Ein E-Auto des chinesischen Herstellers BYD auf der IAA Mobility
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Neue E-Modelle aus Asien Chinas Ehrgeiz auf dem deutschen Elektroautomarkt

Stand: 11.09.2023 11:17 Uhr

China hat die IAA Mobility in München dominiert. Noch sind chinesische E-Autos die Ausnahme auf deutschen Straßen. Aber das könnte sich schnell ändern. Die Ambitionen der Hersteller sind riesig.

Noch stammen nur acht Prozent der E-Autos in Europa aus China, so eine Studie der französischen Beraterfirma Inovev. Aber der Anteil wächst: 2022 waren es erst sechs Prozent. Dass die Ambitionen riesig sind, zeigte die Automesse IAA Mobility in München sehr deutlich: Überall fielen chinesische Werbebanner auf, man hörte extrem viele Messeteilnehmer Chinesisch sprechen. Und mit rund 70 Ausstellern waren die Autobauer, Zulieferer und Batteriefirmen aus der Volksrepublik die größte Delegation. Etwa 40 Prozent der Aussteller in München stammten aus Asien.

Der Autobauer BYD, dessen Name das Kürzel des englischen "Build your dreams" ("Bau deine Träume") ist, hat nach eigenen Angaben bislang fünf Millionen Elektroautos verkauft, wobei BYD auch Hybridfahrzeuge mitzählt. Lange Jahre war Volkswagen durch seine Verbrenner die unumstrittene Nummer eins in China, dem größten Automarkt der Welt. Beim Wechsel zur E-Mobilität hat VW aber bislang dort kaum punkten können und deshalb die Marktführerschaft an den einst belächelten Konkurrenten BYD aus der südlichen Industriemetropole Shenzhen verloren.

Zur IAA kam BYD mit dem größten Messestand, der bei der Pressepräsentation überfüllt war. "Build your dreams!", skandierten die Topmanager mit erhobener Faust im Chor. Die Ambitionen sind groß. "Nach nur elf Monaten sind wir schon in 15 europäischen Ländern vertreten", sagte Europa-Chef Michael Shu. Der BYD Seal soll ab 2024 für 45.000 Euro in Deutschland zu kaufen sein und dem Tesla Model 3 Konkurrenz machen.

"Deutsche Kunden achten auf Qualität und Service"

Nach einer Umfrage des Automobil-Zulieferers Continental können sich aktuell 45 Prozent der deutschen Autofahrer vorstellen, ein E-Auto "Made in China" zu kaufen. Deutschland ist als traditionelles Autoland für die Hersteller aus dem bei weitem größten E-Automarkt der Welt noch immer etwas Besonderes. "Deutsche Kunden achten sehr auf Qualität und Service. Diese Präzision, mit der dort gearbeitet wird, ist für uns ein weiterer Lernprozess", sagt der Präsident des chinesischen Technologieverbands Wan Gang im ARD-Interview. Könnte heißen: Wenn China es dort schafft, holt es keiner mehr ein.

Wan Gang weiß, wovon er spricht: Der 71-Jährige Professor aus Shanghai hat an der TU Clausthal Antriebstechnik studiert, dann über zehn Jahre bei Audi gearbeitet, spricht fließend Deutsch und war 2007 bis 2018 chinesischer Wissenschaftsminister. In dieser Zeit begann der E-Auto-Boom in China. Das Prinzip dabei: Fördern und Fordern. Etliche Autobauer sind zumindest teilweise im Besitz staatlicher Stellen oder Staatskonzerne, andere erhalten Förderung. Die Pekinger Regierung erzwang mit Quoten in der Produktion, dass alle Hersteller in der Volksrepublik mehr E-Autos bauten.

Parallel zahlte sich der Abschied vom Verbrenner für chinesische Kunden aus. Erstens, weil die Zulassung "grüner Autos" - gekennzeichnet mit einem grünen Nummernschild - nicht wie bei Verbrennern in den Großstädten extrem teuer ist. Ein grünes Nummernschild kostet nichts. Zweitens, weil der Kauf von E-Autos vom Staat gefördert wird. Eigentlich sollte diese Stütze auslaufen. Nun ist sie bis 2025 verlängert, für Autos zum Preis von umgerechnet weniger als 19.000 Euro sogar bis 2027.

Rabattschlacht lässt Preise fallen

Eine massive Rabattschlacht, ausgelöst von Tesla, drückt zusätzlich auf die Preise. Kostet ein E-Auto in China umgerechnet 32.000 Euro, so gibt es dasselbe Modell in Europa für 56.000. "Dieser Preiskampf lässt den Autobauern nur eine minimale Gewinnmarge", sagt der auf Chinas Automarkt spezialisierte Analyst Jochen Siebert. "Ich frage mich, wie lange das noch so gehen kann."

Vielleicht ist diese Rabattschlacht mit ein Grund für die Offensive in Deutschland. Neben BYD kündigten auch andere chinesische Elektro-Marken an, Produkte auf dem deutschen Markt anzubieten: Darunter Leapmotor, Dongfeng, Nio und Xpeng. Wird es in der Automobilindustrie so kommen wie in der Solarindustrie - Verdrängungskampf mit negativem Ausgang für Deutschland? Deutsche Zulieferer zeigten sich auf der IAA gelassen, denn sie machen gute Geschäfte mit den neuen Marken aus der Volksrepublik.

Kooperationen beflügeln die Branche

Auch Wan Gang glaubt nicht an einen Verdrängungskampf. Seiner Ansicht nach werden die chinesische und deutsche Autoindustrie weiter zusammenarbeiten: "Wenn wir über Elektrofahrzeuge sprechen, ist das Ziel: Gemeinsam gegen den Klimawandel. Das ist unsere Pflicht, das müssen wir gemeinsam tun."

Tatsächlich gibt es bereits Kooperationen zwischen deutschen und chinesischen Autobauern. Beispiel Xpeng: Volkswagen hat knapp fünf Prozent Anteile des Start-ups aus Guangzhou übernommen und baut nun zwei digital vernetzte E-Autos auf Basis von Xpengs Technologie. Denn vor allem eine in chinesischen Augen rückständige Software hat dazu beigetragen, dass deutsche Autos ihren Nimbus eingebüßt haben.

Was fehlte, erklärt Philipp Kemmler, Pressesprecher des Autobauers Great Wall aus Baoding nahe Peking: "Das ganze Infotainment im Auto ist sehr wichtig, dass ich da meine blinkenden, aufwendigen Features habe. Das mögen wir Europäer ein bisschen schlichter, nüchterner. Dass wir eine Selfie-Funktion im Auto haben oder eine Karaoke-Funktion, das wird der Europäer noch nicht wollen. Aber es wird sich auch dahingehend verändern."

Das Laden bleibt ein zentrales Thema

Ein wichtiges Thema auf der IAA waren Ladesysteme. Mercedes-Chef Ola Källenius sprach von einem neuen Hochleistungsnetzwerk fürs Laden, das schon im Herbst nach China, den USA und Deutschland kommen soll. BMW-Chef Oliver Zipse betonte die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Batteriehersteller CATL, dem Weltmarktführer. CATL baut derzeit ein Werk in Thüringen.

Auch BYD begann 1995 als Batterie-Produzent. Ein Grund für den heutigen Erfolg, sagt Dong Chengwu vom Pekinger Analysten Autodatas: "Sie stellen ihre Batterien nach wie vor selber her. Diese Tiefe in der Produktion hilft ihnen." Nio aus Shanghai setzt allerdings nicht auf das Laden, sondern auf Batterietausch. Von den Niederlanden bis an die Alpen hat Nio sogenannte Wechselstationen gebaut. Sie sehen aus wie Carports, in die der Wagen autonom einparkt. Dann öffnet sich der Fahrzeugboden, per Roboter wird die leere gegen eine volle Batterie ausgetauscht - innerhalb von vier Minuten.

Einer der wichtigsten deutschen Energie-Riesen sei Partner, sagt Nios Europachef Zhang Hui: "Ende letzten Jahres, im Dezember, haben wir ein strategisches Abkommen mit dem Konzern EnBW abgeschlossen. In den nächsten Jahren werden wir Swap Stations auf dem Gelände von EnBWs Supercharger Stations bauen können." Das Problem der hohen Preise für Batterien will Nio durch ein Leasing-Modell lösen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 05. September 2023 um 18:22 Uhr.