Händler an der New Yorker Börse
marktbericht

US-Börsen drehen ins Plus US-Anleger fassen wieder Mut

Stand: 11.04.2024 22:18 Uhr

Vor dem Beginn der Berichtssaison sind die US-Anleger an die Märkte zurückgekehrt. Zwar sinken die Zinserwartungen, die robuste Konjunktur fördert aber die Hoffnung auf solide Unternehmensgewinne.

Gestern Verluste, heute im Verlauf der Schwenk ins Plus - an der Wall Street müssen die Anleger derzeit starke Nerven haben. Die großen Aktienindizes erholten sich unter der Führung der Tech-Aktien von anfänglichen Verlusten und weiteten ihre Gewinne im Verlauf aus. Der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, ging am Ende nach schwachem Start bei 38.459 Punkten nahezu unverändert aus dem Handel. Das Tagestief hatte zuvor bei 38.197 Punkten deutlich tiefer gelegen.

Sehr viel besser sah es an der Technologiebörse Nasdaq aus, die deutlich vorrückte. Der Composite-Index gewann 1,68 Prozent, der Auswahlindex Nasdaq 100 1,65 Prozent. Unter den Schwergewichten in den Tech-Indizes erreichten dabei die Papiere von Onlinehändler Amazon bei 189,41 Dollar im Verlauf ein neues Rekordhoch und schlossen nur knapp darunter. Der marktbreite S&P-500-Index, der sowohl Standard- als auch Tech-Aktien beinhaltet, gewann am Ende 0,74 Prozent auf 5.199 Zähler.

Zwar signalisierten erneut robust ausgefallene Konjunkturdaten weiterhin keine unmittelbare Zinsentlastung, sie zeichnen aber dafür das Bild einer anhaltend stabilen Wirtschaft - was im Gegenzug für Gewinnfantasien bei den Anlegern sorgte. Diese gewannen heute im Vorfeld der morgen beginnenden Berichtssaison letztlich die Oberhand und verdrängten die zuletzt bestimmenden Zinssorgen.

Zumal mit den Banken ein Sektor mit den Quartalsausweisen beginnt, von dem überwiegend gute Resultate erwartet werden. Hohe Zinsen stützen die Zinsmarge, gleichzeitig sorgt die gute Beschäftigung in aller Regel für geringere Kreditausfälle. Unter anderem Platzhirsch JPMorgen Chase legt morgen vor Börsenbeginn seinen Bericht vor.

Außerdem fragen sich Marktteilnehmer, aber auch immer mehr Notenbanker, ob angesichts der derzeit ungebrochen stabilen Wirtschaftsdaten Zinssenkungen überhaupt nötig seien. So wie heute John Williams, Chef des Fed-Bezirks New York. Der Notenbanker sieht zwar erhebliche Fortschritte der Fed bei der Senkung der Inflation in den USA. Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage bestehe aber "kein klarer Bedarf, die Geldpolitik sehr kurzfristig anzupassen".

Noch in der Vorwoche hatte der New Yorker Fed Banker Neel Kashkari mit einer erstmals formulierten ähnlichen Aussage für einen Schock bei den Anlegern und einen 600-Punkte-Rutsch beim Dow Jones gesorgt - mittlerweile reagieren diese gelassen.

Konkret signalisierten heute frische Daten einen robusten Arbeitsmarkt und einen beschleunigten Preisauftrieb in den USA. So ist die Zahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe stärker als erwartet gefallen. Die Erzeugerpreise stiegen im März um 2,1 Prozent, verglichen mit plus 1,6 Prozent im Vormonat. Bereits am Mittwoch hatten überraschend hohe Verbraucherpreise die Hoffnungen auf bald sinkende Zinsen weiter schwinden lassen.

Die unerwartet hohe Preissteigerung in Verbindung mit ansonsten ziemlich robusten Konjunkturdaten führe dazu, dass zeitnahe Zinssenkungen immer unwahrscheinlicher würden, erläutert NordLB-Analyst Constantin Lüer: "Nachdem im Dezember 2023 viele Akteure von einer Kaskade von Senkungen ausgingen, rechnen - wenn auch nur wenige - Marktteilnehmer mit nur noch einer oder sogar keiner Zinssenkungen.

Die Aussagen von Williams belasteten im frühen Geschäft zunächst den Markt, der sich dann aber den Gewinnerwartungen zuwandte. Insgesamt wackelt das US-Zinsszenario derzeit erheblich, was für wechselhafte Kursverläufe sorgt. Erst zur Wochenmitte hatten die großen US-Indizes noch deutliche Verluste einstecken müssen, nachdem die Investoren ihre Hoffnungen auf eine Zinssenkung der Fed im Juni wohl endgültig begraben haben. Hintergrund war die überraschend hohe Inflation im März.

Der DAX konnte vom wie erwartet ausgefallenen Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht profitieren und rutschte wieder unter die Marke von 18.000 Punkten. Am Ende schloss der deutsche Leitindex bei 17.954 Punkten, ein Tagesverlust von 0,79 Prozent. Nur kurz zog der Index nach dem Zinsentscheid aus Frankfurt an, ehe die Anleger sich zurückzogen. Im Tagestief ging es bis auf 17.864 Punkte nach unten, das Tageshoch lag am Vormittag kurz bei 18.100 Punkten.

Damit ist der DAX zunächst unter die technische Widerstandsmarke von 18.039 Punkten gefallen, ein altes Allzeithoch, wodurch ein negatives technisches Signal signalisiert wurde. Der MDAX der mittelgroßen Werte schloss bei 26.703 Zählern um 0,88 Prozent ebenfalls leichter.

Zuvor schon hatten die Nerven der Anleger blank gelegen, nachdem das Zinsszenario in den USA wegen einer zuletzt wieder steigenden Inflation zunehmend wackelt. In Europa sieht die geldpolitische Lage eindeutiger aus, die EZB steuert wie erwartet auf eine erste Zinssenkung zu, vielleicht schon im Juni. Letzeres war von den Märkten aber bereits fest erwartet worden, die neue Unsicherheit in den USA hingegen nicht.

Konkret beschlossen die Währungshüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde heute auf ihrer Geldpolitik-Sitzung in Frankfurt, den Leitzins weiter bei 4,50 Prozent und den am Finanzmarkt richtungsweisenden Einlagensatz bei 4,00 Prozent zu belassen. Zugleich deuteten sie aber an, demnächst die Zinswende einzuleiten. Beides war genau so erwartet worden.

"Sollte seine aktualisierte Beurteilung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission die Zuversicht des EZB-Rats weiter stärken, dass die Inflation sich nachhaltig dem Zielwert annähert, wäre eine Lockerung der aktuellen geldpolitischen Straffung angemessen", erklärten die Euro-Wächter in gewohnter geldpolitischer Sprache.

Die Höhe und Dauer des angemessenen konjunkturbremsenden Zinsniveaus will die Bank auch in Zukunft abhängig von der Datenlage festlegen. Inzwischen befänden sich die Schlüsselzinsen auf einem Niveau, das einen erheblichen Beitrag leiste zum Rückgang der Teuerung im Euroraum.

"Die Inflation ist weiter zurückgegangen, was vor allem dem schwächeren Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln und Waren zuzuschreiben ist", erklärten die Währungshüter weiter. Bankchefin Christine Lagarde verwies explizit auf den Juni. Dann werde man mehr Daten haben und neue Projektionen.

Update Wirtschaft vom 11.04.2024

Anne-Catherine Beck, HR, tagesschau24, 11.04.2024 09:00 Uhr

Die EZB stehe in den Startlöchern, kommentierte Volkswirt Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank die EZB-Beschlüsse. "Mit ihrem rhetorischen Schwenk heute öffnet sie die Tür für eine Zinssenkung, durch die sie im Juni gehen wird." Mit der Konjunktur im Euroraum laufe es eher schlecht als recht und die Gesamtinflationsrate liege bereits relativ nahe am Zielwert der EZB. Auch aus Sicht von Friedrich Heinemann vom Mannheimer Forschungsinstitut ZEW ist es fast sicher, dass die EZB im Juni mit der Zinssenkung beginnt.

Offen bleibt aber, ob die EZB der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) vorauseilen wird, was Experten zuletzt bezweifelten. Auch Christine Lagarde äußerte sich heute dazu nicht. Dies könnte die Zinswende in Europa schon im Juni gefährden. Die nächsten beiden Zinssitzungen finden am 6. Juni und am 18. Juli jeweils in Frankfurt statt.

Unter den Einzelwerten im DAX stand die Aktie der Telekom im DAX unter Druck und am Indexende, allerdings größtenteils "nur" optisch. Denn das Papier, ein absolutes Kerninvestment für dividendenorientierte Anleger, wird nach der gestrigen Hauptversammlung mit einem Dividendenabschlag von 0,77 Euro gehandelt.

Der Titel litt aber darüber hinaus unter einer Studie der Bank UBS, wonach der Bund im Jahresverlauf ein 1,8 Milliarden Euro schweres Paket Aktien der Deutschen Telekom an den Markt bringen könne, um den Ausbau der Deutschen Bahn zu finanzieren. Solche Gerüchte waren zuletzt des Öfteren aufgekommen, sie kommen bei den Investoren nicht gut an. Die Aktie verlor inklusive des Dividendenabschlags 6,1 Prozent.

Der Euro notierte nach dem Zinsentscheidung der EZB weiter schwach und wurde zuletzt im US-Handel bei 1,0730 Dollar gehandelt. Die EZB hatte den Referenzkurs am Mittwochnachmittag noch deutlich höher auf 1,0860 Dollar festgesetzt, heute lag der offizielle Kurs bei 1,0729 Dollar.

Kurstreiber am Devisenmarkt sind weiterhin primär die unterschiedlichen Zinserwartungen im Dollar- und Euroraum. Während in Europa Zinssenkungen greifbarer sind, deutet sich in den USA ein längeres Festhalten der Fed an den hohen Zinsen an. Das stärkt den Dollar und schwächt im Gegenzug den Euro.

Die in Dollar notierten Ölpreise standen zuletzt im Minus. Ein Fass der Nordseesorte Brent kostete knapp 0,3 Prozent weniger, die US-Sorte WTI verbilligt sich um 0,7 Prozent. Seit Jahresbeginn hat sich europäisches Erdöl allerdings um rund 13 Dollar oder 17 Prozent verteuert. Ausschlaggebend sind die zahlreichen geopolitischen Krisen, allen voran die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen. Die Feinunze Gold legt rund 0,2 Prozent zu auf 2.341 Dollar.

Volkswagen nimmt ordentlich Geld in die Hand, um den Entwicklungsstandort in der ostchinesischen Provinz Anhui auszubauen. Weitere 2,5 Milliarden Euro sollen nach China fließen, teilte der Wolfsburger Autobauer am späten Vormittag mit. Zusätzlich sollten Produktionskapazitäten für den Bau der zwei Fahrzeugmodelle geschaffen werden, die VW gemeinsam mit dem chinesischen Hersteller Xpeng entwickelt.

Airbus-Chef Guillaume Faury hat bei einer Übernahme von Spirit AeroSystems durch Boeing Interesse an zwei Werken des Flugzeugzulieferers angemeldet. Faury sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es sei nicht unwahrscheinlich, dass der europäische Flugzeugbauer dann die Werke im US-amerikanischen Kinston und im nordirischen Belfast mit zusammen 4.000 Mitarbeitern übernähme, die für Airbus Teile der Flügel und des Rumpfs produzieren.

Airbus-Erzrivale Boeing hatte Anfang März überraschend angekündigt, seine ehemalige Tochter Spirit AeroSystems wieder zurückzukaufen. Die Amerikaner ziehen damit die Konsequenzen aus einem Zwischenfall Anfang Januar, bei dem während eines Fluges von Alaska Airlines ein Teil der Kabinenwand aus einer Boeing 737 MAX-9 herausgefallen war. Dieses Teil wird von Spirit zugeliefert.

Spirit macht mit Airbus etwa ein Fünftel seines Umsatzes. Die beiden Werke schreiben Branchenkreisen zufolge rote Zahlen - was die Frage aufwirft, wieviel Airbus dafür bezahlen müsste. Faury verwies auf ein vereinbartes Mitspracherecht bei einem Eigentümerwechsel. Faury deutete an, dass Airbus von der Ankündigung von Boeing überrascht worden sei.

Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius führt erstmals die Gehalts-Rangliste der aktiven Manager im DAX an. Källenius erhielt im vergangenen Jahr 12,74 Millionen Euro - darin inkludiert ist das Festgehalt und die für das Jahr 2023 gewährten Boni sowie die im Jahr 2023 ausgezahlten Langfrist-Boni. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Deutsche-Börse-CEO Theodor Weimer (10,60 Millionen Euro) und Merck-Chefin Belen Garijo (10,53 Millionen Euro).

Bei der Lufthansa ist für das Kabinenpersonal als letzte große Beschäftigtengruppe eine Tarifeinigung erreicht worden. Über einen Zeitraum von drei Jahren soll es neben einer Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro drei Gehaltssteigerungen mit insgesamt 17,4 Prozent geben, wie die Gewerkschaft UFO berichtete.

Der Industriekonzern Thyssenkrupp will unter dem Druck der schwächelnden Nachfrage seine Stahlsparte straffen, Produktionskapazitäten zurückfahren und einen noch nicht bezifferten Personalabbau einleiten. Kern der Neuaufstellung sei eine Reduzierung der im Verbund installierten Kapazitäten auf etwa 9 bis 9,5 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr, teilte der Konzern am Donnerstagabend nach einer Sitzung des Vorstands und des Strategieausschusses des Aufsichtsrats von Thyssenkrupp Steel Europe mit. Derzeit seien die Kapazitäten auf rund 11,5 Millionen Tonnen ausgelegt.

Thyssenkrupp Steel Europe beschäftigt rund 27.000 Mitarbeiter, die meisten davon am größten europäischen Stahlstandort in Duisburg. "Mit diesen Maßnahmen wird auch ein noch nicht bezifferter Abbau von Arbeitsplätzen verbunden sein, der auch die nachgelagerten Weiterverarbeitungsstufen sowie die Verwaltungs- und Dienstleistungsbereiche betreffen wird", gab das MDAX-Unternehmen am Abend bekannt.

Der Autovermieter Sixt bekommt einen neuen Finanzvorstand aus den eigenen Reihen. Franz Weinberger löse zum 1. Juni den bisherigen Finanzvorstand Kai Andrejewski ab, teilte das im MDAX gelistete Unternehmen nach einem Beschluss des Aufsichtsrats heute in Pullach mit. Der Vertrag von Andrejewski (56) laufe dann regulär aus. Nachfolger Weinberger ist 41 Jahre alt und arbeitet seit 2013 bei Sixt, derzeit als Leiter des Bereichs Unternehmensfinanzen.

Im MDAX gehörte die Gerresheimer-Aktie zu den großen Verlierern. Der Abbau der Lagerbestände von Pharmakunden hat den Verpackungshersteller zum Jahresstart gebremst. Die Führung von Gerresheimer setzt nun weiter auf bessere Geschäfte in der zweiten Jahreshälfte und hält an ihrem Geschäftsausblick fest.

Der Batteriekonzern Varta hält das eigene Umstrukturierungskonzept nicht mehr für ausreichend. Die dort getroffenen Annahmen und die auf dieser Basis mit dem Mehrheitsaktionär und finanzierenden Banken vereinbarten Maßnahmen seien nicht mehr angemessen, um bis Ende 2026 auf einen profitablen Wachstumskurs zurückzukehren. Daher werde das Konzept überprüft, teilte das Unternehmen am Donnerstagabend mit.

Als Gründe für die Einschätzung nannte Varta unter anderem eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die verschiedenen Geschäftsbereiche. Hinzu komme ein unerwarteter erheblicher Rückgang der Nachfrage im Bereich Energiespeicherlösungen bei Endverbrauchern und aufgrund hoher Lagerbestände im Handel, eine aggressive Preispolitik von Wettbewerbern sowie anhaltende Lieferkettenprobleme. Zudem habe der jüngste Cyberangriff zu einem mehrwöchigen Stillstand der Produktion und einer weiteren Verschlechterung der Finanzsituation geführt, hieß es. Die im SDAX enthaltene Varta-Aktie gab nachbörslich nach.

Amazon ist in einem Patentprozess um Datenspeicher-Technologien zur Zahlung von mehr als einer halben Milliarde Dollar verurteilt worden. Geschworene in Chicago kamen gestern zu dem Schluss, dass der Konzern in Diensten seiner Cloud-Sparte AWS drei Patente der US-Firma Kove verletzte.

Der Pharmakonzern Roche kann einen weiteren Erfolg im Bereich der Krankheit Alzheimer verbuchen. Die US-Arzneimittelbehörde (FDA) hat dem Bluttest "Elecsys pTau217-Assay" den sogenannten Breakthrough-Status verliehen. Damit wird eine raschere Prüfung und Zulassung möglich.

Mit dem Bluttest, der in Zusammenarbeit mit Eli Lilly entwickelt werde, soll festgestellt werden, ob bei den getesteten Personen eine Amyloid-Pathologie - eines der Hauptmerkmale der Alzheimer-Krankheit - vorhanden ist. Der Test könnte daher eine wichtige Rolle zu einer frühen und genauen Alzheimer-Diagnose spielen und damit dazu beitragen, die Auswirkungen der Alzheimer-Krankheit zu mildern.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 11. April 2024 um 15:00 Uhr.