Die britische und die EU-Flagge wehen vor dem britischen Parlament.
Hintergrund

EU-Austritt Großbritanniens Das sind die Brexit-Szenarien

Stand: 07.10.2019 13:01 Uhr

In dieser Woche soll die Entscheidung fallen, ob ein Brexit-Deal möglich ist. Eine Fristverlängerung könnte Mitte des Monats auf dem EU-Gipfel vereinbart werden. Mehrere Szenarien sind denkbar.

Szenario 1: Einigung auf ein Abkommen

Der britische Premierminister Boris Johnson könnte versuchen, bis zum 31. Oktober eine Einigung mit der EU zu erzielen. Knackpunkt ist die Auffanglösung für die britische Provinz Nordirland, die nach dem Brexit Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Irland verhindern soll.

Johnson besteht darauf, dass die Auffanglösung gestrichen wird. Stattdessen soll Nordirland nach dem Brexit in einer Zollunion mit Großbritannien bleiben. Kontrollen im Warenhandel mit Irland sollen aber nicht an der Grenze, sondern nur "dezentralisiert" über Online-Formulare und Überprüfungen auf Firmengeländen und entlang der Lieferkette erfolgen.

Die EU machte deutlich, dass die britische Regierung dringend ihre Vorschläge nachbessern muss. Johnson dagegen erklärte, es sei an der EU, zu "springen", um Großbritannien entgegenzukommen.

Szenario 2: Weitere Brexit-Verschiebung

Angesichts der unklaren innenpolitischen Lage könnte London eine erneute Verschiebung des derzeit für den 31. Oktober geplanten Brexit beantragen.

Anfang September verabschiedete das britische Unterhaus ein Gesetz, das den Premierminister zwingt, den Brexit um drei Monate zu verschieben, falls es bis zum 19. Oktober nicht zu einer Einigung mit Brüssel kommt. Johnson schloss das jedoch aus. Er würde lieber "tot im Graben liegen" als den Brexit zum dritten Mal zu verschieben.

Möglicherweise würde er sich aber doch an das Gesetz halten. Die britische Nachrichtenagentur PA meldete, aus einem Dokument, das einem Gericht in Schottland vorgelegt wurde, ginge hervor, dass Johnson doch eine Verlängerung der Brexit-Frist beantragen werde, sollte kein Deal mit der EU zustande kommen. Eine Bestätigung für diese Meldung gibt es jedoch nicht.

Einer Verschiebung müssten auf EU-Seite die Staats- und Regierungschefs der anderen 27 Mitgliedsstaaten einstimmig zustimmen. In Großbritannien wird spekuliert, London könnte eine Ablehnung des Antrags durch die EU provozieren, beispielsweise mit der Drohung, Entscheidungen in Brüssel künftig zu blockieren. Wie der "Telegraph" berichtete, soll Johnson auch die Möglichkeiten eines Vetos durch Ungarn ausloten. Drei britische Minister hätten sich deshalb mit Ungarns Außenminister Peter Szijjarto getroffen, schrieb das Blatt.

Szenario 3: Brexit ohne Abkommen

Bei einem No-Deal-Brexit würde die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens im Binnenmarkt und in der Zollunion Ende Oktober schlagartig enden. Die Wiedereinführung von Zoll- und Personenkontrollen hätte weitreichende Folgen für die Bürger und unabsehbare Konsequenzen für die Wirtschaft.

Johnson erklärte stets, er werde sein Land am 31. Oktober aus der Staatengemeinschaft führen, "komme, was wolle".

Szenario 4: Rücknahme des Austrittsantrags

Für London besteht bis zum Austrittsdatum jederzeit die Möglichkeit, den Brexit-Antrag ohne Zustimmung der EU einseitig zurückzunehmen. Die oppositionelle Labour-Partei hat im Falle eines Sieges bei einer möglichen Neuwahl ein zweites Referendum mit einer Option zum Verbleib in der EU versprochen.

Szenario 5: Johnson tritt zurück

Falls Johnson sein Amt niederlegt, käme zunächst Königin Elizabeth II. ins Spiel. Sie könnte den Auftrag für eine neue Regierungsbildung vergeben. Die Frage ist, an wen. Johnsons Konservative haben zwar keine Mehrheit mehr im Unterhaus, trotzdem sind sie weiter stärkste Fraktion. Sollte sich die Opposition jedoch mit vereinten Kräften auf Labour-Chef Corbyn oder einen anderen Kandidaten einigen, könnte es einen Regierungswechsel geben. Johnson müsste dann darauf setzen, dass es bald zur Neuwahl kommt.

Queen Elizabeth II empfängt Boris Johnson

Bei einem Rücktritt Johnsons liegt es an der Queen, wie es weitergeht. Die Königin könnte den Premier auch entlassen. Das gab es jedoch seit fast 200 Jahren nicht mehr.

Einen Rücktritt schließt Johnson bislang aus. Sofern nicht die Polizei mit einem Haftbefehl vor der Tür stehe, werde er die Downing Street nicht verlassen, zitierte die "Sunday Times" Kabinettsmitglieder. Und dass ihn die Queen entlasse, sei unwahrscheinlich. Das letzte Mal, dass ein Monarch einen Premier feuerte, war laut der Zeitung im Jahr 1834.

Szenario 6: Vorgezogene Parlamentswahl

Johnson wünscht sich angesichts guter Umfragewerte eine schnelle Neuwahl. Die oppositionelle Labour-Partei will dem aber nur zustimmen, wenn ein chaotischer Brexit ohne Abkommen klar ausgeschlossen wird. Dies lehnt Johnson ab. Selbst durch einen Rücktritt könnte Johnson Neuwahlen nicht direkt selbst erzwingen - er braucht dafür die Unterstützung von zwei Dritteln des Unterhauses.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. Oktober 2019 um 06:46 Uhr.