Abweichung der Meeresoberflächentemperatur vom langjährigen Mittel in °C für den 25.07.2023

Hitzewelle am Mittelmeer Wie es zu dem Extremwetter kam

Stand: 27.07.2023 15:36 Uhr

In den vergangenen Tagen konnte man immer wieder von einer extremen Hitzewelle am Mittelmeer hören. Außerdem gab es extreme Unwetter in Norditalien. Wie konnte es dazu kommen?

Von Ingo Bertram, ARD-Wetterkompetenzzentrum

Ab dem 8. Juli baute sich ein ungewöhnlich starkes Subtropenhoch über Italien auf. Durch eine absinkende Luftbewegung innerhalb des Hochs und unter Zufuhr von afrikanischer Heißluft steigerte sich die Hitze vor allem in Italien, Griechenland und Albanien immer weiter. Erst Mitte dieser Woche hat es sich nach einem Temperaturrückgang um 15 Grad vorübergehend auf normale Werte abgekühlt.

An einigen Wetterstationen konnten in den vergangenen zehn Tagen Hitzerekorde verzeichnet werden. Den bisher höchsten Wert in ihrer Klimareihe erzielen unter anderem Decimomannu (Sardinien) mit 46,8 Grad, Palermo (Sizilien) mit 47,0 Grad, Olbia (Sardinien) mit 47,4 Grad und Jerzu sowie Lotzorai (beide ebenfalls Sardinien) mit 48,2 Grad. Die Anzahl der extrem heißen Tage war bemerkenswert. In Decimomannu konnten im Juli 2023 bisher neun Tage mit über 40 Grad verzeichnet werden. In vielen Juli-Monaten der vergangenen Jahrzehnte gab es dort keine 40 Grad. Und wenn sie mal auftraten, dann nur an einzelnen Tagen. In Casteltermini auf Sizilien wurde die 40-Grad-Marke vom 15. bis 25. Juli 2023 tagtäglich, also sogar an 11 aufeinanderfolgenden Tagen, geknackt.

Seit einigen Tagen hielten Waldbrände in Teilen Südeuropas die Einsatzkräfte, Anwohner und Urlauber in Atem. Betroffen sind vor allem Sizilien und die griechische Insel Rhodos. Außerdem sorgten Unwetter in Norditalien für Schlagzeilen. Im Übergangsbereich der heißen Luft über Südeuropa und kühler Luft über Mitteleuropa etablierte sich eine kräftige Höhenströmung. Sie sorgte für die notwenige Dynamik, die Adria in den unteren Luftschichten für die notwendige Feuchtigkeit zur Entwicklung einer ganzen Reihe von sogenannten Superzellen. Das sind besonders starke Gewitter, die häufig mit großem Hagel einhergehen.

Vom 19. bis 25 Juli zogen tagtäglich Hagelunwetter über Teile der Südalpen und die Poebene. Häufig wurden gleiche Landstriche mehrfach getroffen. Punktuell konnten Hagelsteine mit mehr als 10 Zentimeter Durchmesser beobachtet werden, der größte dokumentierte Hagelstein hatte auf seiner Längsachse einen Durchmesser von 19 Zentimetern, ein neuer Europarekord.

Ist der Klimawandel schuld?

Bei solchen Ereignissen taucht immer sehr schnell die Frage auf, ob der Klimawandel schuld sei. Und die Antworten bedienen häufig nur noch zwei extreme Lager. Die einen schieben wirklich alles auf den Klimawandel, die anderen versuchen, alles auf andere Art zu begründen. Doch so einfach funktioniert die Meteorologie nicht. Ein seriöser Artikel oder eine seriöse Meinungsäußerung muss immer mehrere Aspekte berücksichtigen.

Grundsätzlich ist es schwierig, den Bezug zwischen Einzelereignissen und dem Klimawandel herzustellen. Schließlich geht es eben um das Klima, nicht um Witterungsabschnitte oder Wetterereignisse. Über die aktuelle Hitzewelle ist zu sagen, dass sie an einigen Stationen für Temperaturrekorde gesorgt hat, an vielen anderen nicht.

Der europäische Hitzerekord von 48,8 Grad in Floridia, Sizilien, stammt weiterhin aus dem August 2021. Am Mittelmeer gab es immer wieder extreme Hitzewellen, wie beispielsweise im Sommer 2007. Wie aber schon erwähnt, ist die jüngste Serie von extrem heißen Tagen rekordverdächtig.

Um die Rolle des Klimawandels einzuschätzen, muss man sich anderer Betrachtungen bedienen. Fakt ist, dass die Durchschnittstemperatur in Europa in den vergangenen 100 Jahren um 1 bis 2 Grad angestiegen ist. Damit werden extreme Hitzewellen wahrscheinlicher. Und dass diese tatsächlich immer häufiger auftreten, lässt sich bereits beobachten.

Nur wenige lange Klimareihen

Es kommt also nicht auf die einzelne Hitzewelle an, sondern darauf, dass ihre Anzahl zunimmt. In der Attributionsforschung (Zuordnungsforschung) wird untersucht, inwieweit der menschengemachte Klimawandel für auftretende Wetterextreme verantwortlich ist. Es gibt nur wenige lange Klimareihen, mit denen aktuelle Ereignisse verglichen werden können. Deshalb wird das Klima in Modellrechnungen simuliert, wie es ohne die vom Menschen eingebrachten Treibhausgase herrschen würde. Die Rechenergebnisse können dann mit aktuellen Ereignissen verglichen werden. Demnach wären einige der zuletzt weltweit beobachteten Hitzewellen ohne den menschengemachte Klimawandel sehr unwahrscheinlich bzw. nahezu unmöglich gewesen.

Die Hitze im Juli 2023 spiegelt sich in der Wassertemperatur des Mittelmeeres wider. Zwischen Süditalien und Afrika beträgt sie inzwischen verbreitet 30 Grad. Die Meeresoberfläche ist aktuell um 2 bis 5 Grad wärmer als üblich, wie die Abbildung oben für den 25. Juli 2023 zeigt.

Das sind wirklich bemerkenswerte Abweichungen. Seit mindestens 40 Jahren war das Wasser nicht wärmer als jetzt, selbst in keinem August, der normalerweise die höchsten Wassertemperaturen bringt. In den Jahrzehnten davor gab es noch keine belastbaren Messwerte zur Temperatur des Mittelmeers.

Dynamische Gewitterlagen in Deutschland eher seltener

Aussagen zu den Hagelunwettern vor dem Hintergrund des Klimawandels sind ebenfalls schwierig. Eine Serie von sechs Unwettertagen in Folge wie zuletzt ist sicherlich selten und der Hagelstein mit 19 Zentimetern Durchmesser gilt als Rekord. Heute besitzt nahezu jeder ein Handy, so dass es viele Fotos von Hagelsteinen oder Tornados gibt. Über die sozialen Medien gelangt fast alles an die Öffentlichkeit.

Aber wie hat man das in früheren Jahrzehnten kommuniziert? Ganz sicher sind ähnliche Extremereignisse in den 1980er Jahren, sofern sie aufgetreten sind, häufig nicht an die Öffentlichkeit vorgedrungen. In Deutschland sind dynamische Gewitterlagen in den vergangenen Jahren seltener gewesen als früher. Hier drängt sich der Verdacht bisher nicht auf, dass der Klimawandel Großhagelereignisse begünstigt.

Je trockener die Vegetation, desto besser brennt sie

Und da wären schließlich noch die Waldbrände. Auch hier wäre es zu einfach, sie alle dem Klimawandel zuzuschreiben. Man muss mehr über mögliche Brandursachen wissen. Die Vegetation entzündet sich nicht einfach so, egal wie heiß es ist.

Als natürliche Brandursache kommen eigentlich nur Blitzeinschläge in Frage. Die meisten Brände entstehen jedoch durch den Menschen. Hier kommt Unachtsamkeit in Frage, wie weggeworfene Zigarettenstummel. Häufig steckt aber Brandstiftung dahinter.

Der Einfluss des Wetters kommt erst dann zum Tragen, wenn ein Brand bereits da ist. Hitze sorgt für eine starke Verdunstung, die Vegetation trocknet aus. Je trockner sie ist, desto besser brennt sie. Eine zentrale Rolle spielt der Wind. Er kann Feuer stark anfachen und rasch ausbreiten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR aktuell am 24. Juli 2023 um 18:25 Uhr.