
Deutsche Bank in New York Leere Schreibtische und mittags schon Bier
Stand: 09.07.2019 02:13 Uhr
Kistenpacken ist angesagt bei der Deutschen Bank in New York. Die Reformpläne von Konzernchef Sewing sehen auch hier harte Einschnitte vor. Entsprechend ist die Stimmung.
Von Peter Mücke, ARD-Studio New York
Die Krise war schon lange zu spüren rund um Wall Street Nummer 60, den imposanten Firmensitz der Deutschen Bank in New York. Als sich dann in der vergangenen Woche herumsprach, dass die Bosse in Frankfurt einen großen Konzernumbau planen, gab es schnell erste Auflösungserscheinungen.
"Es herrscht eine ziemlich düstere Atmosphäre. Mittags sieht man schon Deutsche Bänker beim ersten Bier. Die Mitarbeiter kommen spät zur Arbeit. Die Moral ist schon ziemlich am Boden", sagt Sonali Basak, die für die Nachrichtenagentur Bloomberg seit Jahren über die Deutsche Bank berichtet.
Die Befürchtungen haben sich bestätigt. Viele Mitarbeiter verließen bereits am Montag mit einem dicken weißen Umschlag unter dem Arm die US-Konzernzentrale - wohl zum letzten Mal. Der Rest der persönlichen Dinge kommt - wie mittlerweile an der Wallstreet üblich - diskret per Spedition nach Hause.
Deutsche Bank steht vor radikalem Umbau
tagesschau24 15:00 Uhr, 08.07.2019, Uli Meerkamm, ARD Berlin
"Manche fühlen sich tatsächlich an Lehman erinnert"
Bilder, wie bei der Lehman-Brothers-Pleite, als Bänker Pappkartons mit ihren persönlichen Dingen nach Hause schleppten, versucht man zu vermeiden.
"Manche fühlen sich tatsächlich heute an Lehman erinnert. Es schon ungewöhnlich, dass so viele entlassen werden, obwohl keine Wirtschaftskrise ist. Manche Mitarbeiter haben sich in den vergangenen Monaten schon neue Jobs gesucht. Aber trotzdem: Viele sind heute nach ein paar Stunden nach Hause geschickt worden - manche davon waren schon seit 1999 bei der Deutschen Bank dabei."
Beweisen, dass nicht nur US-Riesen Investmentbanking können
Damals, vor 20 Jahren, stieg die Deutsche Bank mit der Übernahme von Bankers Trust groß in den amerikanischen Markt ein. Die Frankfurter wollten beweisen, dass nicht nur die US-Riesen Investmentbanking können. Tatsächlich war die Deutsche Bank einige Jahre auf Augenhöhe mit JP Morgan und Goldman Sachs. Doch dann kam die Finanzkrise, von der sich die Deutsche Bank nie mehr richtig erholen sollte. Sonali Basak:
"2016 war der eigentliche Knackpunkt. Damals musste die Deutsche Bank Milliardenstrafen zahlen im Zusammenhang mit der Finanzkrise, aber auch wegen anderer Verstöße gegen Vorschriften der Finanzaufsicht. Investoren haben sich im großen Stil zurückgezogen. Innerhalb der Deutschen Bank gab es dann einen Streit über die richtige Strategie. Die US-Manager wollten das Investmentgeschäft in den USA verkleinern. Aber die Manager in Frankfurt wollten weiter ganz vorne mitmischen. Auch vor einem Jahr noch. Und jetzt sind wir an einem Punkt, an dem nur doch drastische Einschnitte helfen."
Und die sind jetzt vollzogen worden. 18.000 Jobs sollen gestrichen werden, vor allem im Investmentbanking. Die Bank will sich künftig auf das Geschäft mit Privatkunden und Unternehmen sowie auf Vermögensverwaltung konzentrieren.
Höchste Zeit, findet Stephan Isaacs von der Finanzberatungsagentur Alvine Capital: "Alle anderen europäischen Banken mussten es längst einsehen: Gegen die Wall-Street-Riesen haben sie keine Chance. UBS nicht, Credit Suisse nicht, auch nicht die Briten. Es ist eher ungewöhnlich, dass die Deutsche Bank das so lange versucht hat. Es mussten erst der Börsenkurs einbrechen und Investoren davonlaufen, um das einzusehen. Der Strategiewechsel ist unvermeidlich. Die Frage ist: Funktioniert er auch?"
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