
Ukraine-Krieg Die Doppelrolle der Kryptowährungen
Bereits im Herbst warnte das US-Finanzministerium, Kryptowährungen bedrohten die Wirksamkeit von Sanktionen. Tatsächlich spielen Bitcoin & Co. eine zentrale Rolle im Ukraine-Krieg.
Schon immer haben Staaten Kriege mit Hilfe von mehr oder weniger freiwilligen Spenden finanziert. Mit speziellen Steuern etwa, oder mit Kriegsanleihen mit Zinsversprechen. Insofern ist der Aufruf der Ukraine zwei Tage nach dem Angriff Russlands nicht ungewöhnlich - würde die Regierung nicht ausdrücklich um Kryptowährungen bitten.
"Ein Schutzschild für Menschen"
"Ich würde trotzdem nicht von einem Krypto-Krieg reden, eher von einem Schutzschild für Menschen", sagt Alex Gladstein von der New Yorker Menschenrechtsorganisation Human Rights Foundation. Er hat den Spendenaufruf für die Ukraine mit organisiert - erfolgreich: Bis jetzt sind umgerechnet knapp 60 Millionen US-Dollar in unterschiedlichen Kryptowährungen für die Kriegskasse zusammengekommen. "Die ukrainische Regierung hat mit dem Geld Militärausrüstung zur Verteidigung des Landes gekauft", erläutert Gladstein.
Aber das sei nicht alles: "Die Krypto-Technologie leistet auch friedliche humanitäre Hilfe für Hunderttausende Menschen, die geflohen sind, vertrieben wurden oder unter schrecklichen wirtschaftlichen Verhältnissen leiden müssen." So gibt es spezielle Fonds, um Zivilisten bei der Flucht zu helfen und sie mit Lebensmitteln und Treibstoff zu versorgen.
"Schwarze Liste bringt gar nichts"
Aber die schöne neuen Krypto-Welt habe auch ihre Schattenseiten, sagt Hanna Halaburda, Professorin für Wirtschaftstechnologie an der New York University. "Schon vor dem Ukraine-Krieg sind Krytowährungen für gute und für schlechte Dinge genutzt worden, weil sie staatliche Kontrolle und Regulierungen umgehen", so die Wissenschaftlerin. "Und in diesem Konflikt zeigt sich das auch noch mal ganz deutlich: Mit Krypto kann man bessere und schlechtere Sachen machen."
Denn auch in Russland werden die Kryptowährungen genutzt - dort, um die drastischen Sanktionen des Westens zu umgehen. So sind mit dem Einmarsch in der Ukraine so viele Rubel in Bitcoin getauscht worden wie nie zuvor. "Nehmen wir die Oligarchen: Die können Geld in Kryptowährungen tauschen, um Sanktionen zu umgehen", sagt Halaburda. Das könne man kaum verhindern. Denn dafür bräuchte man erstens die Adressen der virtuellen Geldbörsen dieser Oligarchen. "Dann müsste man sie - zweitens - in allen Handelsplattformen sperren. Und drittens gibt es ja nicht nur Bitcoins; es gibt Kryptowährungen, die sind so geschützt, da bringt eine schwarze Liste gar nichts."
Zugang zu Kryptowährungen nicht regulierbar?
Schon im Oktober vergangenen Jahres hatte das US-Finanzministerium gewarnt: Kryptowährungen seien eine Bedrohung für die Wirksamkeit von Sanktionen. Ganze Abteilungen sind jetzt damit beschäftigt, verdächtigen Transaktionen auf die Spur zu kommen.
Die Handelsplattformen sind dabei keine große Hilfe. "Wir sind ein Privatunternehmen", stellt etwa der Vorstandschef von Kraken, Jesse Powell, klar. "Es ist nicht unsere Aufgabe, die Konten von russischen Staatsbürgern einzufrieren. Das würde zu weit gehen." Jemandem den Zugang zu seinen Finanzen zu verwehren, sei etwas anderes, "als ihm keine Schuhe oder Kameraobjektive mehr zu verkaufen", so Powell. "Eine solch extreme Maßnahme werden wir nur ergreifen, wenn wir von der Regierung dazu gezwungen werden."
Inzwischen sind auf Druck Washingtons einige Tausend Krypto-Konten gesperrt worden, doch die meisten russischen Oligarchen und Putin-Unterstützer blieben wohl weiter unbehelligt, sagt Expertin Halaburda. "Der Bitcoin wurde ja genau dazu erfunden, um Regulierungen von Regierungen zu umgehen." Die Bitcoin-Community könnte zwar theoretisch jetzt schwarze Listen einführen. Aber dazu müsste sie sich erstmal koordinieren, so die Wissenschaftlerin. "Und dann gibt es ja noch die ganzen Kryptowährungen der zweiten Generation. Da sind wir dann so gut wie machtlos, die Nutzung von Krytowährungen einzuschränken."