
Höhere Preise für Elektroautos? Nickel und Neon werden knapp
Die deutschen Autohersteller haben ein Rohstoffproblem. Bei Nickel und Neon drohen wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine Lieferengpässe. Werden Elektroautos jetzt teurer?
Erst Corona, dann der Ukraine-Krieg: Die deutsche Autoindustrie ist von einem Worst-Case-Szenario ins nächste gerutscht. Zwar konnten sich BMW, Mercedes und VW zuletzt deutlich von den Rückschlägen der Pandemie erholen und die Elektroauto-Offensive starten. Doch mit dem Ukraine-Krieg stehen die deutschen Autokonzerne bereits vor der nächsten Belastungsprobe.
Russland und die Ukraine lieferten bislang wichtige Rohstoffe und Vorprodukte. "Palladium, Nickel, Neon oder Kabelbäume sind Beispiele für neu entstandene Engpässe. Wenn diese länger andauern, weil Ersatz nur begrenzt mobilisiert werden kann, drohen anhaltende Produktionsausfälle in der deutschen Wirtschaft", warnt das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer aktuellen Studie.
Russland ist drittgrößter Nickel-Produzent
Zugleich erhöhen die steigenden Preise für Nickel, Lithium, Palladium und andere Metalle, die für die Elektroauto-Produktion benötigt werden, den Druck auf der Kostenseite der Autobauer. So hat sich etwa Nickel im bisherigen Jahresverlauf um über 100 Prozent verteuert.
Mit dem Ukraine-Krieg sind die Angebotsrisiken für das Industriemetall schlagartig gestiegen. Schließlich ist Russland dem Analyseunternehmen GlobalData zufolge mit einer Jahres-Produktion von zuletzt über 200.000 Tonnen der weltweit drittgrößte Produzent von Nickel. "Dabei ist es auf das stark gefragte, höherwertige Nickel spezialisiert, das in Batterien zum Einsatz kommt", betont Commerzbank-Ökonomin Barbara Lambrecht.
"Schlüsselrohstoff" für die Verkehrswende
Nickel gilt als Schlüsselrohstoff für die Verkehrs- und Energiewende. Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) schätzt, dass Nickel schon 2025 hinter der Nutzung als Bestandteil von Legierungen und Edelstählen am zweithäufigsten für Energiespeicher etwa in Elektroantrieben zur Anwendung kommen wird.
Die Sanktionierung von russischem Nickel werde die Einführung von Elektrofahrzeugen verlangsamen und die Preise für deren Herstellung weiter steigen lassen, warnen die Experten von GlobalData. "Allein die gestiegenen Nickelpreise könnten die Bruttogewinnspanne der Automobilhersteller um zwei Prozent drücken", betont auch Konstantin Oldenburger, Marktanalyst CMC Markets.
Metall-Inflation macht Elektroautos teurer
Insgesamt dürfte die Metall-Inflation den Durchschnittspreis eines Elektroautos im Jahr 2022 um etwa 1800 Euro erhöhen, so Marktexperte Oldenburger. Denn es ist ja nicht nur Nickel, das sich im Jahresverlauf so massiv verteuert hat. Auch andere für die E-Auto-Produktion dringend benötigte Rohstoffe verzeichneten deutliche Preisaufschläge.
So sind etwa die Preise für Lithium um rund 75 Prozent gestiegen. Palladium legte etwa 30 Prozent zu. Das Edelmetall steckt in Hybridautos in den Katalysatoren. Russland ist laut Commerzbank-Ökonom Carsten Fritsch der zweitgrößte Palladiumproduzent hinter Südafrika und stellt knapp 40 Prozent der Minenangebots.
Ein Wechsel der Autoindustrie weg von Palladium hin zu Platin, um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, würde übrigens wenig Sinn machen: Russland ist der weltweit zweitgrößte Platin-Produzent.
Neon - der Exportschlager aus der Ukraine
Doch nicht nur von Russland, sondern auch von der Ukraine ist die deutsche Autoindustrie in hohem Maße abhängig. Die Ukraine steht nämlich für 70 Prozent der weltweiten Neon-Exporte. Das Edelgas ist zum Betrieb bestimmter Laser unerlässlich, die bei der Produktion von Halbleitern zum Einsatz kommen.
Die große Bedeutung der Ukraine für den globalen Neon-Markt hat einen historischen Ursprung: Die Sowjetunion habe einst stark in Technologien zum Neon-Abscheidungsprozess investiert, weil man glaubte, dass es für die geplante Produktion von Laserwaffen und Satellitenabwehr benötigt werde, erklärt CMC-Experte Oldenburger.
Die meisten Hersteller von Speicherchips hielten Neon-Bestände für etwa acht Wochen vor. "Ein längerer Krieg könnte diese Vorräte also aufbrauchen und der chiparmen Welt neue Sorgen bereiten."
Chipkrise belastete E-Auto-Branche besonders
Dabei trifft die Chipkrise die Elektroauto-Produktion bereits heute besonders hart, werden doch in Elektroautos mehr Chips verbaut als in konventionellen Pkw. Einen Vorgeschmack auf das, was der Elektroautoindustrie noch blühen könnte, geben die aktuellen EU-Absatzzahlen.
Im Februar hatte die Absatzdynamik für Elektroautos und Plug-in-Hybride deutlich nachgelassen. "Die Chipkrise hat längst das Elektrosegment erreicht - der Absatz elektrifizierter Neuwagen könnte deutlich höher sein, wenn die Industrie lieferfähig wäre", betont EY-Autoexperte Peter Fuß.
Krim-Annexion ließ Nickel-Preis explodieren
Angesichts der angespannten Rohstoffsituation ist nun spannend, wer am Ende die höheren Kosten tragen wird: die Autobauer in Gestalt niedrigerer Gewinne - oder die Käufer in Form höherer Preise.
Ein Blick in die Geschichte zeigt derweil, dass bei den aktuellen Preissteigerungen am Rohstoffmarkt noch ordentlich Luft nach oben besteht: Als Russland 2014 die Krim annektierte, schossen die Neon-Preise um 600 Prozent in die Höhe.