Ein Grafitto zeigt ein durchgestrichenes Bitcoin-Zeichen

El Salvador Die Bitcoin-Seifenblase

Stand: 03.01.2023 08:18 Uhr

Wer in den Bitcoin investiert, hat 2022 einiges Geld verloren. Ärgerlich. Aber was, wenn wie in El Salvador eine Regierung auf die Kryptowährung setzt? Dort ist der Bitcoin seit Herbst 2021 nationale Währung.

Noch liegt der Hang des Conchagua-Vulkans ruhig und sonnenbeschienen da. Doch dieser Vulkan soll das kleine El Salvador revolutionieren. An seinem Fuß soll "Bitcoin-City" entstehen, eine futuristische Stadt, in der Bitcoin mit der Energie des Vulkans geschürft wird. So sieht zumindest die Vision von Präsident Nayib Bukele aus.

Viele Menschen ohne eigenes Konto

Noch scheint das allerdings ein ferner Traum, der im September 2021 begann: El Salvador führte als erstes Land der Welt den Bitcoin - neben dem US-Dollar - als offizielles Zahlungsmittel ein. Bisher war das kleine Land in Mittelamerika für seine brutalen Jugendgangs bekannt, für Armut, fehlende Perspektiven und für Rekordzahlen von Auswanderern. Nun zeigte sich der 40-jährige Präsident überzeugt, dass der Bitcoin Jobs schaffen werde, Investoren anlocke und Tausende ins Finanzsystem integriere, die bisher ausgeschlossen waren.

Tatsächlich hat ein Großteil der Menschen in El Salvador kein Konto, weil Banken ihnen schlicht keines geben. Viele arbeiten ohne Vertrag und Absicherung. Die staatliche Chivo-Wallet für Bitcoin-Geschäfte ermöglicht ihnen nun, digital Geld zu schicken und zu empfangen. Unternehmen, die das technisch können, müssen zudem per Gesetz Bitcoin annehmen. Klingt erstmal gut, wäre da nicht ein Problem: Der Bitcoin ist extrem volatil. Und kaum einer in El Salvador kann es sich leisten, Geld zu verlieren. Doch genau das ist passiert.

"Ein großer Betrug"

El Zonte, ein Surferstrand nahe der Hauptstadt, gilt eigentlich als Vorzeigeprojekt der Regierung, weil die Menschen dort als erste die Kryptowährung nutzten. Eine anonyme Bitcoin-Spende an ein Sozialprojekt vor Ort gab den Anstoß dazu. Seitdem treffen sich hier öfter Krypto-Fans aus aller Welt.

Doch bei den Dorfbewohnern ist die Skepsis spürbar. Die Chivo-Wallet habe sie schon runtergeladen, erzählt etwa Dora Guerrero, die ein kleines Restaurant betreibt. Doch von ihren 500 gesparten US-Dollar waren plötzlich nur noch 300 übrig. "Ein großer Betrug", sagt sie. Wer nicht ständig den Kurs beobachte, seine Bitcoins notfalls schnell in US-Dollar tauscht, der könne viel Geld verlieren.

Ähnliches hört man in der Hauptstadt San Salvador: "Zu unsicher", "wir verstehen die Währung nicht" oder "ich kann nichts sparen." Manche haben auch weder Smartphone noch Daten auf dem Handy.

Mehr als drei Viertel halten Bitcoin für Fehlschlag

Tatsächlich haben Währungsturbulenzen, Bitcoin-Abstürze und die Kritik im Ausland die Euphorie in El Salvador gedämpft. Und so ist die Bilanz für 2022 ziemlich verheerend: 76 Prozent der Menschen in El Salvador sagen, den Bitcoin in dem Jahr nicht genutzt zu haben. 77 Prozent halten die Einführung für einen Fehlschlag - so eine Studie der Universität Zentralamerika in El Salvador (UCA).

"Laut neuesten Umfragen haben acht von zehn Unternehmen noch nie eine Transaktion in Bitcoin erhalten", sagt auch Leonor Selva, Präsidentin des Privatunternehmerverbands in El Salvador. Und Ökonomin Tatiana Marroquin fügt hinzu: "Du zwingst die Bevölkerung mit dem Bitcoin zu einem Spiel um Sieg oder Niederlage."

300 Millionen US-Dollar an Steuern für ein Experiment

Marroquin sitzt vor der Internetseite des so genannten "Nayibtrackers". Freiwillige dokumentieren hier, wie viel Steuergeld der Präsident in Bitcoin investiert hat. Denn immer, wenn Bukele Bitcoins kaufte, twitterte er - bisher zwölf Mal. Die Tweets sind die einzige Informationsquelle, die Ökonomen haben.

Vermutlich hat Bukele also 108 Millionen US-Dollar in Bitcoin investiert. Dazu kommen etwa 200 Millionen US-Dollar Ausgaben, um die Chivo-App zu programmieren und 200 Bitcoin-Automaten aufzustellen. Zusätzlich erhielt jeder, der die App herunterlud, 30 US-Dollar Startguthaben.

Gut 300 Millionen US-Dollar Steuergeld stecken also im Bitcoin-Experiment, rechnet Marroquin vor. Für sie liegt das Problem vor allem in dieser Intransparenz: "Wir wissen nicht, warum Bukele die volatile Währung kauft. Wir wissen nicht, was mit möglichen Gewinnen gemacht werden soll." Zwar seien 300 Millionen US-Dollar nur ein Bruchteil des Staatshaushalts, etwa 30 Prozent des Budgets des Gesundheitsministeriums. "Doch diese Millionen hätte man sinnvoll in die Unterstützung von älteren Menschen und Frauen stecken können", kritisiert Marroquin.

El Salvadors Image hat sich nicht verbessert

Interviewanfragen lässt Präsident Bukele ins Leere laufen, doch die Tourismusministerin Morena Valdez beantwortet Fragen. Die touristischen Unternehmen hätten nach Bitcoin-Einführung 30 Prozent mehr Umsätze gehabt, sagt Valdez. Doch trotz mehrfacher Nachfrage werden die Daten nicht zugänglich gemacht. Die Skepsis der Menschen im Land wischt die Ministerin weg: "Das ist alles ein Lernprozess. Meine Oma hat auch nicht an Sparbücher geglaubt, sondern hatte ihr Geld lieber in bar."

Einen Vergleich, den Ökonominnen so nicht gelten lassen, denn der Bitcoin ist hochspekulativ. Und neue Firmen, sagt Leonor Selva vom Unternehmerverband, habe er auch nicht ins Land gebracht. Zwar hätten sich etwa 50 Unternehmen aus dem Krypto-Milieu angemeldet, doch die Mehrheit schaffe - zumindest kurzfristig - keine Arbeitsplätze für Salvadorianer. "Die bringen erstmal einen Vertreter ins Land, den sie für ein, zwei Jahre hier installieren, und schauen, welche Geschäftsmöglichkeiten es gibt", so Selva.

Und selbst den Versuch, das Image von El Salvador zu verändern, sieht Ökonomin Marroquin als Fehlschlag. "Klar, bisher redete man über Banden-Gewalt im Zusammenhang mit El Salvador", sagt sie, "aber jetzt rufen mich Journalisten an und sagen: 'Hey, der Bitcoin ist gefallen. Wie schlecht geht es deinem Land?'"

Und "Bitcoin-City"? Beobachter halten es für fraglich, dass das Projekt finanziert werden kann. Wenn, dürfte es Jahre dauern, bis am Conchagua-Vulkan Ansätze einer Stadt sichtbar sind.

Anne Demmer, DLF, 07.09.2022 09:14 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 23. Dezember 2022 um 13:43 Uhr.