
Treffen in Madrid NATO beschließt neues strategisches Konzept
Die NATO-Staaten haben ein neues strategisches Konzept beschlossen - darin wird Russland als die "größte Bedrohung" für Sicherheit und Frieden bezeichnet. Zudem wurde das Verfahren zur Aufnahme von Finnland und Schweden offiziell gestartet.
Die Staats- und Regierungschefs der 30 NATO-Staaten haben bei ihrem Gipfeltreffen in Madrid ein neues strategisches Konzept für das Militärbündnis beschlossen. Das bestätigte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach der ersten Arbeitssitzung. In dem Grundlagendokument für politische und militärische Planungen wird Russland als "größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum" bezeichnet, China als Herausforderung.
Stoltenberg sprach von einem "grundlegenden Wandel in unserer Verteidigung und Abschreckung". Man werde Vorneverteidigung wie Luftverteidigung stärken und die Kampftruppen im östlichen Bündnisgebiet ausbauen. Zudem werde man künftig mehr als 300.000 Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft halten. Dazu werde die bisherige schnelle NATO-Eingreiftruppe NRF durch das neue Streitkräfte-Modell ersetzt. Die NRF hat bisher lediglich eine Größe von rund 40.000 Soldaten.
An der Ostflanke sollen nach dem neuen Konzept die existierenden multinationalen NATO-Gefechtsverbände auf Brigade-Niveau ausgebaut werden. Derzeit umfasst etwa der Verband in Litauen 1600 Soldaten. Eine Brigade besteht in der Regel aus etwa 3000 bis 5000 Soldaten. Deutschland hat bereits angekündigt, dass es die Kampftruppen-Brigade in Litauen führen will.
Vorherige Version aus dem Jahr 2010
Das neue strategische Konzept ersetzt die Version aus dem Jahr 2010. Damals hatten die Bündnispartner noch gehofft, dass die Zeit der großen Spannungen mit Russland vorbei sei, und auf eine "echte strategische Partnerschaft" mit dem Land gesetzt. Die NATO betont, dass sie weiterhin willens sei, Kanäle der Kommunikation mit der Regierung in Moskau offenzuhalten, um Risiken einzudämmen, eine Eskalation zu verhindern und die Transparenz zu erhöhen.
Zu China erklärt die NATO, sie bleibe offen für einen konstruktiven Austausch mit der Regierung in Peking. Die Allianz bleibe aber wachsam bezüglich Bemühungen, die NATO zu spalten. Die Ziele und Politik Chinas stelle grundsätzlich eine Herausforderung für die Interessen, die Sicherheit und die Werte des Bündnisses dar.
Aufnahmeverfahren offiziell gestartet
Das Bündnis brachte auch die Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Militärallianz auf den Weg. Die Staats- und Regierungschefs sprachen die offizielle Beitrittseinladung für die beiden Länder aus, wie aus der Gipfelerklärung hervorgeht. Die Türkei hatte zuvor nach wochenlangen Verhandlungen ihren Widerstand gegen die Norderweiterung der Allianz aufgegeben - im Gegenzug für Zugeständnisse der nordischen Länder.
Stoltenberg sagte, die Einigung sei gut für die Türkei, Finnland und Schweden und auch für die NATO. Bis die beiden Länder tatsächlich Mitglieder der Allianz sind, dürfte es jedoch noch einige Monate dauern. Die Beitrittsprotokolle sollen nach derzeitiger Planung am kommenden Dienstag unterzeichnet werden. Danach müssen diese noch von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden.
"So lange auf uns zählen, wie es nötig ist"
Der Ukraine sagte die NATO weitere Unterstützung bei der Verteidigung gegen die russische Invasion zu. Die 30 Mitgliedstaaten hätten ein umfassendes Paket vereinbart, erklärte Stoltenberg. Dazu gehörten sichere Kommunikationsmittel, Treibstoff, medizinische Versorgung, Schutzwesten und Ausrüstung zur Bekämpfung von Minen sowie chemischen und biologischen Bedrohungen. Auch Hunderte tragbare Drohnenabwehrsysteme seien Teil des Pakets.
"Längerfristig werden wir die Ukraine bei der Umstellung von Ausrüstung aus der Sowjet-Ara auf moderne NATO-Ausrüstung unterstützen", so Stoltenberg. "Die Ukraine kann so lange auf uns zählen, wie es nötig ist. Die Verbündeten werden weiterhin umfangreiche militärische und finanzielle Hilfe leisten."
Stoltenberg erhob schwere Vorwürfe gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Der Krieg von Präsident Putin gegen die Ukraine hat den Frieden in Europa erschüttert und die größte Sicherheitskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst", sagte er. "Die NATO hat mit Stärke und Einigkeit reagiert."