
Proteste gegen Bouteflika Hunderte Festnahmen in Algerien
Stand: 08.03.2019 22:58 Uhr
In Algerien sind den dritten Freitag in Folge Zehntausende Menschen gegen Staatschef Bouteflika auf die Straße gegangen. Die Behörden melden fast 200 Festnahmen, weil es Ausschreitungen gegeben habe.
Trotz eines starken Sicherheitsaufgebots haben in Algerien erneut Zehntausende Menschen gegen Präsident Abdelaziz Bouteflika demonstriert. In der Hauptstadt Algier zogen sie zu zentralen Straßen und Plätzen. Sie verlangten, dass der altersschwache Staatschef auf seine Kandidatur bei der Präsidentenwahl im April verzichtet.
In Sprechchören forderten die Demonstranten zudem den "Sturz des Regimes" und einen Generalstreik, falls die Regierung nicht nachgibt. Nach Einschätzung von Beobachtern handelte es sich um die bislang größten Demonstrationen seit Beginn der Protestwelle Ende Februar. Kundgebungen gab es auch in zahlreichen anderen Städten wie Oran und Constantine, wie die Nachrichtenwebsite TSA berichtete. Auch in Béjaia in der Region Kabylei sei eine "beeindruckende Menge" zusammengekommen.
Zehntausende protestierten erneut gegen Algeriens Staatschef Bouteflika
tagesschau 20:00 Uhr, 08.03.2019, Stefan Schaaf, ARD Madrid
Sicherheitskräfte verstärkt
Die Generaldirektion für Nationale Sicherheit teilte mit, dass in Algier 195 Personen festgenommen worden seien. Unter die Demonstranten hätten sich Randalierer gemischt, hieß es. Fernsehbilder zeigten, wie die Polizei bei Zusammenstößen Tränengas einsetzte - dabei seien den Behörden zufolge 112 Polizisten verletzt worden.
Getragen werden die Proteste vor allem von Studenten. Die Opposition unterstützt die Demonstrationen. Allerdings traten einem Fernsehbericht zufolge auch mehrere Abgeordnete der Regierungspartei FLN zurück und schlossen sich den Forderungen an.
Algeriens Regierung hatte zuvor die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Am Morgen fuhren Dutzende Mannschaftswagen der Polizei in der Hauptstadt auf. Sicherheitskräfte versuchten mit Menschenketten, Straßen abzusperren. Am Himmel waren Hubschrauber zu sehen. Metro und Straßenbahnen stellten ihren Verkehr ein, so dass sich die Demonstranten zu Fuß auf den Weg machen mussten.
Bouteflika kandidiert erneut
Bouteflika regiert das Land seit 1999, ist aber seit einem Schlaganfall vor sechs Jahren kaum noch in der Öffentlichkeit zu sehen. Derzeit wird er nach Regierungsangaben in der Schweiz behandelt.
Das wirft die Frage auf, ob Bouteflika das Land wirklich noch regiert oder ob eine Clique mächtiger Berater und Generäle die Führung übernommen hat.
Trotzdem kandidiert der 82-Jährige bei der Wahl am 18. April für eine fünfte Amtszeit, hatte aber angesichts der Demonstrationen angekündigt, dann nur noch eine begrenzte Zeit im Amt bleiben zu wollen. Bouteflika selbst hatte gestern in einer schriftlichen Botschaft gewarnt, die Proteste könnten in Chaos enden. Versuche, die friedlichen Märsche zu unterwandern, könnten zum Aufruhr führen.
Freitagsprotest in Algerien: Mehr Teilnehmer als zuvor
Stefan Ehlert, ARD Rabat
08.03.2019 17:00 Uhr
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