Neuwagen und Gebrauchtwagen stehen bei einem Autohändler nebeneinander.
analyse

E-Autos als Ladenhüter Die Renaissance des Verbrenners

Stand: 30.01.2024 15:58 Uhr

Ab 2035 werden in der EU keine neuen Verbrenner mehr zugelassen. Tatsächlich aber erleben Benziner und Diesel gerade ein erstaunliches Comeback. Der Boom bei Elektrofahrzeugen dagegen scheint auszufallen. Woran liegt das?

Pfiffige Aktionen, kräftige Rabatte, ein prominenter Platz im Showroom: Nichts davon scheint bei den Kunden zu verfangen. E-Fahrzeuge "made in Germany" sind der Ladenhüter im Autohaus Drechsler bei Stuttgart, zumal nach dem Wegfall der staatlichen E-Prämie im Dezember. Zu teuer, zu wenig innovativ, heißt es.

Und bei den Kunden blieben einfach viele Fragen offen, erzählt Filialleiter Frank Hettler: "Ist die Ladeinfrastruktur die richtige, halten die Fahrzeuge auch bei Minustemperaturen das, was sie versprechen? Was mache ich mit dem Auto, wenn es älter ist? Bekomme ich es überhaupt noch los, wenn ich es wiederverkaufen möchte? Damit sind wir konfrontiert, tagtäglich."

Der Wegfall der staatlichen E-Prämie im Dezember habe den Einbruch bei Verkäufen dramatisch beschleunigt. Von der vielbeschworenen Aufholjagd deutscher Hersteller bei Elektroautos sei nichts zu spüren. Allerdings: "Wir spüren den Boom, was das Thema Verbrenner angeht", meint Hettler. "Die Kunden wollen explizit Verbrenner, auch gerne was Gebrauchtes, was junges Gebrauchtes."

Düstere Prognose für 2024

Das spiegeln auch die Zulassungszahlen des ADAC wider. Im Dezember wurden 55.000 E-Autos neu zugelassen. Das sind etwa 47 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Benziner dagegen verkaufen sich deutlich besser, mit 31 Prozent aller Neuzulassungen. Selbst der Diesel kommt noch auf 15,5 Prozent. Und die Aussichten für Elektrofahrzeuge in Deutschland trüben sich 2024 weiter ein. Der Verband der Automobilindustrie rechnet mit einem Einbruch von 14 Prozent. Bei den Gesamtzulassungen mit Verbrennern dagegen sieht der Verband nur ein Minus von einem Prozent.

Die Gründe dafür liegen aus Sicht des Autoexperten Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) auf der Hand: "Wir haben noch zu wenig günstige Elektromodelle im niedrigen Fahrzeugsegment. Das wird sich auch 2024 nicht dramatisch ändern. Wir rechnen erst 2025, 2026 damit, dass wir auch günstige Elektrofahrzeuge verfügbar haben, auch von deutschen Herstellern."

Deutsche Hersteller mit Absatzproblemen bei E-Autos

tagesthemen, 30.01.2024 22:15 Uhr

Die Chinesen dagegen sind mit der Marke MG in der Klasse der Elektrokompaktwagen schon heute die Nummer eins in Europa bei Kostenvorteilen von 3.000 bis 5.000 Euro. Auf breiter Front aber haben sich E-Autos bislang nicht durchsetzen können. Bratzel fürchtet deshalb eine fatale Trendumkehr: "Wir müssen aufpassen, dass jetzt nicht eine Renaissance des Verbrenners stattfindet, weil eine gewisse Müdigkeit bei der Elektromobilität eintritt."

30 bis 40 Prozent teurer als die Konkurrenz in Asien

Autozulieferer, die auf Elektromobilität setzen, beklagen fehlende Investitionen, Bürokratie und viel Zögerlichkeit. Schon seit 2009 setzt die Manz AG in Reutlingen auf Elektromobilität, entwickelt innovative Batterielösungen für Elektrofahrzeuge. Doch das Wachstum ist gering, der Kostendruck enorm, wie Vorstandschef Martin Drasch zu tagesschau.de sagt: "Wenn wir uns mit Projekten messen müssen, die auch von asiatischen Wettbewerbern angeboten werden, sind wir 30 Prozent bis 40 Prozent teurer."

Er fordert den Schulterschluss von Politik, Autoherstellern, Maschinen- und Anlagebau bei der Elektromobilität. Das habe in den vergangenen Jahrzehnten das deutsche Erfolgsmodell ausgemacht. Nun steht es auf der Kippe. Massive Investitionen seien nötig. Doch es zeichnet sich eher eine Hängepartie ab. "Im schlimmsten Fall gibt es wieder eine Verzögerung oder ein Anschieben über Förderungen an der falschen Stelle. Das Thema Transformation ist erreichbar über Investitionen in die Technologie und Wettbewerbsfähigkeit im Produktionsprozess."

"Mindestens so viel innovativer wie teurer"

Aus Sicht des CAM-Experten Bratzel muss die deutsche Autoindustrie bei der E-Mobilität mindestens so innovativ wie teuer sein. Auf beiden Feldern gilt es, einiges nachzuholen. Frank Hattler vom Autohaus Drechsler ist skeptisch, ob das im unteren Preissegment auf kurze Sicht gelingt. Eben da spüre er aber Nachfrage nach E-Autos.

Und so greifen gerade Ältere weiter zum Verbrenner, wie er sagt. Da sei noch immer alles sehr viel einfacher: "Ich halte den Tankrüssel ein, fülle das in fünf Minuten voll, bezahle, fahre davon. Beim Elektrofahrzeug ist das sehr viel komplizierter."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 30. Januar 2024 um 17:00 Uhr.