
Fahndung nach Hacker Vorwürfe an Moskau nach Cyberangriff
"Ungeheuerlich" nennt Kanzlerin Merkel den mutmaßlich aus Russland gesteuerten Hackerangriff auf den Bundestag. Der Ton zwischen Berlin und Moskau wird rauer.
Seit einer Woche nun sucht die deutsche Justiz nach Dmitriy Badin, einem 29-jährigen Russen mit dem Spitznamen "Scaramouche", der für den russischen Militärgeheimdienst GRU tätig sein soll. Er soll, davon ist der Generalbundesanwalt überzeugt, im Frühjahr 2015 am Cyberangriff auf das IT-System des Deutschen Bundestages beteiligt gewesen sein. Damals hatten Hacker wohl Tausende E-Mails von Abgeordneten gestohlen. Badin soll eine Schadsoftware gesteuert haben, die auch auf den Computern im Büro der Bundeskanzlerin entdeckt wurde.
Nach fünf Jahren Ermittlungsarbeit durch das BKA, die Bundespolizei und andere Sicherheitsbehörden erwirkte der Karlsruher Chefankläger beim Bundesgerichtshof einen Haftbefehl gegen Badin. Mehr als 50 Seiten umfasst das Dokument - und es ist in ungewöhnlicher Schärfe formuliert.
Der Hackerangriff auf den Bundestag sei ein "besonders schwerer Fall" von Spionage, so der Richter. Einer, für den es bislang kein "Regelbeispiel" gebe. Die Ausspähung des Parlaments stelle einen Angriff auf die Legislative der Bundesrepublik dar und damit einen Angriff auf den Kernbereich des deutschen Staatswesens - verübt vom militärischen Nachrichtendienst Russlands.
Der Ton wird rauer
In der Bundesregierung wird nun darüber diskutiert, ob und wie man auf den Haftbefehl gegen den russischen Militärhacker reagieren soll. Der Unmut jedenfalls ist groß, das ließ auch Angela Merkel erkennen, als sie am Mittwoch im Plenum des Bundestages auf die Cyberattacke und den russischen Tatverdächtigen angesprochen wurde. "Mich schmerzt das", so die Kanzlerin. Sie habe sich immer um ein besseres Verhältnis zu Russland bemüht. Nun aber gebe es "harte Evidenzen", dass "russische Kräfte" für den Bundestagshack verantwortlich seien. Merkel bezeichnete den Vorgang als "ungeheuerlich". Und warnte: Man behalte sich Reaktionen gegenüber Russland vor.
Russland hat inzwischen die Anschuldigungen zurückgewiesen. Es gebe keinen Beweis, dass russische Hacker hinter dem Angriff auf den Bundestag vor fünf Jahren stünden, sagte Außenminister Sergej Lawrow der Mediengruppe RBK in Moskau.
Klar ist: Der Ton gegenüber Moskau wird rauer. In Regierungskreisen heißt es, man wolle ein Signal senden, genug sei genug. Russland sei für Deutschland zwar weiterhin ein wichtiger Gesprächspartner, aber die russischen Dienste, das sei offensichtlich, hielten sich längst nicht mehr an die Spielregeln.
Es gehe nicht mehr nur um einzelne, unangenehme Vorfälle, heißt es in Berlin. Man müsse das ganze Bild der russischen Aktivitäten betrachten - und die zunehmende Aggressivität. Neben der Cyberattacke gehe es dabei inzwischen eben auch um Mord.

Gegen Badin ist ein Haftbefehl der Bundesanwaltschaft ergangen.
Mord in Berlin
Im August 2019 war im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit, um die Mittagszeit, ein Georgier erschossen worden. Das Opfer hatte früher im Kaukasus gegen das russische Militär gekämpft, der Kreml sah in dem Mann einen Terroristen. Der mutmaßliche Auftragskiller konnte gefasst werden, er sitzt in Haft und schweigt.
Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich um einen russischen Ex-Häftling handelt, der vom Geheimdienst rekrutiert und mit einer neuen Identität ausgestattet worden war, um den Mord in Berlin zu verüben. Bald schon soll Anklage erhoben werden. Noch steht allerdings nicht fest, ob der Generalbundesanwalt darin schreiben wird, dass vermutlich staatliche Stellen in Russland die Tat in Auftrag gegeben haben. Dann würde nicht nur ein Mord verhandelt, sondern Staatsterrorismus.
Noch keine diplomatische Antwort auf Hackerangriff
In dem Mordfall hatte die Regierung bereits Maßnahmen ergriffen. Noch im Dezember mussten zwei russische Geheimdienstler, die als Diplomaten in der Botschaft in Berlin akkreditiert waren, das Land verlassen. Beim Bundestagshack steht eine solche Reaktion bislang noch aus.
"Die Attacke auf den Bundestag war ein Angriff auf unser Land. Ich erwarte deshalb von Außenminister Maas mindestens, dass er den russischen Botschafter einbestellt", fordert der FDP-Politiker Manuel Höferlin, Vorsitzender des Ausschusses für Digitale Agenda.
Den Mitgliedern dieses Ausschusses wurden kürzlich von den Sicherheitsbehörden weitere Details zu den Ermittlungen gegen den russischen Hacker Badin präsentiert, in geheimer Sitzung. "Seit Guillaume ist kein ausländischer Spion mehr so nah an einen deutschen Bundeskanzler herangekommen", so Höferlin. "Dieser Vorfall muss deshalb mit aller Konsequenz beantwortet werden - rechtlich und politisch."
Wie nach dem Hacker suchen?
Die Justiz erwägt derzeit, die Suche nach dem russischen Hacker Badin auszuweiten: Eine internationale Fahndungsausschreibung über Interpol aber erweist sich als schwierig. Denn über das System darf nicht nach Personen gefahndet werden, denen politische Taten vorgeworfen werden. Spionage jedoch gilt als politische Tat. Denkbar wäre allerdings, Badin als Cyberkriminellen suchen zu lassen.
Welche politischen Optionen es gibt, eine härtere Gangart gegenüber Russland einzulegen, darüber wird nun im Kanzleramt, im Auswärtigen Amt, beim Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz diskutiert. Eine erneute Ausweisung von russischen Diplomaten wäre eine übliche Vorgehensweise. Allerdings befürchtet man, dass Russland dann wiederum auch deutsche Diplomaten nach Hause schicken würde. Man würde sich wohl damit selbst schaden.