
Nach Ungarns Ankündigung Auch Polen will EU-Etat blockieren
Stand: 13.11.2020 07:10 Uhr
Der EU droht mitten in der Corona-Krise eine neue Zerreißprobe: Nach Ungarn hat nun auch Polen angekündigt, nicht für den geplanten EU-Haushalt zu stimmen. Hintergrund ist der schwelende Streit um den Rechtsstaatsmechanismus.
Nach Ungarn hat auch Polen wegen des geplanten Rechtsstaatsmechanismus mit einem Veto gegen den EU-Haushalt gedroht. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erklärte auf Facebook, er habe in den vergangenen Tagen einen Brief an führende Vertreter der Europäischen Union geschrieben, in der er "unsere Perspektive auf die mit dem EU-Haushalt verbundenen Bedingungen dargestellt" habe.
Der Rechtsstaatsmechanismus basiere auf "willkürlichen, politisch motivierten Kriterien", erklärte Morawiecki auf Facebook. Diesen zu respektieren, könne zu einer "Legitimierung der Anwendung von doppelten Standards" bei der Behandlung unterschiedlicher EU-Mitglieder führen.
Italien würde es hart treffen
Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten im Juli einen Finanzrahmen von gut einer Billion Euro für die Jahre 2021 bis 2027 beschlossen. Außerdem vereinbarte der damalige Gipfel einen 750 Milliarden Euro schweren Fonds für Wiederaufbauhilfen nach der Corona-Krise. Sollte die Regierungen in Budapest und Warschau ihren Worten Taten folgen lassen, könnten die geplanten EU-Corona-Hilfen nicht wie vorgesehen auf den Weg gebracht werden. Dies wiederum könnte für Länder wie Italien schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben.
Kürzungen bei Verstößen
Ungarn und Polen wehren sich mit ihrer Ansage gegen den vergangene Woche separat beschlossenen Mechanismus, der die Vergabe von Haushaltsmitteln an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit knüpft. Sie könnten in Zukunft bei Verstößen gekürzt oder gestrichen werden.
Das Instrument soll zwar nur dann zum Einsatz kommen können, wenn ein Missbrauch von EU-Mitteln droht. Dies könnte aber schon der Fall sein, wenn eine mangelnde Unabhängigkeit von Gerichten begründete Bedenken weckt, dass Entscheidungen über die Verteilung von EU-Mitteln nicht mehr unabhängig kontrolliert werden können.
Einflussnahme auf die Justiz
Polen und Ungarn stehen seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen in der EU am Pranger. Vor allem den Regierungen in Ungarn und Polen wurde zuletzt immer wieder vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz auszubauen. Die EU-Kommission kritisiert die ungarische Regierung zudem für eine systematische Behinderung und Einschüchterung unabhängiger Medien sowie Mängel bei der Korruptionsbekämpfung.
Alle Versuche, die Verantwortlichen mit politischen Mitteln zu einem Kurswechsel zu bewegen, blieben bislang aber erfolglos. Die Kritik wird aus Warschau und Budapest kategorisch zurückgewiesen.
Aus dem Archiv
Weitere Meldungen aus dem Archiv vom 13.11.2020 und vom 12.11.2020
- Alle Meldungen vom 13.11.2020 zeigen
- Alle Meldungen vom 12.11.2020 zeigen