
Videokonferenzen Quantentechnik soll sicherer verschlüsseln
Nicht einmal das Kanzlerinnen-Handy ist abhörsicher - doch das soll sich ändern, und zwar mithilfe von quantengesicherten Verbindungen. Die erste so verschlüsselte Videokonferenz fand heute in Bonn statt.
Die großen Transportkisten, viele Linsen und Laser machen deutlich: In diesem Ministerium geht es um Forschung. Ministerin Anja Karliczek drückt einen roten Knopf. "Ah, das sieht doch gut aus", kommentiert die CDU-Politikerin das Geschehen. "Schönen guten Morgen! Ich hoffe, Sie können mich auch schon hören? Ich weiß gar nicht: Muss ich ins Mikrofon sprechen, damit Sie mich hören?" - "Wir hören Sie laut und deutlich und sehen Sie auch - perfekt!", lautet die etwas blecherne Antwort.
Ziel ist "vertrauenswürdigster Datenraum der Welt"
Das, was durch den Knopfdruck der Ministerin passiert, ist für die Zuschauer unspektakulär: Man sieht eine ganz normale Videokonferenz. Auf der anderen Seite der Leitung, 300 Meter Luftlinie vom Bonner Ministerium, sitzen im Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik deren Vizepräsident, ein Vertreter des Bundesinnenministeriums und der Technologiechef des Deutschen Industrieverbundes für die Quantensicherheit. Die drei Männer klingen hallig, aber Karliczek ist sichtlich begeistert - obwohl der Aufbau neben ihr sehr kompliziert aussieht: "Ich verstehe nicht wirklich, wie das alles funktioniert", gesteht sie ein.
Die erste durch sogenannte Quantenverschlüsselung gesicherte Verbindung hat für die Forschungsministerin hohe Priorität. Zum einen, weil Cyberattacken die Behörden in Deutschland genauso gefährden wie die Industrie; zum anderen, weil die Kommunikation der demokratischen Institutionen nicht von außen beeinflusst werden darf. "Ich möchte, dass wir damit die Möglichkeit haben, Deutschland und Europa als den vertrauenswürdigsten Datenraum der Welt zu organisieren", formuliert Karliczek das politische Ziel dahinter.
Ausgereift frühestens in fünf Jahren
Vor zwei Jahren hat sie die Initiative QuNET aus der Taufe gehoben, ein Verbund der wichtigsten Forschungsinstitutionen wie das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik, der Max-Planck-Gesellschaft, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und spezialisierten Industrieunternehmen. Die quantengesicherte Videokonferenz heute ist das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit. "Und über diese Quantenkanäle werden Quantenschlüssel ausgetauscht, die nicht unbemerkt abgefangen werden können", erklärt Karliczek. "Mithilfe dieser geheimen Schlüssel werden wir gleich testweise eine erste quantengesicherte Videokonferenz zwischen zwei Bundesbehörden durchführen." Das sei "wirklich eine Revolution in der Kommunikation".
An der Videokonferenz ist zwar nichts Neues - wohl aber an der Verschlüsselung, mit der sie übertragen wird. Heute werden private ebenso wie Behörden-Videokonferenzen mit mathematischen Verfahren verschlüsselt. Die werden von großen Rechnern allerdings bald geknackt werden können. Bei dem neu entwickelten Verfahren werden sogenannte Quantenschlüssel genutzt, die mit Laserstrahlen erzeugt und über Sichtstrecken oder Glasfaser übertragen werden. Wer abhört, zerstört den Schlüssel - das ist ein Gesetz der Quantenphysik. Professor Martin Schell vom Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut sagt: "Die Technologie zum Quantenschlüssel-Austausch, die Sie soeben im Video gesehen haben, nimmt heute noch ganze Labore ein. In Zukunft muss sie aber von der Größe her in ein oder zwei Schuhkartons passen." Bevor also Bonner wie Berliner Ministerien mit der neuen Verschlüsselung kommunizieren können, wird noch eine Weile vergehen; mit einer "gewissen Reife" rechne man in fünf Jahren.