Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Industriegebäudes, Gelände der Kläranlage Bottrop
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Wahlprogramme im Vergleich Wie die Parteien das Klima schützen wollen

Stand: 12.08.2021 12:25 Uhr

Union und SPD wollen Deutschland bis 2045 klimaneutral machen, die FDP bis 2050. Linkspartei und Grüne wollen mehr Tempo. Auch die Wege dorthin sind unterschiedlich. Die AfD lehnt das Ziel gänzlich ab. Die Positionen im Überblick.

Alle Parteien mit Ausnahme der AfD messen dem Klimaschutz und einer umweltfreundlichen Mobilität in ihren Wahlprogrammen einen hohen Stellenwert bei. Während Union, FDP und SPD überwiegend im Rahmen der bestehenden Gesetze und internationalen Abkommen Klimaschutzmaßnahmen mit Schwerpunkt auf dem CO2-Emissionshandel umsetzen wollen, fordern Grüne und Linkspartei eine Beschleunigung und Verstärkung politischer Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise. Auch die konkreten Pläne sind sehr unterschiedlich. Die AfD stellt den menschengemachten Klimawandel infrage.

CDU/CSU

Die Union bekennt sich zum bereits von der Bundesregierung beschlossenen Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Bereits bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden, bis 2040 um 88 Prozent. Den Emissionshandel will die Union stärken, europaweit ausbauen und entstehende Mehrbelastungen mit Entlastungen in den Bereichen Wohnen und Mobilität kompensieren. Einnahmen will sie durch eine Senkung des Strompreises zurückgeben. Die EEG-Umlage will die Union sofort abschaffen. Zur Frage des CO2-Preises finden sich keine konkreten Angaben, im Wahlprogramm heißt es nur, dass der "Aufwuchspfad der CO2-Bepreisung" gestrafft werden soll.

Um den steigenden Energiebedarf decken zu können, wollen CDU und CSU den Ausbau der erneuerbaren Energien forcieren. Dazu gehört demnach die Energiegewinnung aus Sonne und Wind, Biomasse, Wasserkraft und Geothermie und Wasserstoff. Deutschland soll zum Wasserstoff-Land Nr. 1 werden. Energieeffizienz will die Union fördern.

Den Schienenverkehr will die Union ausbauen, auch europaweite Nachtzüge gehören für sie zum Mobilitätsmix der Zukunft. Ferner sollen mehr Güter von der Straße auf die Schiene und auf Wasserwege verlagert werden. Die Union bekennt sich zur Luftfahrt als preislich wettbewerbsfähigen Verkehrsträger. Flugzeug und Zug sollen besser vernetzt werden. Den Automobilstandort Deutschland verspricht die Union zu sichern, hier setzt sie neben Elektromobilität auch auf synthetische Kraftstoffe. Das Ladesäulennetz soll ausgebaut werden. Ein Dieselfahrverbot lehnen CDU und CSU ebenso ab wie ein generelles Tempolimit auf Autobahnen.

SPD

Die SPD will Deutschland bis spätestens 2045 klimaneutral machen, sie orientiert sich also genau wie die Union am bereits von der Bundesregierung beschlossenen Klimaschutzgesetz. Strom soll bis spätestens 2040 vollständig aus erneuerbaren Energien kommen, entsprechend massiv will die SPD hier ausbauen. So sollen etwa alle geeigneten Dächer eine Solaranlage bekommen, in einem ersten Schritt sollen dies öffentliche Gebäude und gewerbliche Neubauten sein. Bis 2030 soll Deutschland zudem Leitmarkt für Wasserstofftechnologien sein. Klimaschutz sieht die Partei auch als Jobmotor und soziale Aufgabe. Beim CO2-Preis sollen Menschen mit niedrigem Einkommen verschont werden, etwa über sozial gerechte Ausgleichsmaßnahmen. Die EEG-Umlage will die SPD bis 2025 abschaffen.

Den Gebäudesektor will die SPD schrittweise CO2-neutral machen. Der CO2-Preis soll von den Vermieterinnen und Vermietern getragen werden, auch um klimafreundliche Investitionen zu lenken.

Den Verkehrssektor will die Partei modernisieren und klimafreundlicher machen. Mit einem Mobilitätsplan 2030 soll der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut, alle neuen Busse und Bahnen sollen dann klimaneutral fahren. Bahnfahren soll innereuropäisch günstiger und attraktiver als Fliegen sein. Bis 2030 sollen mindestens 15 Millionen Pkw in Deutschland voll elektrisch fahren. Das Ladesäulennetz soll entsprechend ausgebaut werden. Die SPD spricht sich für ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen aus.

AfD

Die AfD möchte dem Klimawandel "positiv begegnen". Sie stellt einen menschengemachten Klimawandel infrage und sieht die jüngste globale Erwärmung als natürliche Klimaschwankungen, an die sich der Mensch anpassen sollte statt sie zu bekämpfen. Das Ziel der Klimaneutralität und den damit verbundenen Umbau der Gesellschaft bezeichnet sie als Bedrohung der Freiheit und lehnt es daher ab. Die CO2-Besteuerung soll abgeschafft werden. Die Partei fordert den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Den EU-Klimaschutzplan "Green Deal" lehnt sie ab.

Bei der Energiegewinnung setzt die AfD auf einen breiten Energiemix, inklusive Braun- und Steinkohle, die Ausstiegspläne aus der Kohleverstromung lehnt die AfD daher ab. Die sechs aktiven Atomkraftwerke sollen so lange laufen, wie es technisch und ökonomisch sinnvoll ist. Gorleben ist laut AfD ein geeignetes Endlager. Sie unterstützt den Ausbau der Gaspipeline Nord Stream 2. Eine komplette Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien lehnt die Partei ab.

In der Verkehrspolitik will die AfD den motorisierten Individualverkehr "als beliebteste Möglichkeit der Fortbewegung" weiter fördern. Eine Bevorzugung von Elektromobilität gegenüber dem Verbrennungsmotor lehnt sie ab. Die Partei stellt sich klar gegen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, ebenso ist sie gegen innerstädtische Dieselfahrverbote und sogenannte Umweltspuren, auf denen nur Busse, Taxis, E-Autos und Fahrräder fahren dürfen. Stattdessen setzt sie beim Umweltschutz auf intelligente Technik und stauvermeidende Verkehrsführung. Sie fordert mehr Fahrspuren und Parkraum in den Städten. Das öffentliche Nah- und Fernverkehrsnetz soll ausgebaut werden, als Beispiel wird die Schweiz genannt. Den Flugverkehr und die Flughäfen will die AfD stärken, die Luftverkehrssteuer abschaffen. Der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie misst sie eine strategische Bedeutung zu.

FDP

Um das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 in Deutschland und Europa zu erreichen, setzt die FDP auf neue Technologien und die Kraft des freien Marktes. Den EU-Emissionshandel will sie schnellstmöglich auf alle Sektoren ausweiten, wobei die Politik vorgeben soll, wie viel CO2 pro Jahr ausgestoßen werden darf. Da die Zertifikate für den Ausstoß jährlich weniger und damit teurer werden und zugleich diejenigen Geld bekommen sollen, die CO2 speichern, entstehen laut FDP Anreize für klimafreundliche Technologien. Der CO2-Preis soll perspektivisch weltweit einheitlich und marktwirtschaftlich sein. Um die steigenden CO2-Kosten sozial auszugleichen, will die FDP eine Klimadividende einführen. Damit sollen die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bürgerinnen und Bürger weitergeben werden. Außerdem will die FDP die EEG-Umlage und die Stromsteuer streichen.

Die FDP unterstützt den Ausbau erneuerbarer Energiequellen, insbesondere der Wasserstofftechnologie. Neben grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien setzt sie auch auf CO2-neutralen "blauen" und "türkisen" Wasserstoff aus Erdgas. Eine Europäische Wasserstoffunion soll eine sichere klimaneutrale Energieversorgung in Deutschland auch über Importe sichern.

Fahrverbote oder Tempolimits lehnt die FDP ab. Ebenso ein pauschales Verbot von Verbrennungsmotoren. Stattdessen setzt sie auf die Lenkungswirkung über den Emissionshandel auch im Verkehrssektor sowie auf den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), intelligente Verkehrsführung und alternative Kraftstoffe wie E-Fuels auch für herkömmliche Verbrennermotoren. Subventionen steht die FDP kritisch gegenüber, die Kaufprämie für E-Autos will sie daher abschaffen. Keine alternative Antriebstechnologie soll bevorzugt werden. Die Liberalen wollen den Bahnverkehr privatisieren, das Netz soll Eigentum des Bundes bleiben. Davon verspricht sich die FDP mehr Wettbewerb auf der Schiene, besseren Service und günstigere Preise.

Die Linke

Die Linkspartei will mehr Tempo beim Klimaschutz. Bis 2035 soll Deutschland demnach klimaneutral sein, bis 2030 müssen die Emissionen um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt sein. Emissionshandel bietet aus Sicht der Linken keinen wirksamen Klimaschutz. Stattdessen setzt sie auf klare Vorgaben für Konzerne. Den Kohleausstieg will die Partei auf spätestens 2030 vorziehen. Große Energiekonzerne sollen vergesellschaftet und Strom- und Wärmenetze in die öffentliche Hand überführt werden. Neben Atom und Kohle will die Linke auch aus der Verbrennung von fossilem Erdgas aussteigen. Ein Klima-Transformationsfonds in Höhe von 20 Milliarden Euro jährlich soll die Industrie umbauen und neue Arbeitsplätze schaffen, etwa in den Tagebauregionen.

Die Partei fordert einen sozial gerechten Klimaschutz und plant daher eine sozialökologische Investitionsoffensive. Ziel ist demnach eine klimafreundliche und bezahlbare Energieversorgung und Mobilität für alle. Den Strompreis für Endkunden will die Linke senken, etwa indem sie die Stromsteuer reduziert und die Förderung erneuerbarer Energien statt über die EEG-Umlage größtenteils aus dem Bundeshaushalt finanziert. Niemandem soll Strom, Wasser, Gas oder Heizung abgestellt werden dürfen. Die Linke plant ein preisgünstiges Grundkontingent für Energie und Wasser. Wer mehr verbraucht, zahlt mehr.

In der Verkehrspolitik sollen Angebote von Bus und Bahn ausgebaut und deutlich preiswerter werden, schrittweise soll der Nahverkehr auch kostenlos werden. Bis 2030 soll in Städten und auch in den ländlichen Regionen die Mehrheit der Menschen nicht mehr auf ein Auto angewiesen sein. Angebote wie Bürgerbusse und Anruf-Sammeltaxis sollen im Stundentakt von 6 bis 22 Uhr Mobilität auch auf dem Land garantieren. Auf Autobahnen soll es ein Tempolimit von 120 km/h geben, auf Landstraßen 80 km/h und innerorts eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h. Die Linkspartei unterstützt das Aus für Verbrennungsmotoren bis spätestens 2030. Kaufprämien für Autos lehnt sie ab. Elektromobilität will sie fördern, allerdings beschränkt auf den öffentlichen Verkehr, also Straßenbahnen, Züge oder Busse. Der innerdeutsche und innereuropäische Flugverkehr soll so weit wie möglich auf die Schiene verlagert werden. Kurzstreckenflüge (unter 500 Kilometer) will die Linke verbieten.

Bündnis90/Die Grünen

Die Grünen planen ein Klimaschutz-Sofortprogramm, das schnell und in allen Bereichen wirksame Maßnahmen anstößt und Hindernisse beim Ausbau erneuerbarer Energien beseitigt. (Inzwischen gaben die Grünen Details ihres Programms bekannt: So wollen sie ein Klimaschutzministerium schaffen, das alle Gesetzespläne blockieren kann, die nicht mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind.) Das Klimaschutzgesetz will die Partei nachschärfen. Bis 2030 sollen die Emissionen um 70 Prozent gesenkt werden, bis 2035 soll Deutschland vollständig auf erneuerbare Energien umgestiegen sein. Klimaneutralität halten die Grünen für bis in 20 Jahren möglich. Den Kohleausstieg wollen die Grünen vorziehen - von 2038 auf 2030. In den kommenden vier Jahren soll es 1,5 Millionen neue Solardächer geben.

Der CO2-Preis ist für die Grünen ein Instrument von vielen - und sie wollen es sozial gerecht einsetzen. So soll der bereits eingeführte CO2-Preis in den Bereichen Verkehr und Wärme schon 2023 auf 60 Euro pro Tonne erhöht werden (derzeit liegt er bei 25 Euro), und dann schrittweise weiter ansteigen, die Einnahmen daraus wollen die Grünen als Energiegeld pro Kopf an die Menschen zurückgeben. Europäische Emissionszertifikate will die Partei verknappen und damit einen Anreiz für die Nutzung erneuerbarer Energien im Bereich Strom, Industrie und Luftverkehr setzen. Klimaschutz betrachtet die Partei als Querschnittsthema: etwa beim Wohnungsbau ("Klima-Sanierungsoffensive"), in der Außenpolitik oder auf dem Arbeitsmarkt ("Green Jobs"). Ressourcenschonendes Verhalten soll steuerlich belohnt werden. Die Vergabe öffentlicher Aufträge wollen die Grünen an eine Klimaverträglichkeitsprüfung knüpfen.

Im Verkehrssektor setzen die Grünen auf emissionsfreie Autos, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der Bahn und ihres Schienennetzes. 100 Milliarden Euro zusätzlich bis 2035 wollen sie in Schienennetz und Bahnhöfe investieren. Bis 2030 sollen mindestens 15 Millionen E-Autos auf den Straßen unterwegs sein, ab diesem Zeitpunkt dürfen auch nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Auch auf dem Land soll Mobilität ohne Auto und barrierefrei möglich sein, hier wollen die Grünen eine Mobilitätsgarantie gemeinsam mit den Ländern entwickeln. Auf Autobahnen soll es ein "Sicherheitstempo" von 130 km/h geben. Die Grünen wollen Kurzstreckenflüge bis 2030 überflüssig machen, indem Bahnangebote (vor allem Direkt- und Nachtzugverbindungen) ausgeweitet werden.

Klimaneutral oder Treibhausgasneutral

Die Begriffe "Klimaneutralität" und "Treibhausgasneutralität" werden in der Politik beide benutzt, häufig auch als Synonym. Auch die Bundesregierung verwendet in ihrem Klimaschutzgesetz beide Begriffe. Die Unterschiede: Das IPCC definiert "klimaneutral" als einen Zustand, in dem "menschliche Aktivitäten keine Nettoauswirkung auf das Klimasystem haben". Um als klimaneutral zu gelten, muss ein Land also nicht nur seine Emissionen von Treibhausgasen auf null reduzieren, sondern auch alle anderen Handlungen unterlassen oder ausgleichen, die das Klima beeinflussen.

Treibhausgasneutral meint, die Atmosphäre und damit das Klimasystem der Erde ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr durch den Ausstoß von Treibhausgasen zu verändern. Dafür muss der Ausstoß von Treibhausgasen nicht komplett eingestellt werden. Restemissionen, etwa aus Industrie oder Landwirtschaft, können durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden. Hinter Treibhausgasneutralität steckt also weniger als hinter Klimaneutralität. Im einschlägigen Sprachgebrauch hat sich aber der Begriff der Klimaneutralität durchgesetzt.
(Quelle: Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie)