Jahrestag der Rücktrittsankündigung Ein Papst im Ruhestand
Es war ein Paukenschlag, der Kirchengeschichte schrieb und auch kritisiert wurde: Vor einem Jahr kündigte Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt an. Inzwischen lebt er Tür an Tür mit seinem Nachfolger. Auch ohne öffentliche Auftritte ist er präsent.
Als sich am 11. Februar 2013 die Kardinäle zu einem kleinen Konsistorium im Vatikan versammelten, konnten sie nicht ahnen, dass sie in diesem Moment ein Stück Kirchengeschichte miterleben würden. Offiziell ging es um drei Heiligsprechungen, die Papst Benedikt XVI. bekanntgeben wollte.
Anschließend verkündete der 85-jährige Pontifex dann dieses: "Im Bewusstsein des Ernstes dieses Aktes erkläre ich mit voller Freiheit, auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, das mir durch die Hand der Kardinäle am 19. April 2005 anvertraut wurde, zu verzichten."
"Mir fehlen die Kräfte"
Es war ein Rücktritt mit Ankündigung. Benedikt XVI. hatte bereits 2010 in einem Interview einen Rücktritt unter bestimmten Bedingungen nicht ausgeschlossen. Drei Jahre später kam dann das Eingeständnis: "Mir fehlen die Kräfte, um den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen."
Bei einer großen Generalaudienz am 27. Februar verabschiedete sich Benedikt XVI. von der Kirche und der Welt. "So danke ich allen, die mir in der Ausübung des Petrusamtes großherzig geholfen haben. Schließlich danke ich Euch allen, dass ihr meine Entscheidung, die ich vor dem Herrn zum Wohl der Kirche getroffen habe, mit Respekt und Verständnis aufgenommen habt."
Ein Akt des Mutes und der inneren Ruhe
Es gab durchaus auch Kritik an dem Amtsverzicht: Ein Papst tritt nicht zurück! Oder wie Stanislaw Dziwisz, der ehemalige Sekretär von Johannes Paul II., es ausdrückte: "Vom Kreuz steigt man nicht herab."
Federico Lombardi, damals wie heute Vatikansprecher, wertete den Rücktritt nicht als Zeichen der Schwäche. Er sprach von einem herausragenden Regierungsakt: "Die Klarheit, mit der sich Benedikt XVI. auf diese Geste vorbereitet hatte, und der Glaube, mit dem er das tat, zeugen von Mut und innerer Ruhe."
Treffen sich zwei Päpste
Es ist ein Novum in der jüngeren Geschichte der Kirche, dass ein Papst von der Möglichkeit des Rücktritts Gebrauch macht, dass er die Wahl seines Nachfolgers miterlebt und dass der emeritierte Papst, wie Benedikt nach seinem Rücktritt offiziell genannt wird, den neu gewählten Papst trifft und spricht.
Die historische Begegnung zwischen Benedikt und Franziskus fand wenige Wochen nach Rücktritt und Konklave in der Sommerresidenz Castel Gandolfo statt. Wenig später zog der emeritierte Kirchenführer in ein eigens für ihn umgebautes Kloster in den Garten des Vatikanstaates, wo er seitdem Tür an Tür mit dem amtierenden Papst lebt. "Die Chemie stimmt", sagt Benedikts Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, über das Verhältnis der beiden Päpste zueinander. "Es ist herzlich, es gibt große Wertschätzung. Es kommt eine innere und äußere Sympathie immer wieder zum Ausdruck. Da bin ich Augen- und Ohrenzeuge."
Benedikt lebt zurückgezogen, aber nicht isoliert
Papst Benedikt XVI. wollte nach seinem Rückzug "von der Welt verborgen" leben. Also: keine öffentlichen Auftritte mehr. Doch er empfängt regelmäßig Besucher, vor allem aus seiner bayerischen Heimat. Als sich seine ehemaligen Studenten trafen, übernahm er die Predigt und am Geburtstagskonzert für seinen älteren Bruder Georg im Vatikan nahm er selbstverständlich auch teil.
"Er lebt zurückgezogen, ohne öffentliche Auftritte, aber das heißt nicht, dass er isoliert wäre oder in strenger Klausur", so Vatikansprecher Lombardi. Es sei das normale Leben eines älteren Menschen.
Benedikt hatte seinen Verzicht auf das Papstamt in erster Linie mit seinen schwindenden Kräften begründet. Doch auch ein Jahr nach dem Rücktritt gibt es keinen akuten Anlass, sich um die Gesundheit des emeritierten Papstes Sorgen zu machen. Besucher erleben Benedikt geistig präsent wie eh und je. Und körperlich scheint er sich von den Strapazen des Papstamtes sogar leicht erholt zu haben.