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Wahlprogramme im Vergleich Wie die Parteien Zuwanderung regeln wollen

Stand: 12.08.2021 12:26 Uhr

Die Union will geordnete Zuwanderung, die AfD will sie deutlich reduzieren, die Linkspartei lehnt Abschiebungen ab. SPD, FDP und Grüne wollen Einbürgerungen erleichtern. Die Positionen im Überblick.

Bei der Migrationspolitik gehen die Vorstellungen der Parteien deutlich auseinander. Während die AfD bestehende Regelungen eher verschärfen will, bekennen sich die anderen Parteien zum Recht auf Asyl. Viel Kritik gibt es am europäischen Asylsystem. Für die Integration Geflüchteter in Deutschland messen alle Parteien dem Spracherwerb eine Schlüsselrolle zu. SPD, Grüne, FDP und Linke wollen Mehrstaatigkeit grundsätzlich zulassen und Hürden bei Einbürgerungen abschaffen.

CDU/CSU

Die Union bekennt sich zur Genfer Flüchtlingskonvention, zum Grundrecht auf Asyl und den rechtlichen und humanitären Verpflichtungen Deutschlands und Europas. Gezielte Zuwanderung sieht sie dann als Gewinn, wenn sie geordnet verläuft, sich an klaren Regeln orientiert und von gelungener Integration begleitet ist. CDU und CSU wollen erreichen, dass sich die Zahl der nach Deutschland flüchtenden Menschen weiter reduziert. Ein neues Konzept der "kleinen" sicheren Herkunftsländer soll Abschiebungen erleichtern. Ausreisepflichten sollen strenger durchgesetzt, Straftäter konsequent abgeschoben werden. Eine Ausweitung des Familiennachzugs lehnt die Union ab.

Das europäische Asylsystem hält die Union für grundlegend reformbedürftig. Sie setzt hier auf Bekämpfung von Fluchtursachen, auf Entscheidungszentren an den EU-Außengrenzen (vgl. "Was die Parteien außenpolitisch wollen"), gemeinsame Standards und auf eine faire Verteilung der Kosten und Lasten innerhalb der EU.

Von den Zugewanderten erwartet die Union die Bereitschaft zur Integration, sie setzt hier vor allem auf einen beschleunigten Spracherwerb. Für Kinder will sie eine verbindliche Sprachförderung. Die Integration von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wollen CDU und CSU gezielt unterstützen. Ausländische Qualifikationen sollen leichter anerkannt werden.

SPD

Die Sozialdemokraten fordern eine humanitäre und solidarische Asyl- und Flüchtlingspolitik in der EU. Das europäische Asylsystem soll reformiert werden mit dem Ziel eines solidarischen Verteilungsmechanismus' mit einem Recht auf Asyl. Legale Migrationswege sollen geschaffen und Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpft werden. Die Einschränkungen beim Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte will die SPD aufheben, ebenso wie Arbeitsverbote. Zwangs-Abschiebungen in Länder, in denen Menschen Gefahr droht, lehnt die Partei ab. Kettenduldungen will sie abschaffen.

Die SPD fordert ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht, in dem die Möglichkeit von Mehrstaatigkeit gesetzlich verankert wird. Hürden bei Einbürgerungen sollen abgeschafft werden.

Integration ist für die SPD eine permanente gesellschaftliche wie auch staatliche Aufgabe. Neuankömmlinge sollen Anspruch auf Integrations- und Sprachkurse haben - ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit und ihres Aufenthaltsstatus. Alle Kinder sollen sofort die Möglichkeit erhalten, eine Kita zu besuchen, auch die Schulpflicht gilt. Gut integrierten Menschen ohne gesicherten Aufenthalt will die SPD ein dauerhaftes Bleiberecht ermöglichen.

AfD

Die AfD will Migration und Asyl deutlich reduzieren und dies auf nationaler Ebene regeln. Aus dem UN-Migrationspakt und dem UN-Flüchtlingspakt soll Deutschland aussteigen. Hilfe vor Ort sieht sie vorrangig vor der Aufnahme von Asylbewerbern. Asylsuchende sollen direkt an der Grenze abgewiesen werden können. Die Zahl sicherer Herkunftsstaaten will die AfD ausweiten. Die AfD will nur noch Menschen Asyl gewähren, die vom Bundestag als besonders schutzbedürftig eingestuft wurden und nur wenn ihre Identität und Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist. Jeglichen Familiennachzug lehnt die AfD ab. Eine Arbeitserlaubnis soll es nur für anerkannte Asylbewerber geben. Die AfD forderte eine "Abschiebeoffensive", Duldungen will sie abschaffen, Straftäter konsequent abschieben. Sozialleistungen für Asylbewerber will die AfD in Sachleistungen umwandeln.

Die Partei will eine qualifizierte Einwanderung nach japanischem Vorbild. Bei der Integration sieht sie die Zuwanderer in der Pflicht, für unverzichtbar hält sie den Spracherwerb. Im Öffentlichen Dienst soll ein generelles Kopftuchverbot gelten, an öffentlichen Schulen soll dies sowohl für Lehrerinnen als auch für Schülerinnen gelten.

Beim Staatsangehörigkeitsrecht will die AfD zurück zum Abstammungsprinzip. Die Regelung, durch Geburt in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten, will sie wieder abschaffen.

FDP

Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte ist für die Partei unantastbar, es umfasst auch religiöse Gründe und die sexuelle Identität. Dabei will die FDP zwischen politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und dauerhaften Einwanderern unterscheiden. Für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge soll ein eigener unbürokratischer Status geschaffen werden mit einem vorübergehenden humanitären Schutz. Auf EU-Ebene fordert sie eine verbindliche Verteilung der Schutzsuchenden. Legale Fluchtwege sollen ermöglicht werden. Im Kampf gegen illegale Migration will die FDP die EU-Grenzschutzagentur Frontex stärken, perspektivisch sollte Frontex auch die Seenotrettung übernehmen.

Aus Sicht der FDP ist Deutschland ein Einwanderungsland. Entsprechende Regeln will die Partei in einem Einwanderungsgesetz bündeln. Es soll Regeln zur Fachkräfteeinwanderung mit Arbeitsplatzangebot ("Blue Card") beinhalten. Außerdem will die FDP Einwanderung über ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild steuern. Gut integrierte Schutzsuchende sollen ebenfalls die Chance zur Einwanderung in den Arbeitsmarkt erhalten. Abgelehnte Asylsuchende will die FDP konsequent abschieben.

Integration will die FDP fordern und fördern. Sprach- und Integrationskurse sollen flächendeckend und kostenlos angeboten, aber auch angenommen werden. Gezielt sollen Frauen, Kinder und Senioren, aber auch besonders schutzbedürftige Personengruppen, angesprochen werden. Die FDP will die Mehrstaatigkeit im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht grundsätzlich zulassen. Für Eingewanderte soll es einen vereinfachten Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit nach insgesamt vier Jahren geben.

Die Linke

Die Linkspartei fordert legale und sichere Einreisemöglichkeiten in die EU und einen garantierten individuellen Zugang zu Asylverfahren und Rechtsschutz für Asylsuchende an den EU-Außengrenzen. Verbindliche Flüchtlingsrechte sollen auf Armuts-, Umwelt- und Klimaflüchtlinge ausgeweitet werden. Die Linke will die EU-Grenzschutzagentur Frontex auflösen und den Flüchtlingsdeal mit der Türkei aufkündigen. Es soll ein uneingeschränktes Recht auf Familiennachzug geben. Abschiebungen lehnt die Partei ab.

Die Linke strebt eine solidarische Einwanderungsgesellschaft an und fordert ein Bundesministerium für Migration und Partizipation. Für Menschen ohne Aufenthaltsstatus soll es Legalisierungsmöglichkeiten geben sowie einen sicheren Zugang zu Bildung, Gesundheit und Schutz vor Ausbeutung. Ausländische Qualifikationen und Abschlüsse sollen besser anerkannt werden. Geflüchtete sollen flächendeckend kostenlose Sprachkurse erhalten und dezentral in Wohnungen statt in Sammelunterkünften untergebracht werden. Sie sollen Geld statt Sachleistungen bekommen.

Die deutsche Staatsangehörigkeit will die Linke allen gewähren, die hier geboren sind und deren Eltern dauerhaft im Land wohnen. Sie sollen auch das Recht auf Mehrstaatigkeit haben. Wer fünf Jahre in Deutschland lebt, soll einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung haben.

Bündnis90/Die Grünen

Die Partei sieht Asylrecht vor allem als gemeinschaftliche europäische Aufgabe. Ihr Plan für einen zügigen Verteilmechanismus sieht vor, dass Geflüchtete an europäisch kontrollierten Außengrenzen zunächst registriert und überprüft werden. Eine EU-geführte Agentur soll einen Aufnahme-Mitgliedsstaat bestimmen, in dem das Asylverfahren dann stattfindet. Lager und Transitzonen lehnen die Grünen ab. Sie wollen eine europäische Grenzkontrolle, keine Fluchtabwehr. Frontex-Einsätze sollen unter parlamentarische Kontrolle gestellt werden. Das Konzept sicherer Herkunftsstaaten lehnen die Grünen ab, ebenso Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer.

Die Grünen wollen ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen, das neue Zugangswege für Bildungs- und Arbeitsmigration schafft - auch für niedrig Qualifizierte. Wer neu ins Land kommt, soll ein Recht auf kostenlose Sprach- und Integrationskurse haben. Geflüchtete sollen dezentral untergebracht werden, Kinder sollen Zugang zu Kitas und Schulen haben. Die Grünen wollen die Asylverfahren beschleunigen. Geduldete sollen nach fünf Jahren ein sicheres Bleiberecht bekommen. Einschränkungen beim Familiennachzug wollen die Grünen wieder aufheben und auch den Geschwisternachzug wieder ermöglichen.

Einbürgerungen sollen nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich sein. Wer in Deutschland geboren ist und ein Elternteil rechtmäßig hier lebt, soll die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Mehrstaatigkeit wird anerkannt, die Optionspflicht soll entfallen.