
Sanktionen gegen Russland Warum Oligarchen Italien fürchten müssen
Erfahrungen im Kampf gegen Organisierte Kriminalität helfen Italien auch beim Einfrieren von Vermögen russischer Oligarchen. Eine mächtige Finanzpolizei besitzt weitreichende Rechte.
Der große Coup gelang der italienischen Finanzpolizei, als es schon dunkel war. Ermittler der Guardia di Finanza steigen eine Metalltreppe hoch, sie haben Computertaschen bei sich. Wieder setzen sie eine Luxusjacht fest, dieses Mal im Hafen von Triest. Es ist die größte Segeljacht der Welt, geschätzter Wert: 530 Millionen Euro. Das Luxusschiff gehört dem russischen Oligarchen Andrei Melnitschenko, davon gehen jedenfalls die Beamten aus.
Gesetz aus dem Jahr 2007 hilft
Es ist eine Sisyphusarbeit, herauszufinden, was jemandem gehört, der auf der Sanktionsliste der Europäischen Union steht. Doch dieser Ehrgeiz ist General Giuseppe Zafarana von der Guardia di Finanza ins Gesicht geschrieben: "Da, wo es klar war, haben wir zugeschlagen und tun das noch - wo es nicht so eindeutig ist, müssen wir es herausfinden."
Mit ihren mehr als 60.000 Mitarbeitern darf die Guardia di Finanza, die auf Steuer- und Finanzdelikte spezialisiert ist, vieles tun, was in anderen Ländern nicht möglich ist. 2007 wurde ein Gesetzesdekret zur Verhütung und Bekämpfung der Terrorismus-Finanzierung erlassen. Dies sei ein wichtiger Hebel, um Vermögen einzufrieren, sagt Ivan Cimmarusti von der Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore". "Es wurde mit der Absicht verabschiedet, auf Güter zugreifen zu können, deren Besitzer beschuldigt werden, Terrorismus oder auch allgemein das Organisierte Verbrechen zu finanzieren", so Cimmarusti. "Es ist keine Strafmaßnahme, sondern eine Verwaltungsmaßnahme."
Besitz im Wert von Hunderten Millionen Euro
Eine spezielle Einheit, der Ausschuss für finanzielle Sicherheit, ist für die Kontrolle zuständig. Als eine Verbindungstelle von verschiedenen Ministerien und Behörden hat der Ausschuss weitreichende Befugnisse und kann schnell Maßnahmen auf den Weg bringen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Zentralbank. "Die Banca d'Italia hat die Kreditinstitute aufgefordert, die angewandten Einfrierungsmaßnahmen mitzuteilen und Einzelheiten über die betroffenen Unternehmen sowie den Wert und die Art der Vermögenswerte mitzuteilen", so Ministerpräsident Mario Draghi deutlich.
Eine Villa aus dem 17. Jahrhundert in der Toskana, eine Jacht im Hafen von Sanremo, ein Immobilienkomplex auf Sardinien: Die Vermögen der russischen Oligarchen, die auf der Sanktionsliste stehen, sind über ganz Italien verteilt und belaufen sich auf Hunderte Millionen. Diese Dimension sei neu, so Finanzjournalist Cimmarusti. Bisher sei es vor allem um Girokonten oder kleine und mittlere Unternehmen gegangen. Doch die Erfahrung im Kampf gegen organisierte Kriminalität hilft nun.
Seit Jahrzehnten spezialisiert auf Geldwäsche-Kontrolle
"Seit den 1980er-Jahren haben wir mit dem Staatsanwalt Falcone gelernt, dass man das organisierte Verbrechen nicht nur mit Verhaftungen bekämpft, sondern dass man es vor allen Dingen bekämpft, wenn man auf sein Vermögen zugreift", sagt Cimmarusti. "Deshalb hat der italienische Staat sehr fortschrittliche Gesetze zur Geldwäsche und zu finanziellen Überprüfungen erlassen. So haben wir eine Geldwäsche-Behörde, die Finanzströme rekonstruieren kann."
Gerade im Hinblick auf Offshore-Unternehmen können die Behörden schon seit Jahrzehnten Vermögen überprüfen und damit die Eigentümer ermitteln. "Wenn man nachweist, dass es zwischen einem Italiener und einer Firma, die ihren Sitz in einem Steuerparadies hat, eine Verbindung gibt, dann muss dieser Italiener seine Steuern in Italien bezahlen", so Cimmarusti. "Dadurch hat die Finanzpolizei in Italien eine Macht zu ermitteln, die wahrscheinlich kaum jemand in Europa hat." Die Segeljacht mit dem Namen "A" im Hafen von Triest bleibt vorerst festgesetzt. An sich waren Wartungsarbeiten geplant.