
Syrische Rebellenhochburg Idlib Erdogan und Putin wollen demilitarisierte Zone
Stand: 17.09.2018 23:57 Uhr
Russlands Präsident Putin und der türkische Präsident Erdogan haben sich auf die Schaffung einer demilitarisierten Zone in der syrischen Provinz Idlib geeinigt. Russland schloss eine Großoffensive aus.
Der befürchtete syrische Großangriff auf die letzte Rebellenhochburg Idlib soll durch die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone abgewendet werden. Der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan einigten sich darauf, bis zum 15. Oktober rund um die Region Idlib einen entsprechenden Streifen einzurichten. Vorangegangen waren mehrere Stunden schwieriger Gespräche in Putins Residenz in Sotschi am Schwarzen Meer.
Putin sagte, die Zone solle 15 bis 20 Kilometer breit sein. Schon bis zum 10. Oktober sollten schwere Waffen der Regierungsgegner aus der Zone abgezogen werden, sagte Putin. Bewaffnete Kämpfer müssten die entmilitarisierte Zone verlassen. Türkische Soldaten und russische Militärpolizei würden dann dort gemeinsam patrouillieren.
"Humanitäre Krise abgewendet"
Erdogan sagte, er glaube, "dass mit dieser Einigung eine große humanitäre Krise abgewendet worden ist". Gegner des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad könnten in der Region bleiben. Die Türkei werde aber sicherstellen, dass keine radikalen Gruppen mehr dort aktiv seien. "Russland wird dafür sorgen, dass diese kampffreie Zone in Idlib nicht angegriffen wird", sagte er.
Eine Offensive gegen Idlib sei damit vom Tisch, sagte auch der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu.
Russland und Türkei wollen demilitarisierte Pufferzone in Idlib einrichten
tagesschau 20: 00 Uhr, 17.09.2018, Birgit Virnich, ARD Moskau
Letzte große Hochburg der Assad-Gegner
Das Gebiet im Nordwesten Syriens ist die letzte große Hochburg der Assad-Gegner. Zu den Zehntausenden Bewaffneten zählen Kämpfer, die der Terrormiliz "Islamischer Staat" oder dem Terrornetzwerk Al Kaida verbunden sind. Darüber hinaus halten sich viele bewaffnete Anhänger der gemäßigten Opposition in der Region auf. Gleichzeitig sind dort etwa drei Millionen Zivilisten eingekesselt, die Hälfte von ihnen Binnenflüchtlinge.
Die Türkei fürchtet bei einem großen syrisch-russischen Angriff ein Blutbad und einen neuen Zustrom an Flüchtlingen. Erdogan hatte schon bei einem Dreiergipfel mit dem Iran am 7. September eine Waffenruhe vorgeschlagen. Die lehnte Putin jedoch ab.
In den vergangen Wochen hatte die syrische Armee Idlib bereits mehrfach angegriffen, Zehntausende Menschen flohen.
Weiter gegen den Terror kämpfen
Putin sprach nun in Sotschi von einer "angespannten, aber sehr konstruktiven und ertragreichen Arbeit" mit Erdogan und dessen Delegation.
Für Russland sei wichtig, dass der russische Luftwaffenstützpunkt Hamaimim und die Stadt Aleppo durch die Zone außer Reichweite von Drohnenangriffen der Opposition kämen, sagte Putin.
Insgesamt wollten Russland und die Türkei weiter gegen Terror in Syrien kämpfen, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Russland werde die syrische Führung über die Einigung informieren. Einen Zeitplan dafür gebe es aber noch nicht. Im Syrien-Krieg kämpfen Russland und der Iran aufseiten von Assad. Die Türkei gilt als Schutzmacht der Opposition.
Türkei rüstete in Idlib stark auf
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte bereits Ende vergangener Woche bei einem Besuch in Berlin gesagt, es sei keine Großoffensive auf Idlib geplant. Russland werde zudem alles unternehmen, um ein Leiden der Zivilbevölkerung zu verhindern. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin bekräftigte nun erneut, dass eine "humanitäre Katastrophe" in Idlib verhindert werden müsse.
Am Sonntag hatte die Türkei einem Medienbericht zufolge bereits einen ihrer Beobachtungsposten in Idlib stark aufgerüstet. Wie die Zeitung "Hürriyet" berichtete, brachte ein Konvoi von 50 Militärfahrzeugen Panzer und andere militärische Ausrüstung zu dem Beobachtungsposten in Dschisr al-Schughur im Südwesten von Idlib. Es handelte sich demnach um die größte militärische Verstärkung der Türkei in der nordsyrischen Provinz seit Anfang September.
Verhaltene Reaktionen auf Idlib-Abkommen
Björn Blaschke, ARD Kairo
18.09.2018 13:42 Uhr