
Deutscher Aktienindex Hat sich der größere DAX bewährt?
Vor einem Jahr gab die Deutsche Börse zehn neue DAX-Mitglieder bekannt. Wie haben sie sich seitdem geschlagen? Und ist ein größerer Leitindex auch gleichzeitig besser?
Von Antonia Mannweiler, tagesschau.de
Am 3. September 2021 verkündete die Deutsche Börse die Erweiterung des deutschen Leitindex von 30 auf 40 Mitglieder. Wenige Wochen später, am 20. September 2021, erhielten dann zehn neue Unternehmen Einzug in den wichtigsten Index Deutschlands. Dazu zählten der deutsch-französische Flugzeughersteller Airbus, der Online-Händler Zalando, der Sportartikelhersteller Puma, der Chemiehändler Brenntag, der Göttinger Laborzulieferer Sartorius, der Duft- und Aromahersteller Symrise, der Kochboxenversender HelloFresh, die Porsche Automobil Holding, der Medizintechnikhersteller Siemens Healthineers und das Biotech-Unternehmen Qiagen aus Hilden.
Aus dem DAX 30 wurde der DAX 40. Im Gegenzug schrumpfte der MDAX der mittelgroßen Werte von 60 auf 50 Mitglieder. Ziel der Neuerung war es unter anderem, die Breite der deutsche Wirtschaft auch im wichtigen Leitindex besser abzubilden. Stephan Flägel vom Indexanbieter Qontigo sagte damals dazu: "Mit der Erweiterung auf 40 Mitglieder schließen wir die größte DAX-Reform in unserer Geschichte ab und schaffen einen Leitindex, der ein größeres Spektrum des deutschen Kapitalmarkts repräsentieren wird."
DAX jetzt repräsentativer?
Ist das gelungen? Auch der französische Leitindex CAC umfasst 40 Werte; in den USA enthält der Dow-Jones-Index zwar 30 Werte, wichtiger für den amerikanischen Kapitalmarkt ist aber der breiter gestreute S&P-500-Index, der die 500 größten börsennotierten Unternehmen in Amerika beinhaltet. Auch die Leitindizes in Großbritannien und Japan umfassen 100 bis 225 Unternehmen. Damit kann der deutsche Leitindex nicht ganz mithalten - dennoch hat er sich ein Stück breiter aufgestellt. "Ich finde es absolut richtig, dass der DAX sich vergrößert hat", sagt dazu Robert Halver, Chefanlagestratege der Baader Bank. Die größere Auswahl mache den DAX nur interessanter und bilde die deutsche Wirtschaft jetzt einfach mehr ab - auch wenn man darüber streiten könne, ob so mancher Wert in den DAX gehöre, so Halver.
Auch aus Sicht von Chris-Oliver Schickentanz, künftig Chefanlagestratege der Vermögensverwaltung Capitell, bildet der DAX 40 die Vielfalt der deutschen Industriekultur deutlich besser ab als die 30 Werte zuvor. Aufgrund der exportorientierten Wirtschaft sei der DAX aber eher ein Abbild der weltwirtschaftlichen Verfassung als eines der heimischen Wirtschaft. "Für mich war es eine gelungene Evolution", sagt Schickentanz dennoch zur DAX-Erweiterung.
Dominanz von Automobil-, Chemie- und Energiebranche
In der Vergangenheit wurde vor allem die Dominanz der "Old Economy" im DAX kritisiert - also das Gewicht von Automobil-, Chemie- oder Energiebranche im Leitindex. Neben der Deutschen Telekom und dem Software-Riesen SAP waren Digitalkonzerne kaum vertreten. Mit dem Aufstieg vom Online-Händler Zalando und dem Kochboxenversender HelloFresh erhielten zwei Wachstumswerte Einzug in den DAX. Auch der Gesundheitssektor wurde mit den Aufstiegen von Medizintechnikhersteller Siemens Healthineers und dem Biotech Qiagen gestärkt.
Die DAX-Erweiterung auf 40 Werte war jedoch nur ein Teil einer größeren Reform. Ausgelöst wurde sie unter anderem durch den Skandal des früheren DAX-Mitglieds Wirecard. Trotz der Insolvenz des Unternehmen verging einige Zeit, bevor der Titel aus dem deutschen Leitindex flog. Die Kriterien für die Aufnahme in die erste Börsenliga wurden daraufhin verschärft. So wird der wichtige Index zweimal im Jahr - im März sowie im September - überprüft. Um in den DAX aufzusteigen, müssen die Unternehmen in den vergangenen beiden Jahresabschlüssen einen operativen Gewinn vorweisen und ihre Quartals- oder Jahresberichte fristgerecht vorlegen. Zudem fällt der Handelsumsatz als Aufnahmekriterium für den DAX weg - wichtig für den Aufstieg in die erste Börsenliga ist nun vor allem der Börsenwert.
Airbus als Neuling
Auch wenn die neuen Unternehmen den DAX breiter aufgestellt haben, ist ihr Gewicht im gesamten Leitindex überschaubar. Von den zehn Werten, die vergangenes Jahr in den DAX aufgestiegen sind, ist der Aufstieg des Flugzeugherstellers Airbus, gemessen an der Marktkapitalisierung, da am bedeutsamsten gewesen. Mit einem Börsenwert von 79 Milliarden Euro rangiert der Konzern hinter Siemens auf Platz sechs der wertvollsten DAX-Konzerne.
Das Unternehmen sei zum richtigen Zeitpunkt in den DAX gekommen, sagt Schickentanz. Der Konzern habe früh begonnen, treibstoffsparende und umweltfreundliche Flugzeugmodelle in die Palette aufzunehmen. Angesichts der hohen Treibstoffkosten sei das für viele Fluggesellschaften ein entsprechender Faktor. Airbus, so Halver, sei absolut ein Gewinn für den DAX gewesen.
Seit vergangenem September 2021 ging es für den DAX um mehr als 18 Prozent nach unten, was auch dem generell schwierigen Marktumfeld geschuldet ist. Airbus hat sich von den DAX-Neulingen mit einem Minus von 15 Prozent da etwas besser als der Leitindex entwickelt. Abgestraft wurden dagegen vor allem die DAX-Aufsteiger Zalando und HelloFresh. Beide Unternehmen haben seit vergangenem Jahr mehr als 70 Prozent ihres Börsenwertes eingebüßt. Der Ausverkauf von Wachstumswerten, den man seit Dezember 2021 sehe, habe natürlich gerade die jungen und innovativen Geschäftsmodellen mit viel Zukunfts- und Wachstumsphantasie getroffen, sagt Schickentanz. "Von daher waren sie im ersten Jahr dieser DAX-40-Karriere sicherlich nicht die großen Performance-Treiber, sondern eher Belastungsfaktoren für den DAX."
DAX attraktiver im In- und Ausland?
Ist der DAX mit der Erweiterung nun attraktiver für Investoren im In- und Ausland geworden? Schickentanz glaubt das nicht. Man müsse im Hinterkopf behalten, dass in einem global aufgestellten Aktienindex deutsche Aktien gerade einmal drei bis vier Prozent ausmachen. Man müsse zudem mit einem Missverständnis aufräumen: "Die Mitgliedschaft zum DAX heißt nicht, dass deswegen die Aktie besonders aussichtsreich ist." Sie solle lediglich die deutsche Wirtschaft ein Stück weit widerspiegeln. Das bedeute aber eben nicht, dass man deswegen vor Kursverlusten gefeit sei.
Größter Verlierer der DAX-Reform ist aus Sicht vieler Experten der MDAX der mittelgroßen Werte gewesen, der im vergangenen Jahr gleich zehn seiner wertvollsten Unternehmen verloren hat. Die Zusammenstellung im DAX könnte sich demnächst wieder ändern. Am 5. September steht die nächste Überprüfung der DAX-Zusammenstellung an. HelloFresh gilt als Abstiegskandidat; das Energietechnikunternehmen Siemens Energy könnte den Kochboxenversender dann unter Umständen ablösen.