Straßenschilder weisen nach Monterrey und Santa Catarina.
Reportage

"Gigafabrik" in Mexiko geplant Tesla und das knappe Wasser

Stand: 22.03.2023 11:32 Uhr

Im Norden Mexikos will Tesla eine neue "Gigafabrik" errichten. Doch die Region leidet unter extremer Trockenheit, auch bedingt durch den Klimawandel. Lässt sich das Wasserproblem lösen?

Iolanda schraubt den Plastikdeckel ihres Wasserspeichers auf. Den hat sie sich im vergangenen Jahr zugelegt und vor ihrem Haus aufgestellt, als das Wasser rationiert wurde, teilweise tagelang ausblieb - und das mitten im Sommer bei mehr als 40 Grad. Die riesige Tonne hat sie in den vergangenen Monaten nach und nach aufgefüllt, es sei ihre Reserve, 250 Liter. Denn bereits vor einigen Tagen kam wieder mal kein Tropfen aus dem Wasserhahn.

Vorfahrt für die Wirtschaft

"In den Nachrichten habe ich gehört, dass die neue Tesla-Fabrik nur genehmigt wird, wenn das Wasser für die Bevölkerung garantiert ist. Und jetzt geht es schon wieder los", sagt sie. "Am letzten Wochenende gab es an keinem Tag Wasser. Sie sagen, dass irgendwas kaputt gegangen ist, irgendein Rohr oder sonstwas. Ausreden halt. Und dann gibt es plötzlich kein Wasser mehr."

Iolanda ist verärgert. Während sie und ihre Familie im vergangenen Jahr über Monate immer wieder auf dem Trockenen saßen, weder waschen, die Toilette regelmäßig spülen noch duschen konnten, haben die Unternehmen weiter produziert, weil sie über die entsprechenden Konzessionen und die Infrastruktur verfügten. Iolandas Nachbarschaft stand hingegen Schlange, wenn der Wassertanker kam.

Iolanda steht neben einem Wasserspeicher.

Iolanda steht neben dem Wasserspeicher, der ihrer Familie in Zeiten der Trockenheit helfen soll.

"Die Leute waren verzweifelt"

"Die Leute waren verzweifelt, sie haben sich förmlich um Wasser gestritten. 'Ich will zuerst' haben sie geschrien. Und dann gab es wenig später keines mehr, der Tankwagen war dann schon wieder leer", sagt die 40-Jährige, die mit ihrem Mann und zwei Töchtern in der Gemeinde García wohnt - rund 25 Kilometer von dem Gelände entfernt, wo die neue "Gigafabrik" von Tesla entstehen soll. Es ist eine trockene, karge Region, es regnet kaum.

Das Viertel ist eintönig: Kleine Häuserblöcke, die für die umliegenden Industrieparks entstanden sind, reihen sich aneinander. In ihrer Nachbarschaft sollen schon bald neue Siedlungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der neuen Tesla-Fabrik und der Dutzenden Zulieferer entstehen. Auch sie und ihre Familien werden Wasser brauchen.

Recyceltes Wasser soll verwendet werden

Der Direktor der Wasserwerke in Monterrey, Juan Ignacio Barragán, winkt ab. Es gebe keinen Grund zur Sorge. Eine Wiederholung der dramatischen Situation vom letzten Jahr werde es nicht geben. Es sei alles eine Frage des Wasser-Managements, der Verwaltung, daran habe es gehapert.

Zudem werde in Technologie und neue Infrastruktur für eine bessere Nutzung investiert und Reserven gebe es auch, verspricht er: "Aber das Wichtigste ist, dass Tesla zum allergrößten Teil aufbereitetes Wasser benutzen wird, und darüber verfügen wir ausreichend. Wir können letztendlich 29 Anlagen in der Größe von Tesla versorgen."

Hinter struppigem, hügeligen Gelände sind Berge zu sehen.

Auf diesem Gelände in Mexikos Bundesstaat Nuevo León soll das Tesla-Werk entstehen.

Barragán lacht zufrieden. Tesla will zur Kühlung seiner Anlage ausschließlich recyceltes Wasser verwenden, auch für die Lackierung von Fahrzeugen, wo der Bedarf an Wasser am größten ist, so der offizielle Plan. Die Autohersteller Kia und Hyundai machen es in Monterrey bereits vor. Auf Interviewanfragen an Teslas Presse-Email kommt mehrfach die automatische Antwort, das Postfach des Empfängers sei voll. Das Interesse der Presse ist offensichtlich groß - zu einem Interview kommt es nicht.

Elon Musk will fünf Milliarden investieren

Das neue Tesla-Werk soll in Santa Catarina entstehen, am Rande der nordmexikanischen Millionenstadt Monterrey, strategisch gut gelegen an der Grenze zu den USA - nur rund sechs Autostunden von Austin entfernt. Nach Schildern, die das Bauprojekt ankündigen, sucht man vergeblich. Das Grundstück soll aber bereits bewacht werden, heißt es, aber auch davon ist nichts zu sehen.

Karte von Mexiko mit Santa Catarina

Im US-Bundesstaat Texas war bereits im Frühjahr vergangenen Jahres eine "Gigafabrik" von Tesla entstanden. Fünf Milliarden Dollar will Elon Musk nun in die neue Anlage in Monterrey investieren. Hier sollen schon bald Tesla-Fahrzeuge der nächsten Generation entstehen.

Attraktiver Wirtschaftsstandort

Monterrey ist für viele transnationale Unternehmen attraktiv - für Firmen, die bisher in China produzieren und angesichts der geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China nach Alternativen suchen. Jesús Francisco López Molina, Sprecher der mexikanischen Kammer für die Verarbeitungsindustrie im mexikanischen Bundesstaat Nuevo León, bekommt täglich Anrufe von Firmen, die sich für den Standort interessieren.

"Abgesehen von der Nähe zu den USA verfügen wir hier über wichtige Voraussetzungen. Es gibt hier eine sehr gute Ausbildung, wir haben hier die renommiertesten Universitäten", sagt López Molina. "Und es gibt bereits Zulieferer, über 15.000 kleine und mittelständische Unternehmen in der Region, die sich auf die Bedürfnisse von Firmen wie Tesla einstellen können. Tesla wird Hunderte Zulieferer benötigen. Und die kann das Unternehmen hier in Nuevo León finden."

In der Wüstenregion wird es noch heißer

Auch die Direktorin der Umweltorganisation Pronatura, Rosario Álvarez Gutiérrez in Monterrey, begrüßt grundsätzlich die Investition und die Arbeitsplätze, die mit der neuen Tesla-Fabrik einhergehen. Allerdings hat sie auch große Bedenken: "Die Stadt wächst immer weiter. Aber die Menge, die wir an Wasser aus den Brunnen und den Bergen zur Verfügung haben, wird nicht mehr. Wir bleiben nun mal eine semi-aride Wüstenregion, und wir befinden uns über einer Senke, die bereits übernutzt ist. Diese Situation wird sich nicht verbessern. Bedingt durch den Klimawandel wird es eher noch trockener und heißer."

Die Industrieparks werden größer, Bagger rollen, heben Baugruben für neue Unternehmen aus. Daran vorbei führen Schnellstraßen, auf denen sich die Busse und Autos zu Stoßzeiten im Schritttempo bewegen. Für die lokale Bevölkerung werde gleichzeitig nichts getan, sagt der Aktivist und Biologe Antonio Hernández. Allein innerhalb der vergangenen Dekade sei die Bevölkerung laut einer Studie im Speckgürtel um 160 Prozent gewachsen. Völlig unkontrolliert, kritisiert Hernández.

"Die Stadt steht vor dem Kollaps"

"Insbesondere die Mobilität ist ein riesiges Problem. Die Stadt steht vor dem Kollaps. Die Menschen verbringen teils drei Stunden in den öffentlichen Verkehrsmitteln", so Hernández. "Es gab nie eine richtige Stadtplanung, die mit der Entstehung von neuen Werken einherging. Und jetzt werden weitere Tausende Häuser für Tesla und die Zulieferer einfach so gebaut."

Er sehe nicht den politischen Willen, an den Lebensbedingungen etwas zu ändern. Der Fokus richte sich auf die Unternehmen, die Gewinne, nicht auf die Menschen, die hier lebten. Auch Iolanda hat große Zweifel: "Ich glaube schon, dass die Sache mit dem Wasser schwierig wird. Auch wenn sie uns sagen, dass es kein Problem ist." Bereits in den nächsten Tagen werde ihr wieder das Wasser abgedreht, prophezeit sie.

Anne Demmer, Anne Demmer, RBB, 22.03.2023 11:16 Uhr