Eine amerikanische Flagge hängt auf der Fassade der New Yorker Börse. Links im Vordergrund der Leuchtschriftzug "USA" auf einem Imbisswagen.
marktbericht

Tech-Aktien im Fokus Wall Street auf Rekordkurs

Stand: 22.01.2024 22:22 Uhr

Der KI-Boom an den US-Börsen ist auch heute weitergegangen. Unter der Führung großer Tech-Schwergewichte markierten die führenden US-Aktienindizes neue Rekordhochs.

"KI", also "künstliche Intelligenz" ist derzeit das Zauberwort an der Wall Street, aber in deren Sog auch in Europa - es steht bei den Investoren als technologische Neuerung für nahezu unendlich viel Gewinnfantasie und überstrahlt sogar die aktuelle Zinsunsicherheit, durchwachsene europäische Konjunkturzahlen sowie die immer schwierigere geostrategische Weltlage.

Anleger griffen erneut vor allem bei Technologiewerten zu, nachdem die jüngsten Ausblicke der Chiphersteller TSMC und Super Micro Computer aus Taiwan die Wetten auf eine steigende Nachfrage nach Produkten Künstlicher Intelligenz (KI) angeheizt hatten.

"Investoren betrachten diese Aktien zunehmend als kugelsicher, denn selbst wenn die Weltwirtschaft an Schwung verliert, wird die Nachfrage nach KI-Produkten weiterhin hoch bleiben und die Unternehmensgewinne vor makroökonomischem Gegenwind schützen", sagte Marios Hadjikyriacos, Investment-Analyst beim Broker XM.

Seit dem Tief Ende Oktober ist der Dow Jones um knapp ein Fünftel gestiegen, der Nasdaq 100 noch etwas mehr, begünstigt allerdings primär durch massive Zinsfantasie, die zuletzt aber abgeflaut war. Zudem erholten sich die US-Märkte aufgrund robuster Wirtschaftsdaten, hieß es von Börsianern.

Somit spielt die KI-Musik derzeit eindeutig an der Wall Street, wo die führenden Unternehmen der Branche gelistet sind und die Aktienindizes immer weiter nach oben auf neue Rekordstände treiben. Dabei waren die prozentualen Veränderungen an sich heute überschaubar, die Indizes hatten aber bereits zuvor neuer Rekordstände markiert, so dass auch moderate Zuwächse sofort für weitere Bestmarken sorgten.

Dabei gingen die Gewinne quer durch alle Indizes. Der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, übersprang erstmals die Marke von 38.000 Punkten und markierte bei 38.109 Zählern im Verlauf ein neues Allzeithoch. Der Schlussstand lag bei 38.001 Punkten dann etwas tiefer, ein Zuwachs von 0,36 Prozent.

Auch der breit gefasste S&P-500-Index stürmte zum Wochenstart zwischenzeitlich auf ein frisches Allzeithoch von 4868 Punkten, nachdem er bereits am Freitag eine Bestmarke erklommen hatte. Der größte Benchmark-Index der Wall-Street, an dem sich viele Fonds und andere institutionelle Anleger ausrichten, ging bei 4.850 Zählern um 0,22 Prozent höher aus dem Handel.

Besonders die Technologiebörse Nasdaq profitiert derzeit von der KI-Euphorie. Sowohl der Composite-Index bei 15.438 Punkten als auch der Auswahlindex Nasdaq 100 bei 17.450 Punkten erreichten neue Bestmarken. Am Ende konnten alle großen Indizes ihre Höchststände aber nicht halten, nachdem sich im späten Geschäft Gewinnmitnahmen verstärkten. Der Auswahlindex schloss bei 17.330 Punkten um 0,1 Prozent, der Composite-Index bei 15.360 Zählern um 0,32 Prozent höher.

Die Indizes bilden die starke Kauflust gerade bei den großen Tech-Schwergewichten wie Meta, Microsoft oder Nvidia ab, deren Aktien heute im frühen Geschäft allesamt neue Bestmarken aufstellten. Die Facebook-Mutter Meta peilt dabei die eine Billion-Dollar-Grenze bei der Börsenbewertung an.

Gegen den Trend gaben Boeing-Aktien leicht um 0,1 Prozent nach. Nach dem Beinahe-Unglück einer Boeing 737-9 Max nehmen die Aufseher auch eine ältere Variante des Jets in den Fokus. Fluggesellschaften sollten sicherheitshalber die Blenden vor nicht benötigten Notausgängen an Maschinen des Typs 737-900ER überprüfen, teilte die US-Luftfahrtbehörde FAA in der Nacht zum Montag in Washington mit. Bei dem Modell habe Boeing dieselbe Konstruktion wie bei der neueren 737-9 Max verwendet.

Die Fluggesellschaft United Airlines rechnet für das laufende Quartal mit einem deutlichen Verlust, weil Dutzende Maschinen des Typs Boeing 737-9 MAX am Boden bleiben müssen. United stellte nach US-Börsenschluss einen bereinigten Quartalsverlust pro Aktie zwischen 35 und 85 Dollar-Cent in Aussicht.

United hat 79 Flugzeuge des Typs. Die Flugzeuge sollen einer Prüfung unterzogen werden, nachdem bei einer der Maschinen eine Türrahmen-Abdeckung im Steigflug rausgerissen war. Es ist unklar, wann die 737-9 MAX wieder fliegen darf.

Im vergangenen Quartal sank der United-Gewinn im Jahresvergleich von 843 auf 600 Millionen Dollar (551 Millionen Euro). Das entsprach einem bereinigten Gewinn pro Aktie von zwei Dollar. Der Umsatz stieg um elf Prozent auf 12,4 Milliarden Dollar. Die United-Aktie legte im nachbörslichen US-Handel zeitweise um über sechs Prozent zu, denn Analysten hatten im Schnitt mit weniger Gewinn im vergangenen Quartal gerechnet.

Traditionell hat die US-Berichtssaison bereits früher begonnen als in Europa. Vor allem die ab dieser Woche anstehenden Berichte der Technologieschwergewichte werden wie stets genau beobachtet werden, ob sie die Vorschusslorbeeren verdient haben. Netflix und Texas Instruments legen morgen ihre Zahlen vor.

Zu den Tech-Branchengrößen, die in den kommenden Tagen ihre Bücher öffnen gehören auch IBM, die zuletzt von Analysten hochgestuft wurden. Anteile am Facebook-Betreiber Meta dürften unterdessen ihren Rekordlauf fortsetzen und steuern erstmals einer Marktkapitalisierung von einer Billion US-Dollar entgegen. "Sollten die Zahlen der US-Firmen besser ausfallen als die der heimischen Vertreter, wäre dies eine Bestätigung für die zuletzt stärker gelaufenen Börsen in den USA", so Marktbeobachter Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets.

Kritische Kommentare zum Geschehen an der Wall Street gab es auch, sie verhallten aber. Denn so mancher Stratege sagt den Aktienmärkten trotz der neuen Rekorde einen holprigen Weg voraus. Die gedämpften Hoffnungen auf rasche Zinssenkungen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hatten der Wall Street schon zum Jahresstart zugesetzt.

"Wir werden ein hohes Maß an Volatilität erleben ... jede Konjunkturabschwächung könnte den Märkten eine Grenze setzen, und da die Inflation immer noch ein Problem darstellt, kann es sein, dass die Fed viel länger auf sich warten lässt, als die Märkte denken", sagte Paul Nolte, leitender Vermögensberater und Marktstratege bei Murphy & Sylvest. Händler sehen die Chance auf eine erste Senkung im März immer weiter schwinden und konzentrieren sich nun auf den Mai.

Der DAX ist auch zum Wochenstart dem Rekordlauf der Wall Street gefolgt und legte zu. Am Ende stand bei einer Handelsspanne im Leitindex zwischen 16.607 und 16.705 Punkten ein Tagesgewinn von 0,77 Prozent auf 16.683 Zähler. Der export- und industrielastige MDAX der mittelgroßen Werte gewann 1,24 Prozent hinzu auf 25.748 Stellen.

Der DAX kann allerdings nicht mit dem gleichen Tempo anziehen, wie dies derzeit an der Wall Street der Fall ist, denn dem Index fehlen die KI-Schwergewichte der US-Börsen. Bis zum Rekordhoch bei 17.003 Punkten aus dem Dezember sind es noch etwas über zwei Prozent.

Neben dem KI-Boom und seinen Auswirkungen steht in dieser Woche in Europa die Leitzinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag auf der Agenda. Ökonomen zufolge dürften die Währungshüter die Zinsen unverändert lassen, das Augenmerk der Anleger liegt aber auf dem Ausblick: Zuletzt hatten sich mehrere EZB-Vertreter gegen eine rasche Zinswende ausgesprochen. Eine Zinssenkung im März ist damit zunehmend unwahrscheinlicher geworden.

Die Zentralbanken Kanadas und Norwegens tagen ebenfalls in dieser Woche; es wird nicht erwartet, dass sie ihre Zinssätze ändern. Die US-Notenbank Federal Reserve hält ihre nächste Sitzung am 30. und 31. Januar ab.

Update Wirtschaft vom 22.01.2024

tagesschau24, 22.01.2024 09:00 Uhr

Mangels entscheidender Konjunkturdaten fiel der Wochenauftakt am Devisenmarkt eher ruhig aus. Der Euro verlor zuletzt im US_Handel leicht um 0,1 Prozent auf 1,0882 Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0890 (Freitag: 1,0887) Dollar fest.

Aus den Reihen der EZB und der US-Notenbank Fed waren heute keine wichtigen geldpolitischen Äußerungen zu erwarten, weil in beiden Zentralbanken die übliche Schweigeperiode vor Zinsentscheidungen in Kraft ist. Die Feinunze Gold kostet 2.023 Dollar und damit rund 0,2 Prozent weniger.

Die Ölpreise haben zu Beginn der Handelswoche zugelegt. Marktbeobachter verwiesen auf geopolitische Risiken, die am Montag stärker in den Mittelpunkt rückten und für eine höhere Nachfrage sorgten. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent stieg um 1,4 Prozent auf 79,78 Dollar, der Preis für ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) um 1,5 Prozent auf 74,55 Dollar.

Wegen jüngster Angriffe von Huthi-Rebellen aus dem Jemen auf Handelsschiffe im Roten Meer meiden große Reedereien zunehmend die kürzeste Verbindung auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa durch das Rote Meer und den Suez-Kanal. Auch für den Ölhandel bedeutet der Umweg um das Kap der Guten Hoffnung im südlichen Afrika einen großen Umweg, der mit längeren Lieferzeiten verbunden ist.

Am deutschen Aktienmarkt haben sich zu Wochenbeginn negative Analystenstimmen gehäuft. Im DAX sackte die Aktie der Commerzbank um über drei Prozent ab, die Bank of America hatte den deutschen Finanztitel auf "Underperform" herabgestuft. Abstufungen gab es auch für Stratec und diverse Chemiewerte - doch die reagierten nach ihrem schlechten Lauf kaum noch.

Tagessieger waren die Papiere des Online-Modehändlers Zalando, die sich nach dem jüngsten Negativlauf versuchen zu stabilisieren. Eine nachlassende Konsumneigung der Verbraucher wegen des schwierigen, inflationsbelasteten wirtschaftlichen Umfelds hierzulande hatten der Aktie zuletzt schwer zugesetzt. Hannover Rück und Heidelberg Materials setzten hingegen ihren stabilen Aufwärtstrend weiter fort und legten im DAX ebenfalls stärker zu.

Beim Kupferkonzern Aurubis aus dem MDAX stehen nach einem millionenschweren Betrugsfall drei von vier Vorstandsmitgliedern vor dem Aus. Vorstandschef Roland Harings, Finanzvorstand Rainer Verhoeven und Produktionsvorstand Heiko Arnold sollen in den nächsten Monaten ihre Posten aufgeben.

Gespräche der Manager mit "Vertretern des Aufsichtsrats" über einen vorzeitigen Abschied seien weit fortgeschritten, teilte Aurubis heute mit. Noch stehe aber ein Beschluss des Aufsichtsrats aus, der am Dienstag über die Personalien beraten soll. Vom derzeitigen Vorstand bliebe dann nur Recycling-Chefin Inge Hofkens im Amt.

Vorstandschef Roland Harings dürfe noch längstens bis Ablauf des Geschäftsjahres Ende September die Übergabe an einen Nachfolger vorbereiten, hatte schon zuvor das Manager Magazin berichtet. Der Aktienkurs fiel knapp vier Prozent.

Aurubis wurde im vergangenen Jahr Opfer eines großangelegten Betrugs. Unter dem Strich geht es um einen Fehlbestand an wertvollen Metallen im Wert von 169 Millionen Euro. In einem Fall wurden manipulierte Proben mit hohen Gehalten wertvoller Metalle abgegeben, die Lieferungen enthielten aber deutlich weniger davon. Dadurch wurden letztlich überhöhte Rechnungen bezahlt. Darüber hinaus gibt es aber einen weiteren - laut Geschäftsbericht "nicht vollumfänglich nachvollziehbaren" - Fehlbestand bei Edelmetallen in einem niedrigen dreistelligen Millionenbereich.

Die Hamburger Biotech-Firma Evotec geht auf Distanz zu ihrem kürzlich zurückgetretenen Vorstandschef Werner Lanthaler. Aufsichtsratschefin Iris Löw-Friedrich brachte den überraschenden Abschied des langjährigen Evotec-Chefs heute erstmals in Verbindung mit millionenschweren Aktiengeschäften, die dieser kurz vor dem Jahreswechsel gemeldet hatte - mit bis drei Jahren Verspätung. "Die Aktiengeschäfte sind nicht vorab genehmigt worden, er hat sich nicht an die internen Prozesse gehalten", sagte Löw-Friedrich in einer Telefonkonferenz. Der 56-jährige Österreicher, der Evotec 15 Jahre lang führte, hatte zum Jahreswechsel ein Rücktrittsgesuch gestellt und persönliche Gründe dafür genannt.

Lanthaler hatte nach "Reuters"-Berechnungen laut den verspäteten Mitteilungen in den Jahren von 2021 bis 2023 Evotec-Aktien für 4,8 Millionen Euro gekauft und Anteilsscheine für rund sieben Millionen Euro verkauft. Manche der Transaktionen wurden den Daten zufolge kurz vor oder nach der Veröffentlichung von Geschäftszahlen abgewickelt.

Interimschef Mario Polywka, der vom Aufsichtsrat in den Vorstand entsandt wurde, bestätigte die Ziele für die Jahre 2023 bis 2025. Demnach habe Evotec im vergangenen Jahr den Umsatz mit 750 bis 790 (2022: 751,2) Millionen Euro zumindest stabil gehalten, das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) sei auf 60 bis 80 (101) Millionen zurückgegangen. Bis 2025 sollen der Umsatz auf eine Milliarde Euro und das bereinigte Ebitda auf 300 Millionen steigen. Das trieb die Aktie um sechs Prozent auf 15,03 Euro nach oben

Einer der größten Gewinner im MDAX war die Nemetschek-Aktie mit einem Plus von fast sieben Prozent. Positive Analystenstimmen treiben die Papiere des Anbieters von Bausoftware damit auf den höchsten Stand seit April 2022. Die Analysten von Deutsche Bank und Oddo BHF hoben in aktuellen Studien ihre Kursziele für Nemetschek an, liegen allerdings mit 67 beziehungsweise 105 Euro weit auseinander.

Die Aktien des Motorenbauers Deutz knüpfen an ihre jüngsten Kursgewinne an. Mit einem Plus von 7,5 Prozent gehörten sie zu den größten Gewinnern im Kleinwertesegment SDAX. Am Freitag hatten sie bereits um fast sechs Prozent zugelegt. Der Verkauf der Bootsmotorentochter an Yamaha Motor kam weiterhin gut an. In nur drei Handelstagen haben Anleger aktuell einen Gewinn von einem Fünftel eingestrichen.

Die Volkswagen-Nutzfahrzeugholding Traton hat 2023 gut ein Fünftel weniger Bestellungen für Fahrzeuge erhalten als im sehr starken Vorjahr. Der Auftragseingang sei um 21 Prozent auf 264.800 Fahrzeuge gesunken, teilte das im SDAX gelistete Unternehmen mit. Das sei ein Zeichen dafür, dass sich die unter anderem durch die Covid-Pandemie und den Krieg in der Ukraine aufgestaute Nachfrage fortschreitend normalisiere.

Der Finanzdienstleister Hypoport hat einen Anstieg der privaten Immobilienfinanzierungen verzeichnet. Erstmals seit Einbruch des Gesamtmarktes sei im vierten Quartal das Transaktionsvolumen auf der hauseigenen Internet-Kreditplattform Europace gestiegen, erklärte der Finanzdienstleister. Mit 12,7 Milliarden Euro habe es knapp acht Prozent über dem Vorjahreszeitraum gelegen. Die Aktie stieg im SDAX rund 6,7 Prozent.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 22. Januar 2024 um 09:00 Uhr.