Hauptsitz der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main.

Zum fünften Mal in Folge EZB tastet Leitzinsen weiterhin nicht an

Stand: 11.04.2024 16:01 Uhr

Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt die Leitzinsen in der Eurozone weiter unverändert. Die nächste Zinssitzung steht nun am 6. Juni an - kommt dann die Zinswende? Darauf deutet einiges hin.

Obwohl die Inflation seit Monaten zurückgeht und die Konjunktur weiter schwächelt, verändert die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen im Euroraum zum fünften Mal in Folge nicht. Das entschied der EZB-Rat in seiner Sitzung, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte.

Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der EZB erhalten, verharrt damit zunächst auf 4,0 Prozent. Der seit längerem weniger entscheidende Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich die Geschäftsbanken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, liegt weiter bei 4,5 Prozent.

"EZB agiert extrem vorsichtig", Klaus-Rainer Jackisch, HR, zur Zinsentscheidung der EZB

tagesschau24, 11.04.2024 15:00 Uhr

"Lockerung" der Geldpolitik in Aussicht

Zugleich steuert die EZB aber um und nimmt Kurs auf eine bevorstehende erste Zinssenkung. "Sollte seine aktualisierte Beurteilung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission die Zuversicht des EZB-Rats weiter stärken, dass die Inflation sich nachhaltig dem Zielwert annähert, wäre eine Lockerung der aktuellen geldpolitischen Straffung angemessen", so die Euro-Wächter.

Einige Mitglieder des geldpolitischen Rats seien bereits jetzt zuversichtlich gewesen, dass die Bedingungen für eine Reduzierung erfüllt seien, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Zinssitzung. Sie seien allerdings bereit gewesen, sich der großen Mehrheit im Rat anzuschließen, die lieber zusätzliche Informationen im Juni abwarten wolle.

Die EZB hält inzwischen seit September 2023, als sie im Kampf gegen die Inflation zum zehnten Mal in Folge die Zinsen angehoben hatte, an den rekordhohen Schlüsselsätzen fest. Inzwischen ist die Teuerungsrate in der Eurozone aber auf 2,4 Prozent gefallen, nach 2,6 Prozent im Februar. Die Zielmarke der EZB von 2,00 Prozent, die sie mittelfristig als optimales Niveau für den Währungsraum anstrebt, rückt damit in greifbare Nähe. Im März 2023 hatte sie noch bei 6,9 Prozent gelegen, im Herbst 2022 zeitweise über zehn Prozent.

EZB "in den Startlöchern"

Volkswirte rechnen nun allgemein im Juni mit einer von Wirtschaft und privaten Kreditnehmern ersehnten Reduzierung der Zinsen. Die EZB stehe in den Startlöchern, kommentierte Volkswirt Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank die EZB-Beschlüsse. "Mit ihrem rhetorischen Schwenk heute öffnet sie die Tür für eine Zinssenkung, durch die sie im Juni gehen wird." Mit der Konjunktur im Euroraum laufe es eher schlecht als recht und die Gesamtinflationsrate liege bereits relativ nahe am Zielwert der EZB.

"Es ist jetzt fast sicher, dass die EZB im Juni mit der Zinssenkung beginnt", sagte auch Friedrich Heinemann vom Mannheimer Forschungsinstitut ZEW. Offen bleibe die Frage, wie weit die Leitzinsen in diesem Jahr sinken werden. Die Zinsentscheidungen würden von Sitzung zu Sitzung und abhängig von den Daten getroffen, sagte EZB-Chefin Lagarde auf der Pressekonferenz. Sie könne sich daher auf keinen Zinspfad inklusive Höhe und Dauer festlegen, solange die Zahlen nicht vorlägen.

Schon in den vergangenen Wochen hatte eine Reihe von Währungshütern die Ansicht geäußert, die Zinssitzung am 6. Juni könnte der geeignete Startpunkt für die Zinswende sein. Denn dann dürften der EZB unter anderem wichtige Daten zu den diesjährigen Tarifabschlüssen aus den Euroländern vorliegen. Zudem werden zu der Sitzung neue Konjunktur- und Inflationsprognosen der EZB-Volkswirte erwartet. Zuletzt hatten die straffen Finanzierungsbedingungen die Wirtschaft schwächeln lassen.

USA als warnendes Beispiel?

Die EZB könnte somit vor der US-Notenbank Fed die Zinswende einleiten. Denn auf der anderen Seite des Atlantik brummt die Wirtschaft, der Arbeitsmarkt zeigt sich robust und die Inflation ist anders als erhofft zuletzt sogar wieder überraschend deutlich gestiegen. Daher rechnen die Marktteilnehmer inzwischen erst im September mit der ersten Zinssenkung.

Für Ulrich Kater, Chefökonom der Dekabank, ist dennoch klar: "Trotz anhaltender Diskussionen wird die EZB wohl im Sommer - erstmals vor der Fed - die Leitzinsen senken." Beim Timing der Zinsschritte sei die EZB von der Geldpolitik der Fed nicht abhängig. Der Wechselkurs habe nicht mehr die Bedeutung früherer Jahre.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht die USA dagegen als "warnendes Beispiel": "Nicht nur in den USA, sondern auch im Euroraum sind die Verbraucherpreise in den letzten Monaten wieder deutlich stärker gestiegen, als es auf Dauer mit dem Inflationsziel von zwei Prozent vereinbar ist." Das liege vor allem an den weiter kräftig steigenden Löhnen. Die EZB solle daher "der Versuchung widerstehen, ihre Zinsen bereits im Juni zu senken."

Alexander Schmitt, HR, tagesschau, 11.04.2024 14:57 Uhr