
Kritik vom Bundesrechnungshof Mängel bei Schwarzarbeit-Kontrolle
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit soll illegale Beschäftigung bekämpfen. Ein Bericht des Bundesrechnungshofes, der dem BR vorliegt, stellt der Zoll-Einheit schlechte Noten aus. Dem Finanzministerium sind die Probleme seit Jahren bekannt.
"Wir haben was gegen illegale Beschäftigung", sagt Finanzminister Olaf Scholz in einer Videobotschaft von Oktober 2019. Sie steht auf der Internetseite seines Ministeriums. Auf dem Arbeitsmarkt müsse Ordnung herrschen, so der SPD-Politiker. Doch die Realität ist davon weit entfernt, wie ein vorläufiger interner Bericht des Bundesrechnungshofes (BRH) zeigt, der BR Recherche exklusiv vorliegt. Die zuständige Zoll-Einheit, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) kann nach der Analyse der Obersten Rechnungsprüfer illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch nicht effektiv bekämpfen. Vor allem zwei große Problemfelder hat der BRH ausgemacht.
Viele Prüfungen offenbar nur "Alibi"
Der Bundesrechnungshof sieht in einer Zielvorgabe des Bundesfinanzministeriums das Hauptproblem: 55.000 Arbeitgeberprüfungen soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit im Jahr durchführen. Die Rechnungsprüfer sprechen von "Fehlanreizen", denn um die Vorgabe zu erfüllen, prüfe die FKS zum Teil oberflächlich und offenbar gezielt Unternehmen, bei denen das Risiko, Verstöße zu finden, gering ist

Vom Bundesrechnungshof kommt massive Kritik. Finanzkontrolle Schwarzarbeit prüfe zum Teil oberflächlich.
Wörtlich ist im Bericht von "Alibiprüfungen" die Rede. Für den Bundesrechnungshof sind diese inakzeptabel: "Alibiprüfungen der FKS sind unwirtschaftlich (…). Werden bewusst Arbeitgeber geprüft, die ein geringes Risiko für Schwarzarbeit aufweisen, belastet man verstärkt rechtstreue Unternehmer."
Ministerium: "Wichtiger Teil der Präventionstätigkeit"
Die FKS gehört zum Zoll und untersteht damit dem Bundesfinanzministerium. Als Aufsichtsbehörde hat es die Kritik in einer ersten schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Bundesrechnungshof zurückgewiesen. Das Dokument liegt BR Recherche ebenfalls vor. Darin verteidigt das Ministerium die 55.000 Kontrollen. Es sieht in der "wahrnehmbaren Präsenz der FSK in der Öffentlichkeit (…) einen wichtigen Teil der Präventionstätigkeit".
Auf BR-Anfrage will sich das Ministerium nicht äußern und verweist auf die oberste Zollbehörde, die Generalzolldirektion. Diese teilt mit, dass der BRH-Bericht noch nicht final sei. Weiter schreibt die Generalzolldirektion, die FKS verfolge einen risikoorientierten Ansatz und konzentriere sich "zielgenau auf die für Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Mindestlohnverstöße besonders anfälligen Bereiche und Branchen."
Personalmangel vor allem in Großstädten
Zuletzt hat die Politik der Finanzkontrolle Schwarzarbeit neue Stellen versprochen: Bis 2030 soll die Behörde auf rund 11.700 Arbeitskräfte anwachsen. Doch schon jetzt sind viele der 8300 Stellen, die es auf dem Papier gibt, unbesetzt. Im vergangenen Juni waren es laut Bundesrechnungshof rund 1900 offene Stellen. Fast jede vierte Stelle war also im Schnitt unbesetzt.
In deutschen Großstädten ist die die Lage dramatischer: In München beispielsweise waren 39 Prozent der Stellen unbesetzt. Die bayerische Landeshauptstadt ist damit Spitzenreiter. Mit 184 Arbeitskräften hatte die FKS München im vergangenen Sommer weniger Personal als Erfurt mit 319 Arbeitskräften. In Frankfurt am Main gab es 108 Arbeitskräfte, eine kleine Stadt wie Stralsund hatte mit 155 deutlich mehr. Die Rechnungsprüfer fordern: "Die Personalverteilung sollte stärker am Aufkommen der Schwarzarbeit ausgerichtet werden."
Die Generalzolldirektion weist Kritik an der Personalsteuerung auf Anfrage zurück: Die Zahlen aus dem BRH-Bericht seien überholt. Im Dezember 2019 seien nicht einmal halb so viele Stellen unbesetzt gewesen. Außerdem sei die alleinige Betrachtung der Größe einer Stadt für eine angemessene Personalverteilung nicht zielführend.
Wissenschaftler: "Zustände schlimmer als erwartet"
Der Wirtschaftssoziologe Gerhard Bosch von der Universität Duisburg-Essen forscht seit Jahren über die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Die Missstände bei der FKS aber, die der Bundesrechnungshof in seinem Bericht aufdeckt, hat er so nicht erwartet: "Ich habe mich mit dem Mindestlohn befasst und sehe, dass er vorne und hinten in vielen Branchen nicht ausreichend kontrolliert wird, dass die Leute das Geld nicht bekommen, was ihnen zusteht, dem Staat Finanzeinnahmen und den Sozialversicherungen Geldeinnahmen verloren gehen. Für mich ist entscheidend, dass diese Behörde anders aufgestellt wird."
Kritik von Opposition: FDP und Linkspartei auf einer Linie
Der Inhalt des BRH-Berichts sorgt bei der Opposition im Deutschen Bundestag für Empörung. "Das ist ein Skandal, weil da Gesetze, zum Beispiel der Mindestlohn in Deutschland, nicht ordentlich durchgesetzt werden. Das sieht fast schon nach Methode aus. (…) Und damit werden Menschen um ihren Lohn geprellt", kritisiert der Finanzexperte der Linkspartei, Fabio De Masi.

Der Linkspartei-Abgeordnete de Masi sieht hinter dem Versagen Methode. So werden Gesetze zum Mindestlohn nicht ordentlich umgesetzt, sagt er.
Auch der FDP-Abgeordnete Markus Herbrand wählt drastische Worte: "Die Schwarzarbeitsbekämpfung in Deutschland funktioniert nicht. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was schlimmer ist: dass sie nicht funktioniert oder dass man das schon seit Jahren weiß, dass sie nicht funktioniert."
Der Bundesrechnungshof prangert die bestehenden Probleme bei der FKS seit Jahren an. In dem aktuellen Bericht betont der BRH mehrfach, dass das Bundesfinanzministerium seit Jahren auf die Missstände hingewiesen werde. Den Empfehlungen der Rechnungsprüfer sei das Ministerium nicht gefolgt, heißt es an einer Stelle.
Nun fordert der BRH erstmals einen Stellenstopp bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Weitere Stellen soll es erst wieder geben, wenn das Bundesfinanzministerium die Mängel beseitigt hat. Anordnen kann der Bundesrechnungshof den Stellenstopp nicht, er kann lediglich eine Empfehlung beim Haushaltsausschuss des Bundestages einreichen.