
Traditionsgericht in Japan Aal gegen Hitze und Corona
Stand: 21.07.2020 10:37 Uhr
Weil er die Fitness stärken und Gesundheit stählen soll, essen die Menschen in Tokio an heißen Sommertagen Aal. Normalerweise ist der sehr teuer, doch dieses Jahr ist das etwas anders.
Von Kathrin Erdmann, ARD-Studio Tokio
Ein süßlicher Grillgeruch liegt in der kleinen Einkaufsstraße im Tokioter Innenstadtbezirk Meguro. Dort haben Kiyoshi Matsumoto und seine Leute mächtig zu tun. Die ganze Straße herunter stehen Menschen an, um Unagi, Aal zu kaufen. Der Fischhändler erklärt: "Der Aal wird auseinandergeschnitten, aufgespießt, dann über Kohle gegrillt, gedünstet und nochmal mit Sauce gegrillt."
Was die Sauce enthält, bleibt sein Geheimnis, auf jeden Fall ist Soja dabei. Auf jeden Spieß kommt ein Aal, bis zu 1500 gehen heute über die Theke. Ein gutes Geschäft, denn jeder Aal kostet 2600 Yen, das sind 21 Euro. Dieses Jahr sei der Fisch zudem besonders zart mit wenig Gräten, freut sich Matsumoto.
Menschen glauben an positive Eigenschaften
Traditionell wird der Aal am Tag des Ochsen gegessen, eingeführt von dem Gelehrten und Erfinder Gennai im 18. Jahrhundert.
"Ganz früher aß man keinen Aal im Sommer", erklärt Matsumoto. "Um den Verkauf anzukurbeln, sprach man ihm positive Eigenschaften zu, und die Menschen glaubten daran. Seitdem gibt es diese Tradition. "
Der Fisch, so hieß es, sei genau das Richtige in der japanischen Sommerhitze, helfe unter anderem gegen Müdigkeit, glaubt eine Kundin: "Wenn ich Aal esse, fühle ich mich danach richtig fit, er ist so nahrhaft, deshalb mag ich ihn."
Weil er so teuer ist, gönnt sie ihn sich jedoch nur selten. Dabei hat sie dieses Jahr Glück: Allein in Japan wurden zuletzt 17 Tonnen gefangen, fünfmal so viel wie ein Jahr zuvor - warum es dieses Jahr so viele gibt, weiß keiner.
Vermutlich werden viele Aale geschmuggelt
Eine Rentnerin setzt darauf, dass eine schöne Aalmahlzeit ihre Abwehrkräfte stärke - deshalb komme sie sogar häufiger: "Ich komme einmal im Monat hierher und heute ist der Tag des Ochsen, da weiß ich, dass ich lange warten muss, aber der Fisch ist gut, um den Sommer und natürlich Corona zu überstehen."
Woher der Aal kommen könnte, davon hat die Rentnerin eine fast romantische Vorstellung: "Aus sauberer Natur und sauberen Wasser."
Tatsächlich wird nur ein Teil des japanischen Aals im Land gezüchtet. Der Großteil wird importiert - und zwar interessanterweise aus Hongkong, obwohl die ihn gar nicht fischen. Vermutet wird, dass er von dort im großen Stil aus Taiwan geschmuggelt wird; die Insel verbietet den Export junger Aale seit langem.
Japan setzt sich für nachhaltige Züchtung ein
Das Washingtoner Artenschutzabkommen stuft den japanische Aal als nicht gefährdet ein. Die Internationale Union für Naturschutz setzte den Fisch hingegen auf die Rote Liste. Ein Kunde hat von letzterem gehört: "Ich bin mir dessen bewusst, deshalb versuche ich kontrolliert Aal zu essen. Früher, als es noch viel mehr gab, habe ich mehr gegessen. Da war er auch billiger."
Immerhin setzt sich Japan mit seinen Nachbarländern seit einigen Jahren für eine nachhaltigere Züchtung ein. In dem kleinen Wasserbecken jedenfalls gleiten die silbergrauen Aale noch ganz munter aneinander vorbei, bevor sie auf den Grill kommen.
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version hatten wir den japanischen Aal als vom Aussterben bedrohte Tierart bezeichnet. Das ist nicht richtig. Wir haben den Fehler korrigiert. Ob er gefährdet ist, ist umstritten: Laut dem Washingtoner Artenschutzabkommen CITES ist der japanische Aal nicht gefährdet. Die Naturschutzorganisation IUCN stuft ihn hingegen als "gefährdet" ein.
Aaltag in Japan: Gegen Müdigkeit im Sommer
Kathrin Erdmann, ARD Tokio
21.07.2020 09:16 Uhr
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