Hans-Georg Maaßen
Exklusiv

Verfassungsschützer über Maaßen "Klassische antisemitische Stereotype"

Stand: 03.06.2021 18:30 Uhr

Der Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz wirft dem CDU-Politiker Hans-Georg Maaßen die Verbreitung antisemitischer Vorurteile vor. Gestützt wird seine Einschätzung auch aus der Wissenschaft.

Von Von Silvio Duwe und Markus Pohl, rbb

Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, wirft dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und CDU-Bundestagskandidaten Hans-Georg Maaßen vor, antisemitische Stereotype zu verbreiten.

"Das sind für mich klassische antisemitische Stereotype, die benutzt werden bei Herrn Maaßen, wenn man die Summe aller Dinge zusammennimmt, auch auf den unterschiedlichen sozialen Plattformen, aber auch in eigenen Reden. Da gibt's eigentlich nichts Entlastendes mehr zu bemerken. Er nutzt antisemitische Stereotype, um auf Stimmenfang zu gehen. Und ich glaube, als solches muss man es auch einfach bezeichnen", so Kramer im Interview mit dem ARD-Politikmagazin Kontraste.

Maaßen sieht "Wirtschaftsglobalisten" am Werk

Die Einschätzung Kramers stützt sich auf die Analyse von Publikationen Maaßens und dessen Verwendung bestimmter Begriffe. So schrieb Maaßen als Co-Autor im Magazin "Cato" einen Essay mit dem Titel "Aufstieg und Fall des Postnationalismus". Darin skizziert er eine orchestrierte Entwicklung der gezielten Zerstörung gewachsener Traditionen und Nationalkulturen mit dem Ziel, das Volk in eine "anonyme, atomisierte Masse" zu verwandeln, die "leicht zu kontrollieren und zu manipulieren ist".

Als Drahtzieher dieses Projektes haben sich laut Maaßen und seinem Co-Autoren zwei Gruppen "verschmolzen", die man bisher für Gegner hielt: Zum einen die "vormals sozialistischen Linken" und sogenannte "Wirtschaftsglobalisten". Letztere hofften auf diese Weise "globale Profite zunehmend auf einige tausend Familien zu konzentrieren, die sich daranmachen, bald alles zu besitzen."

"Rechtsextremer Code"

"Globalisten ist ein rechtsextremer Code, darin sind sich unter anderem die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Bundeszentrale für politische Bildung einig", so Kramer. Gegenüber Kontraste verweist er zudem darauf, dass Maaßen auch den verschwörungsideologischen Begriff der "neuen Weltordnung" verwendet. Grundzug dieser Vorstellung sei eine totalitäre globale Regierung einer internationalen Elite, die die Menschheit versklavt und aussaugt. "Es grüßen die 'Protokolle der Weisen von Zion'", erklärt Kramer unter Verweis auf eine gleichnamige antisemitische Hetzschrift.

Auch Rechtsextremismusforscher sieht antisemitische Anklänge

In einer Analyse des Textes kommt auch der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent zu dem Schluss, dass sich Maaßen hier in der ideengeschichtlichen Tradition antisemitischer Weltbilder bewegt: "Das ist die Erzählung von wurzellosen, in der Diaspora lebenden jüdischen Kräften, die angeblich sowohl hinter dem Kapitalismus als auch hinter dem Bolschewismus stecken und für die Auflösung von Volk und Nation verantwortlich seien", sagte Quent gegenüber der "Tageszeitung" (taz).

Maaßen bestreitet, sich antisemitisch zu äußern

Der Vorwurf an Maaßen ist nicht neu, er wurde auch von der Klimaaktivistin und Grünen-Anhängerin Luisa Neubauer am 9. Mai in der ARD-Talkshow Anne Will erhoben. Maaßen selbst bestreitet, antisemitische Codes zu verbreiten. "Das sind für mich halt- und beleglose Behauptungen, die ich energisch zurückweise", erklärte er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa nach der Ausstrahlung der Talkshow.

Unterstützung erhielt Maaßen auch vom CDU-Bundesvorsitzenden und Kanzlerkandidaten Armin Laschet. "Ich sage Ihnen, er ist nicht Antisemit und er verbreitet auch keine antisemitischen Texte und wenn er es täte, wäre es ein Grund zum Parteiausschluss", so Laschet zu Neubauer bei Anne Will.

Publikationen in Medien vom rechten Rand

Wiederholt äußert sich Maaßen auch in Medien, die dem rechten Rand zugeordnet werden können. So beklagt er in einem Interview mit der sogenannten "Atlas Initiative", dass ihm zu Unrecht unterstellt würde, mit antisemitischen Codes zu arbeiten.  Die Initiative versteht sich selbst als "parteiunabhängiger Zusammenschluss, der die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung fördert". Der Gründer der "Atlas Initiative", Markus Krall, setzt sich jedoch öffentlich für die Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts ein.

Wiederholt äußert sich Maaßen auch im "Kultur-Magazin Schloss Rudolfshausen", einem christlich-fundamentalistischen und verschwörungsideologischen Online-Magazin. Die Herausgeberin des Magazins hat sich in der Vergangenheit wiederholt demokratiefeindlich geäußert.

In der aktuellen Ausgabe des Magazins, in dem auch Hans-Georg Maaßen einen Artikel verfasst hat, findet sich auch ein Interview mit dem Erzbischof Carlo Maria Viganó. Darin beschreibt der die Corona-Pandemie als groß angelegte Verschwörung internationaler Eliten und wettert gegen Bill Gates, George Soros und andere "Magnaten", die sich angeblich der globalistischen Agenda verschrieben hätten und die Versklavung der Massen planten.

Damit konfrontiert erklärt Maaßen:

Sie haben keine Argumente gegen das, WAS ich sage, also kritisieren Sie, WO ich es sage und welchen Unsinn ANDERE dort gesagt haben. Kontaktschuld nennt man das. Ich habe mich auch schon in der linksradikalen TAZ geäußert und ich spreche auch mit Ihnen, obwohl Kontraste wegen Falschberichterstattung über Konservative gerichtlich verurteilt wurde. Na und? Ich spreche halt mit jedem.

Was genau er damit meint, führt Maaßen nicht weiter aus.

Kritik aus der FDP

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, zeigt sich im Kontraste-Interview hingegen besorgt über die Arbeit Maaßens für derartige Publikationen. "Wenn jetzt der ehemalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz in einem Dunstkreis Beiträge veröffentlicht, in denen offen Verschwörungsideologien wie vom sogenannten Globalismus das Wort geredet wird, dann macht sich Hans-Georg Maaßen mitschuldig an einer weiteren Radikalisierung bestimmter Bevölkerungskreise. Und das sollte er als ehemaliger Chef des deutschen Inlandnachrichtendienstes nicht tun." 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste in der Sendung Kontraste am 03. Juni 2021 um 21:45 Uhr.