
Zukunftsversprechen Wasserstoff Mit Champagner Feuer löschen?
Wasserstoff gilt vielen als Energieträger der Zukunft. Doch Studien zeigen, dass H2 zwar in der Anwendung klimafreundlich, aber in der Umsetzung kosten- und energieaufwendig ist - und damit relativ ineffizient.
Wasserstoff soll in vielen Sektoren die grüne Energie von morgen werden. Vor allem in puncto Gebäudewärme und im Verkehrssektor wird für den Einsatz von Wasserstoff geworben. Im Bereich Luftverkehr und in der Schifffahrt, aber auch für Pkw und Lkw soll das Gas eingesetzt werden.
Im Individualverkehr eher keine Option
Die geplante Verwendung im Individualverkehr erntet allerdings Kritik von Expertenseite. "Wasserstoff ist ein knapper und teurer Energieträger, er ist daher der 'Champagner' der Energiewende", erklärt Claudia Kemfert, Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen.
Wasserstoff, der mit Erneuerbaren Energien produziert werde, sei zwar nachhaltig und emissionsfrei; ungeachtet dessen sei der Energieaufwand aber hoch, so Kemfert. Das begründet unter anderem den hohen Preis des grünen Treibstoffs. Die direkte Nutzung von Strom ist effizienter und daher günstiger. In vielen Bereichen sei dies möglich, so bei der Gebäudewärme und im motorisierten Individualverkehr, zum Beispiel mit Elektroautos, sagt Kemfert.
Auch das Umweltbundesamt (UBA) ist kritisch: "Im Vergleich zu einem Elektroauto mit einem Gesamtwirkungsgrad von 75 Prozent ist diese Art von aus Strom hergestellten H2 zu nutzen ineffizient und ökologisch wenig sinnvoll."
Fehlende Infrastruktur
Ein weiteres Problem sei der Transport von Wasserstoff, sagt Harry Lehmann, Direktor des PtX-Labs Lausitz. Wollte man H2 mit dem Schiff transportieren, so müsse man es verflüssigen. Hierzu müsse das Gas allerdings auf minus 252 Grad heruntergekühlt werden. Das wäre zwar machbar, setze aber eine hohe Menge an Strom, Ressourcen und Änderungen der Infrastruktur voraus.
Die energieeffizienteste Alternative, Wasserstoff von A nach B zu transportieren, sei über Pipelines - allerdings benötige es hierzu einen Infrastrukturwandel in Deutschland und Europa, um dies bewerkstelligen zu können.
Klimaschonender fliegen?
Es gebe allerdings Bereiche, in denen die Nutzung von Wasserstoff oder auch seiner Folgeprodukte langfristig erforderlich sei, heißt es aus dem UBA: Dazu gehörten vor allem die chemische Industrie, die Stahlindustrie sowie der Schiffs- und Flugverkehr. Hier spielen Wasserstoff und Folgeprodukte wie E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, bereits eine wichtige Rolle, und nur in diesen Bereichen sollten sie öffentlich gefördert werden, so Kemfert.
Das Fliegen und die Schifffahrt könnten klimafreundlicher werden, indem konventionelles Kerosin durch synthetisch hergestellten Power-to-Liquid-Kraftstoff (PtL) ersetzt würden. Der Herstellungsprozess von PtL-Kraftstoffen an sich ist einfach, braucht aber viel Energie: Per Elektrolyse wird zunächst Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Dem entstandenen Wasserstoff wird in einem speziellen chemischen Verfahren CO2 zugesetzt; daraus entsteht synthetischer Kraftstoff. Entscheidend auch hierbei: Der Strom, der bei der Elektrolyse eingesetzt wird, muss aus Erneuerbaren Energien stammen.
Auf diese Weise soll künftig auch grünes PtL-Kerosin produziert werden. Dies hätte zum Vorteil, dass "Kerosin aus dieser Route bereits heute bis zu 50 Prozent dem Flugkraftstoff beigemischt werden darf", sagt Lehmann. Ein weiterer Vorteil von PtL-Kerosin: Es bedürfe keines Infrastrukturwandels in Bezug auf den Transport, da es sich wie fossiler Kraftstoff transportieren ließe.
Fünffache Strommenge benötigt
Andererseits aber verschlingt die Herstellung von PtL-Kerosin im Vergleich zur direkten Nutzung von elektrischem Strom die fünffache Menge an Erneuerbarer Energie. "Deswegen sollte PtL-Kerosin nur in den Bereichen eingesetzt werden, in denen eine direkte Nutzung von elektrischer Energie derzeit nicht möglich ist, also im Luft -und Seeverkehr", erklärt Lehmann. Der ineffiziente Einsatz von H2 und PtL-Kraftstoffen in Bereichen, in denen es effizientere Alternativen gibt, sei nicht nur teuer, sondern verbrauche auch wichtige Ressourcen.
Felix Matthes, Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik, Energie und Klimaschutz am Freiburger Öko-Institut, sieht zwei Szenarien: Im besten Falle konzentriere man sich in den kommenden Jahren auf die Bereiche, in welchen der Einsatz von H2 erforderlich sei. Der schlimmste Fall hingegen sei, dass politisches Kapital und die begrenzten Geldmittel, die zur Verfügung stehen, in einer Vielzahl von Projekten verschwendet würden. Derzeit befürchte er, so Matthes, dass auf letzteres Szenario gesteuert werde.