Eine Frau sitzt mit wenigen Habseligkeiten auf den Trümmern kaputter Gebäude in der Türkei. | REUTERS

Erdbeben in der Türkei Die Notlage nach der Katastrophe

Stand: 14.02.2023 14:29 Uhr

Während kaum noch Menschen aus den Trümmern gerettet werden, konzentriert sich die Hilfe in der Türkei nun auf die Versorgung der Überlebenden. Doch Kälte, hygienische Bedingungen und plündernde Banden werden zur Gefahr.

Niedrige Temperaturen, zusammengebrochene Infrastruktur, kein Wohnraum: Gut eine Woche nach der Erdbeben-Katastrophe in der Türkei sind die Zustände vor Ort dramatisch. Mehr als 35.000 Todesopfer wurden mittlerweile geborgen und die Chance, noch Überlebende zu finden, ist verschwindend gering. Viele Hilfsteams beenden deshalb ihre Einsätze vor Ort. Nun geht es um die Versorgung derer, die bis auf ihr Leben alles verloren haben.

Wie die türkische Regierung mitteilt, ist man um die Errichtung von Notunterkünften bemüht. Rund 206.000 Zelte sollen aufgebaut worden sein, etwa 1,2 Millionen Menschen fänden Unterbringung in Studentenwohnheimen. Insgesamt wurden rund 400.000 Überlebende aus den verwüsteten gebieten fortgebracht, in denen das Leben kaum mehr möglich ist.

Kaum mehr Chancen auf Überlebende

Zahlreiche Überlebende sind traumatisiert, zudem wurden viele Familien durch das Erdbeben voneinander getrennt. Vizepräsident Fuat Oktay berichtete von bislang 574 Kindern, die ohne überlebende Eltern aus den Trümmern geborgen wurden. Währenddessen sind ebenso etliche Eltern auf der Suche nach ihren vermissten Kindern. Nach Unicef-Angaben lebten in den vom Erdbeben betroffenen Provinzen insgesamt 4,6 Millionen Kinder.

Menschen sitzen zwischen Trümmern und kaputten Autos. | REUTERS

Die Verbliebenen haben alles verloren. In den Trümmern suchen sie nach Habseligkeiten, Überlebende findet man kaum noch. Bild: REUTERS

Wie durch ein Wunder konnten vereinzelt noch Menschen aus den Trümmern gerettet werden, wie etwa der 18-Jährige Muhammed Cafer Cetin, der nach 199 Stunden unter Jubel von den Hilfskräften befreit wurde. Solche Rettungen werden immer seltener und oft sind die Geborgenen so geschwächt, dass sie an den Folgen der Erschöpfung und ihrer Verletzungen sterben.

In der schwer verwüsteten Provinz Hatay beklagen Angehörige, die Suche nach Überlebenden habe erst vor kurzer Zeit begonnen. Hilfskräfte wären erst Tage nach der Katastrophe eingetroffen, sodass wertvolle Zeit verloren ging. Nun befürchten sie, dass die Suchaktionen völlig eingestellt werden, sobald die internationalen Medien abreisten.

Kritische Hygienebedingungen vor Ort

Mit der schwindenden Aussicht, Überlebende zu finden, haben viele der internationalen Rettungskräfte ihre Rückreise begonnen. Nach Angabe der Vereinten Nationen konzentriere sich die Hilfe nun auf die Versorgung vor Ort. Unterkünfte, Nahrungsmittel und besonders psychologische Betreuung würden dringend benötigt.

Die Menschen sind in den zerstörten Städten mit schwierigen Bedingungen konfrontiert: Viele müssen ohne Obdach bei Minusgraden im Freien schlafen. Die Wasserversorgung ist zusammengebrochen, es gibt nur eingeschränkt Strom und unbeständigen Mobilfunk. Außerdem verschlechtern sich die hygienischen Bedingungen zusehends, da es weitestgehend keine sanitären Einrichtungen gibt. Das Türkische Gesundheitsministerium teilte mit, Wasserproben von Dutzenden Stellen seien mit Keimen belastet.

Plünderungen und Gewalt im Krisengebiet

Während sich viele Verbliebene solidarisch zu helfen versuchen, gibt es auch immer mehr berichte von Plünderungen und Gewalt in den Katastrophenregionen. Es käme öfter zu tumultartigen Szenen, stellenweise wird von Entführungen gesprochen. Wie die Zeitung "Hürriyet" meldete, hätte die türkische Polizei Banden festgenommen, die per Lastwagen in die Erdbebengebiete reisten, um Wohnhäuser zu plündern.

Für Präsident Recep Tayyip Erdogan bedeuten die Ausschreitungen zusätzlichen Druck. Seine Regierung steht bereits in der Kritik, Wohnhäuser und Infrastrukturen nicht nach erdbebensicheren Standards errichtet zu haben. In der Bevölkerung verfestigt sich zunehmend der Eindruck, dass die Regierung die angespannte Lage nicht unter Kontrolle bekommt. Erdogan selbst hatte einen raschen Wiederaufbau angekündigt. Innerhalb eines Jahres sollten alle Trümmer in den zehn betroffenen Provinzen beseitigt und die Häuser wiederaufgebaut sein.

Über dieses Thema berichteten am 14. Februar 2023 tagesschau24 um 11:36 Uhr und die tagesschau um 12:00 Uhr.