
Konflikt mit Belarus Polen erwägt Grenzschließungen
Im Konflikt um unerlaubte Einreisen aus Belarus erwägt Polen nun, reguläre Grenzübergänge zu schließen. Die Regierung hofft, die belarusische Führung damit wirtschaftlich unter Druck setzen zu können.
Ungeachtet der angespannten Lage an der polnisch-belarusischen Grenze gibt es nach wie vor einen regen Warenverkehr über die regulären Grenzübergänge, von denen die polnische Seite bislang nur einen geschlossen hat. Durch das Land laufen wichtige Verkehrsachsen für Warenströme sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene.
Belarus-Experten weisen darauf hin, dass eine Grenzschließung den Minsker Machthaber vielleicht härter treffen würde als alle anderen Sanktionen - aber auch einen Schlag für die Warenströme und die Transportindustrie in Polen und Europa selbst bedeuten würde. Wohl auch deswegen hatten verantwortliche Politiker in Polen bis zuletzt erklärt, in dieser Frage mit Bedacht vorgehen zu wollen.
Jetzt aber sagte Regierungschef Mateusz Morawiecki: "Wenn Lukaschenko seinen Druck nicht verringert, seine Erpressungsversuche nicht einstellt und Menschen weiter als lebendige Schutzschilde einsetzt in einem neuartigen Hybridkrieg, werden wir weitere Grenzübergänge schließen müssen". Dies werde, so Morawiecki, automatisch zu einer Art von Wirtschaftssanktionen führen. "Denn die Möglichkeit für Firmen aus Belarus, mit polnischen Firmen zusammen aktiv zu werden, verringert sich damit automatisch."
Opposition verlangt Zugang für Medien
In Warschau hatte sich am Vortag der Sejm zu einer Sondersitzung versammelt. Im Parlament erhoben sich in seltener Einmütigkeit Vertreter aller Parteien zur Unterstützung der Grenzsoldaten, die im Osten von Tausenden regulären Soldaten unterstützt werden.
Die Regierung rief in der Krise zur nationalen Einheit auf, gleichwohl gibt es Meinungsverschiedenheiten: Die Opposition verlangt Zutritt für Medien und Hilfsorganisationen in den abgeriegelten Grenzstreifen und die Inanspruchnahme internationaler Hilfe etwa über die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Dies lehnt die polnische Regierung nach wie vor ab; man habe entscheiden, die Grenze mit eigenen Kräften zu bewachen.
Treffen mit EU-Ratschef Michel
Daran änderten offenkundig auch Beratungen von EU-Ratschef Charles Michel mit dem polnischen Premierminister Morawiecki nichts. "Ich habe dem Premierminister erklärt, dass Frontex bereitsteht, um die polnischen Bemühungen zu unterstützen und unsere Solidarität zu zeigen", sagte Michel. "So, wie wir auch vor zwei Jahren unsere Solidarität mit Griechenland demonstriert haben, als es dort große Probleme gab. Und ich denke, es ist möglich, den Gesprächskanal dazu offenzuhalten."
Morawiecki verteidigte auch die Entscheidung seiner Regierung, keine Medienberichterstattung entlang der Grenze zuzulassen: In einem hybriden Krieg, wie ihn Belarus begonnen habe, gehe es auch darum, die öffentliche Meinung im Westen zu beeinflussen. Medienpräsenz und Kameras vor Ort könnten erst zu Provokationen ermutigen, so Morawiecki.
600 versuchte illegale Grenzübertritte
Am Mittwochmorgen hatte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak erklärt, die Nacht an der Grenze sei alles andere als ruhig verlaufen. Insgesamt vermeldeten die Behörden knapp 600 Versuche, die Grenze illegal zu überqueren - das entspricht im Großen und Ganzen den Werten, die seit Wochen täglich gemeldet werden. In zwei Fällen sei es dabei größeren Gruppen gelungen, nach Polen zu kommen.
Mit Sorge vermerken Beobachter, dass dabei zuletzt auch Grenzabschnitte unweit des Urwalds Bialowieza gewählt worden waren. Sich hier zu Fuß durchs Unterholz zu schlagen, gilt Landeskundlern als besonders riskant - inklusive der Gefahr, sich im Naturpark heillos zu verirren.