
Nervöse Notenbank Die EZB und ihr Italien-Problem
Die Europäische Zentralbank hat Italien und andere südliche Euro-Länder offenbar mit Anleihekäufen in Milliardenhöhe gestützt. Doch reicht das aus, um die Märkte zu beruhigen?
Für viele Marktbeobachter waren die zuletzt gesunkenen Risikoaufschläge von italienischen Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen ein kleines Rätsel. Der so genannte Spread hatte sich in den vergangenen Wochen von knapp 2,5 Prozentpunkten zeitweise auf rund 2,1 Prozentpunkte reduziert.
Zehn Milliarden Euro für italienische Anleihen
Nun scheint klar: Dafür war in erster Linie wohl die Europäische Zentralbank (EZB) verantwortlich. Die Währungshüter unter der Leitung von Christine Lagarde haben einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge offenbar Anleihekäufe in Milliardenhöhe getätigt, um Italien, Griechenland, Spanien und Portugal zu stützen.
Insgesamt beliefen sich die Nettoankäufe von Anleihen aus Italien, Spanien, Portugal und Griechenland danach auf 17,3 Milliarden Euro. Allein 9,8 Milliarden Euro soll die EZB auf den Kauf italienischer Bonds verwendet haben.
EZB aktiviert erste Verteidigungslinie
"Gut möglich, dass der EZB der Spread zu hoch geworden ist, sodass sie sich gezwungen sah zu intervenieren. Damit könnte sie auch dem Markt signalisieren, dass sie das Händchen im Spiel hat und bereit ist zu agieren", kommentiert Commerzbank-Devisen-Analystin Antje Praefcke auf Anfrage von tagesschau.de.
Dabei dürfte die EZB das Instrument eingesetzt haben, das die Notenbank als erste Reaktion auf Marktturbulenzen vorgesehen hat: Das Pandemieprogramm, im Notenbanker-Jargon kurz PEPP genannt, gilt als erste Verteidigungslinie der EZB gegen das Auseinanderdriften der Zinsen im Euro-Raum.
Neues Anti-Fragmentierungsinstrument
Ein sprunghafter Anstieg der Spreads, also der Risikoaufschläge, von italienischen Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen hatte EZB-Chefin Lagarde im Juni zur Einberufung einer Dringlichkeitssitzung gezwungen. Dabei hatte sie ein neues Kriseninstrument angekündigt, dass der Fragmentierung im Euro-Raum entgegenwirken soll.
Vor zwei Wochen wurde dieses dann offiziell auf der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung vorgestellt: Es hört auf den Namen Transmission Protection Instrument - kurz TPI.
TPI ermöglicht höhere Leitzinsen - in der Theorie
Mithilfe dieses Instruments soll ein zu weites Auseinanderdriften der Zinsen für Staatsanleihen zwischen den einzelnen Ländern im Euroraum vermieden werden. TPI ermöglicht gezielte und vor allem unbegrenzte Anleihekäufe einzelner hochverschuldeter Länder und lässt so deren Finanzierungskosten sinken.
"Das TPI stellt eine Möglichkeit dar, den Markt zu beruhigen, sodass auch selbst hochverschuldete Länder höhere Leitzinsen verkraften können. Allerdings dominieren weiterhin die Tauben den EZB-Rat. Die Vertreter der hochverschuldeten Länder dürften - TPI hin oder her - auch künftig auf niedrige Leitzinsen drängen", erläutert Commerzbank-Analystin Praefcke.
Ökonomen kritisieren schwammige Kriterien
Ob ein Land das Kriseninstrument in Anspruch nehmen darf, entscheidet der EZB-Rat. Er hat hierfür verschiedene Bedingungen genannt, die sich grundsätzlich auf eine solide Haushaltspolitik sowie eine nachhaltige makroökonomische Politik der Länder beziehen.
Allerdings sind diese recht schwammig und breit gehalten, wie Ökonomen monieren. "Die EZB hat die Latte für die Anwendung des TPI sehr niedrig gehängt", ist auch Devisen-Expertin Praefcke überzeugt.
Italienische Neuwahlen sorgen für Spannung
Gut möglich daher, dass TPI schon bald seinen ersten Auftritt hat. Schließlich steht Italien weiterhin im Fokus der Bond-Anleger. Das Land befindet sich nach dem Rücktritt von Mario Draghi als Ministerpräsidenten - wieder einmal - mitten in einer politischen Krise. Für den 25. September sind Neuwahlen angesetzt. Mit einer nachhaltigen Beruhigung an den Anleihemärkten ist im Vorfeld nicht zu rechnen.
Auch über den 25. September hinaus dürfte es mit Blick auf Italien spannend bleiben. Es scheine wenig wahrscheinlich, dass es nochmals gelingt, eine Einigung über die Parteigrenzen hinweg zu erreichen, zeigen sich die Experten der Helaba skeptisch. Eine Staatsschuldenkrise 2.0 oder gar einen "Italexit", also ein Ausscheiden Italiens aus dem europäischen Währungsraum, spiegele der Rentenmarkt derzeit allerdings noch nicht wider.
Spread Italien-Deutschland immer noch erhöht
Fakt ist aber auch: Der Spread Italien-Deutschland bewegt sich auch nach dem Eingreifen der EZB immer noch auf einem erhöhten Niveau von rund 220 Basispunkten. Zum Vergleich: Im Sommer vor einem Jahr hatte er sich noch zwischen 100 und 120 Basispunkten eingependelt.
"Angesichts der Unsicherheit über die Kriterien für das TPI könnte der Markt die Bereitschaft der EZB testen, es einzusetzen", ist daher der Europa-Volkswirt der US-Investmentbank Goldman Sachs, Jari Stehn, überzeugt. Das gelte vor allem in Bezug auf Italien.