Chinesischer Unternehmer Wo steckt eigentlich Jack Ma?
Im Oktober kritisierte Jack Ma das chinesische Wirtschaftssystem. Seither ist der Unternehmer und Alibaba-Gründer nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Möglicherweise hat er die Gunst der Staatsführung verspielt.
Es war am 24. Oktober vergangenen Jahres, da fiel Jack Ma plötzlich aus der Rolle. Der sonst so Peking-treue Unternehmer und zweitreichste Mann Chinas kritisierte die Regulierungsbehörden des Riesenreichs, und zwar mit ungewöhnlich scharfen Worten. "Gute Innovation hat keine Angst vor Regulierung, aber sie hat Angst vor veralteten Vorschriften", so wurde Ma zitiert. Die Zukunft dürfe nicht "mit Methoden von gestern" reguliert werden.
Das saß - und die Kommunistische Partei sah sich offenbar gezwungen zu handeln. Der Börsengang der Fintech-Tochter von Alibaba, Ant, der mit einem Volumen von umgerechnet knapp 30 Milliarden Euro der größte der Welt hätte werden sollen, wurde wenig später abgesagt; das "Wall Street Journal" berichtete, Staatschef Xi Jinping persönlich habe die Reißleine gezogen und den Börsengang verhindert.
Zhang springt in die Bresche
Kein Wort, kein Tweet dazu von Ma - bis heute nicht. Stattdessen sah sich Alibaba-Chef Daniel Zhang genötigt, die Scharte auszuwetzen, die Ma verursacht hatte. Wenige Tage nach dem abgesagten Börsengang lobte er Chinas Regulierer in den höchsten Tönen. Die vom Staat vorgeschlagenen Richtlinien für die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf Internetunternehmen seien zeitgemäß und notwendig. "Aufsicht ermöglicht den Plattform-Unternehmen nicht nur, sich gut zu entwickeln, sondern hilft auch der nachhaltigen und gesunden Entwicklung der gesamten Gesellschaft und schafft Innovation", sagte Zhang Anfang November - und damit so ziemlich das Gegenteil dessen, was Ma wenige Wochen zuvor konstatiert hatte.
Die Wogen konnte Zhang damit nicht glätten: Ende Dezember leiteten die chinesischen Kartellbehörden Ermittlungen gegen Alibaba ein - wegen mutmaßlicher Monopolvergehen. Und damit nicht genug. Auch die Ant Group bekam die Macht der Behörden zu spüren. Die chinesische Zentralbank forderte Mas Unternehmen auf, sich auf sein Kerngeschäft als Anbieter von Zahlungsdienstleistungen zu besinnen. Zwar ordnete die Zentralbank nicht direkt die Zerschlagung des Konzerns an, an dem Alibaba zu einem Drittel beteiligt ist. Stattdessen erklärte sie, es sei für die Ant Group "notwendig zu verstehen", dass das Geschäft "überarbeitet" werden müsse - und zwar so schnell wie möglich. Ant habe eine zu große Marktmacht, beschädige den Wettbewerb und verletze die Interessen vieler Millionen Konsumenten.
"Die Regierung lieben, aber nicht heiraten"
Doch wo steckt nun eigentlich Jack Ma? Er hat sich seit seiner offenbar unliebsamen Rede komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. In einer Fernsehshow - einem Casting für Nachwuchsunternehmer, in dem er als Jurymitglied auftrat - wurde er ersetzt. Eine Sprecherin nannte Probleme bei der Terminfindung als Grund und verweigerte ansonsten jeden weiteren Kommentar.
Insider vermuten, Mas Verschwinden sei halb selbst gewählt, halb erzwungen. Von einer "ziemlich einzigartigen Situation" spricht Duncan Clark, Vorsitzender der in Peking ansässigen Beraterfirma BDA China: "Ich denke, man hat ihm gesagt, er solle sich erstmal bedeckt halten."
Dabei hätte die Kommunistische Partei ahnen können, dass ihr Mitglied Ma nicht gewillt sein würde, mit allem und jedem konform zu gehen. Denn schon beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2007 hatte Ma angedeutet, dass er eine gewisse Distanz zur Staatsgewalt bevorzuge. "Meine Philosophie ist, die Regierung zu lieben, aber sie nie zu heiraten", sagte er damals. Ob Ma diese Beziehung wieder kitten kann, steht in den Sternen.