
Kritik der Bundesländer "Keine signifikante Verbesserung" bei der FIU
Wie auch immer die neue Bundesregierung aussehen wird - beim Thema Geldwäschebekämpfung besteht großer Handlungsbedarf. Denn die Defizite, die bei der dafür zuständigen Behörde existieren, sind nach Recherchen von BR und Spiegel weiter immens.
Wenige Tage vor der Bundestagswahl verteidigte Olaf Scholz die Anti-Geldwäsche-Behörde des Bundes, die Financial Intelligence Unit (FIU): "Wir haben mehr hingekriegt in den letzten drei Jahren als in den letzten 30 Jahren."
Der Bundesfinanzminister war gerade aus einer mehrstündigen Sondersitzung des Finanzausschusses gekommen. Das Gremium hatte Scholz vorgeladen, nachdem die Staatsanwaltschaft Osnabrück Anfang September im Bundesfinanz- und im Bundesjustizministerium durchsucht hatte. Sie ermittelt seit Juli vergangenen Jahres gegen bislang unbekannte FIU-Verantwortliche.
Bundesweit ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück
Die FIU, so die Staatsanwaltschaft, habe im Juni 2018 "durch Banken gefertigte Geldwäsche-Verdachtsmeldungen in Millionenhöhe (…) nicht an Polizei und Justiz weitergeleitet". Und das, obwohl Hintergrund dieser Finanztransaktionen "Waffen- und Drogenhandel sowie Terrorismusfinanzierung" gewesen sein könnte. Der Vorwurf: Strafvereitelung im Amt.
Eine Umfrage von BR Recherche und dem "Spiegel" unter den Bundesjustizministerien und Generalstaatsanwaltschaften in den Ländern zeigt: Bei dem Ermittlungsverfahren der Osnabrücker Staatsanwaltschaft handelt es sich bislang um das bundesweit einzige, das sich gegen unbekannte FIU-Verantwortliche richtet.
Zwar ging im Februar dieses Jahres bei der Staatsanwaltschaft Köln eine anonyme Anzeige ebenfalls wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt gegen FIU-Verantwortliche ein. Nach Angaben eines Sprechers der Strafermittlungsbehörde verzichtete diese aber auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens - "mangels Anfangsverdachts".
Der Zoll hat nach eigenen Angaben ebenfalls keine Erkenntnisse über weitere Verfahren. Die FIU mit Sitz in Köln ist beim Zoll angesiedelt, sie steht unter der Rechtaufsicht des Bundesfinanzministeriums.
Bundesländer üben scharfe Kritik
Anders als Scholz sehen mehrere Bundesländer die Arbeit der FIU weiter kritisch. "Dass die FIU Geldwäscheverdachtsmeldungen verspätet oder trotz strafrechtlicher Relevanz gar nicht weiterleitet, kommt regelmäßig vor (…). Im Laufe der Zeit ist insoweit auch keine signifikante Verbesserung eingetreten", so das Fazit der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg.
Auch die Justizministerien und Generalstaatsanwaltschaften in Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen berichteten BR und "Spiegel" von verspätet weitergeleiteten Geldwäsche-Verdachtsmeldungen durch die FIU. "In der Vergangenheit wurden auch eilbedürftige Geldwäscheverdachtsmeldungen nicht oder erst verspätet an die sächsischen Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Eine statistische Erfassung dieser Fälle erfolgt jedoch nicht", teilte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden auf Anfrage mit. Andere Länder haben nach eigenen Angaben ebenfalls keine statistischen Erhebungen.
Bayern: Verdächtige Überweisungen konnten nicht gestoppt werden
Das Justizministerium Bayern teilte BR und "Spiegel" mit, in der Vergangenheit sei es dazu gekommen, "dass eilbedürftige Hinweise auf verdächtige, bevorstehende Transaktionen von der FIU sehr kurz vor Fristablauf oder erst nach Fristablauf vorgelegt wurden. In diesen Fällen hatte die Staatsanwaltschaft entweder kaum Zeit, eine endgültige Untersagung der Transaktion zu prüfen, oder die Transaktion war zwischenzeitlich wegen Fristablaufs schon durchgeführt worden". Allerdings würden Fristfälle "inzwischen in aller Regel fristgemäß vorgelegt", so das Ministerium weiter.
Besonders heftige Kritik an der FIU kommt aus Niedersachsen. Das Justizministerium in Hannover spricht von einer "zunehmend defizitären Weiterleitungspraxis", die spätestens seit 2019 als Problem erkannt sei: "Angesichts der Diskrepanz zwischen bei der FIU eingehenden Verdachtsmeldungen und den Weiterleitungen der FIU an die niedersächsischen Staatsanwaltschaften bestand/besteht eine reale Gefahr, dass eilbedürftige Geldwäsche-Verdachtsmeldungen nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet wurden/werden."
Zahl der Verdachtsmeldungen stark gestiegen
In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Meldungen, die zum Beispiel Banken an die FIU geschickt haben, stark zugenommen. Nach Zoll-Angaben landeten 2020 dort fast 145.000 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen. Wiederholt musste die Bundesregierung einräumen, dass sich Zehntausende dieser Meldungen bei der Einheit stapelten.
Unter anderem deswegen stellte die Justizministerkonferenz im November 2020 "gravierende Defizite bei der Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden" fest.
Kritik auch aus dem Bundestag
"Menschenhandel, Korruption und andere schwere Kriminalitätsformen funktionieren nur mit Geldwäsche. Deswegen muss das ein Schlüssel bei der Kriminalitätsbekämpfung sein und bleiben", sagt Sebastian Fiedler, Vorsitzender vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Fiedler wird sich zukünftig als SPD-Bundestagsabgeordneter mit dem Thema Geldwäsche beschäftigen.
Markus Herbrand, Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Finanzausschuss, spricht von einer "miserablen Performance", die die FIU abgeliefert habe. Hauptverantwortlich dafür ist seiner Ansicht nach die Politik: "Es ist vollkommen unverständlich, weshalb die Bundesregierung seit Jahren die gravierenden Missstände bei der Anti-Geldwäschebehörde FIU verschleppt, ignoriert und verdeckt hat." Deswegen müsse die nächste Bundesregierung bei der Problem-Behörde des Zolls die Reißleine ziehen und grundsätzliche Verbesserungen anstoßen.