlich eingeräumt, dass die Informationen auch aus einem anderen Grund eine begehrte Ware sind: Anhand solcher Handyvertragsdaten lässt sich nämlich auch die Zahlungsfähigkeit von Verbraucherinnen und Verbrauchern ermitteln. Ein "weitgehend intransparentes" Verfahren, kritisieren die Verbraucherschützer vom VZBV und mahnen verbindliche Qualitätsmaßstäbe für solche Auswertungen an. Die Auskunfteien hatten ihr Vorgehen damit begründet, dass sie über bestimmte Gruppen, beispielsweise junge Erwachsene und Migranten, keine oder zu wenige Daten hätten.

Es gehe um "große Datenmengen über übliche Alltagsvorgänge im Wirtschaftsleben", die ohne Anlass "erhoben und verarbeitet würden", hieß es im Beschluss der Datenschützer vom September 2021. Wirtschaftsauskunfteien dürften solche Daten seit Inkrafttreten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 demnach nur noch speichern, wenn eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen vorliege. Die aber müssten die Mobilfunkanbieter bei ihren Kunden erst einholen - und darauf haben sie nach Angaben der NRW-Datenschutzaufsicht seit drei Jahren weitgehend verzichtet, "weil sie die hohen Anforderungen an die Einwilligung scheuten".

Mobilfunkanbieter wollen sich weiterhin widersetzen

Vodafone, Telefónica & Co. aber wollen sich dem Beschluss der Aufsichtsbehörden weiterhin widersetzen. Man teile die "Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörden" nicht, so der Telekommunikations-Branchenverband VATM. Die Datenschützer gäben fälschlicherweise den Interessen der Kundinnen und Kunden Vorrang vor den Unternehmensinteressen, so der Vorwurf der Unternehmen.

"Derzeit prüfen wir - zusammen mit den Auskunfteien und dem Verband 'Die Wirtschaftsauskunfteien' - die Möglichkeiten, den Beschluss der Datenschutzkonferenz rechtlich überprüfen zu lassen", so der VATM, dem unter anderem Vodafone und Telefónica O2 angehören. Die Deutsche Telekom, die nicht Mitglied des Verbandes ist, teilte dagegen mit, dass sie nicht gegen die Entscheidung klagen wolle - auch wenn sie ebenfalls nicht die Sicht der Datenschützer teile. Man arbeite "aktuell an einer alternativen Lösung auf Basis einer Einwilligung."

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber betonte, der Beschluss der Datenschutzkonferenz sei eindeutig. Es gebe für die Speicherung der Handyvertragsdaten keine gesetzliche Grundlage. Er suche nun dennoch zunächst das Gespräch mit den Mobilfunkanbietern.

Peter Hornung, Peter Hornung, NDR, 24.01.2022 06:37 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 Aktuell am 24. Januar 2022 um 06:51 Uhr.