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Hunderte Millionen Euro Schaden Abzocke mit Bitcoins

Stand: 03.02.2022 06:00 Uhr

Mit dem Versprechen auf schnellen Profit locken Verbrecher Anleger auf unseriöse Online-Plattformen. Am Ende ist das Geld weg, die Täter sind häufig unauffindbar. Doch es gibt Spuren, wie BR-Recherchen zeigen.

Von Maximilian Zierer und Hakan Tanriverdi, BR

In dem Verfahren geht es um Betrug mit Bitcoins: Privatanleger wurden um ihre Investments in die Kryptowährung gebracht. Die Täter agierten unter dem Namen Marketrobo. Wie aussichtslos die Ermittlungen anscheinend sind, lässt sich in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Osnabrück vom November 2021 nachlesen.

Bei den Ermittlungen gebe es wenig Aussicht auf Erfolg, schreibt die Staatsanwaltschaft: "Dem Weg des Geldes zu folgen, macht bei Bitcoin-Transaktionen, nach den hier vorliegenden Erfahrungen, ohnehin grundsätzlich keinen Sinn."

 

Geschädigte finden sich in ganz Deutschland, mindestens fünf Staatsanwaltschaften haben im Fall Marketrobo die Ermittlungen eingestellt. Doch eine Recherche des Bayerischen Rundfunks für das ARD radiofeature zeigt: Es gibt durchaus Spuren. Der IT-Forensikerin Rebecca Zinke, die von Marketrobo-Geschädigten beauftragt wurde, ist es gelungen, den Weg einiger Bitcoins zu verfolgen. Diese Spuren führen nach Deutschland, in die Nähe von München.

Schäden im dreistelligen Millionenbereich

Marketrobo ist Teil einer Masche, die Oberstaatsanwalt Thomas Goger "illegales Cybertrading" nennt. Es gebe Dutzende Plattformen und Gruppierungen. Alleine in Fällen, die bei seiner Staatsanwaltschaft in Bamberg landen, summieren sich die Verluste auf Hunderte Millionen Euro. "Ob wir die Milliarde schon gerissen haben, kann ich nicht sagen. Aber das sind unvorstellbare Schadenssummen", sagt der Vizechef der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB).

Einer, der bei Marketrobo viel Geld verloren hat, ist Günther Kupfer. Das ist nicht sein echter Name, er will anonym bleiben. Über Werbe-Mails wurde er geködert mit dem Versprechen vom schnellen Reichtum durch Investitionen in Bitcoin. Die Täter gaben vor, Bitcoins durch das Handeln an Börsen vermehren zu können.

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Am Telefon überzeugten sie Kupfer, Bitcoins zu kaufen und an Marketrobo zu senden. Kupfer investierte insgesamt 60.000 Euro; Geld, das ihm größtenteils nicht gehört. Er nahm Kredite auf, lieh sich Geld bei Bekannten. Am Ende wurde sein Konto gelöscht, das Geld war weg: "Da war klar, dass das Betrüger sind und dass ich da nicht mehr rankomme."

Im Sommer 2020 geht die gesamte Plattform offline, Kupfers Geld und das vieler anderer Anleger ist weg. Deshalb wandte sich Kupfer an die IT-Forensikerin Zinke.

Die Abzocke funktioniert, weil um die Kryptowährung Bitcoin eine Art digitaler Goldrausch entstanden ist - eine Währung, die im Wert extrem schwankt, aber Menschen zu Millionären gemacht hat. Schnell reich werden: Das lockt Anleger an. Aber eben auch die, die versuchen, gutgläubige Menschen zu betrügen.

Täter betrieben hohen Aufwand

Die Recherchen des Bayerischen Rundfunks zeigen auch, wie viel Aufwand die Täter betrieben haben: Die Webseite von Marketrobo war hochprofessionell, es wurden Schauspieler und Sprecher engagiert, um mit Werbevideos deutsch- und englischsprachige Anleger anzusprechen. Außerdem gaben die Täter E-Mail-Werbekampagnen in Auftrag. Einige dieser Aufträge koordinierten sie unter dem Namen einer angeblichen Agentur namens 10Marketz.

Um den Tätern näherzukommen, wertete IT-Forensikerin Zinke über Wochen hinweg Bitcoin-Überweisungen aus. Das funktioniert, weil Bitcoin-Geldflüsse in der sogenannten Blockchain dokumentiert werden und damit öffentlich einsehbar sind. Wer die Bitcoins schickt und wer sie empfängt, bleibt jedoch in den meisten Fällen unklar: Zu sehen sind lediglich Bitcoin-Adressen, komplizierte Zeichenfolgen, keine Namen. Es gilt also herauszufinden, wer hinter den Adressen steht. Genau das macht die Ermittlungen so aufwendig.

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Spur führt zu Bitcoin-Geldautomat

Zinke hat herausgefunden: Die Spur führt nach Holzkirchen bei München. Einige der Bitcoins, die Kupfer investiert hatte, wurden offenbar an einen speziellen Geldautomaten geschickt, an dem sich Bitcoins in Bargeld umtauschen lassen.

Als Reporter von BR Recherche im Spätsommer 2021 den Laden besuchen, in dem der Automat steht, wird dieser gerade geräumt. Auf Nachfrage bestätigt die zuständige Staatsanwaltschaft München II, dass der Automat beschlagnahmt worden sei. Der Vorwurf: Er wurde ohne gültige Lizenz betrieben. Die Betreiber des Automaten wollten sich auf BR-Anfrage nicht äußern. Ob sie etwas mit dem Fall Marketrobo zu tun haben, und wer das Geld an den Automaten in Holzkirchen geschickt hat, müssen nun die Ermittlungen zeigen.

IT-Forensikerin Zinke sagt, ihr habe der Fall gezeigt, dass die Kriminellen gar nicht so weit weg sind: "Wir glauben ja immer, dass das alles nur im Ausland passiert und ganz weit weg ist. Aber das passiert hier vor der Haustür.

Hakan Tanriverdi, BR, 03.02.2022 06:12 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 03. Februar 2022 um 06:35 Uhr.