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Krieg gegen die Ukraine ++ NATO offenbar einig bei neuen Abwehrplänen ++

Stand: 10.07.2023 23:36 Uhr

Die NATO-Staaten haben sich Berichten zufolge auf neue Abwehrpläne gegen mögliche russische Angriffe verständigt. Russland soll die Produktion der Kampfjets Su-34 und Su-35 verdoppelt haben. Der Liveblog vom Montag zum Nachlesen.

10.07.2023 • 23:36 Uhr

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Kurz vor Beginn des NATO-Gipfels in Litauen hat der türkische Präsident Erdogan zugestimmt, den Beitritt Schwedens zu dem Bündnis zu ermöglichen. Das teilte NATO-Generalsekretär Stoltenberg mit.

Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge steht die Mehrheit der NATO-Länder hinter der Ukraine. Der Gipfel in Vilnius müsse bestätigen, dass die Ukraine de facto Mitglied des Militärbündnisses sei, sagt Selenskyj bei seiner abendlichen Videoansprache. "Unsere Waffen sind die der Allianz. Unsere Werte sind die, an die die Allianz glaubt." Vilnius müsse das anerkennen.

Auf dem zweitägigen Spitzentreffen soll auch über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine beraten werden.

Bei einem russischen Angriff auf ein Hilfszentrum im Süden der Ukraine sind ukrainischen Angaben zufolge sieben Menschen getötet worden. Drei Frauen im Alter von 43, 45 und 47 Jahren und ein 47-jähriger Mann seien sofort tot gewesen, erklärte der örtliche Gouverneur Jurij Malaschko in Online-Netzwerken. In den Trümmern seien später die Leichen von drei weiteren Verschütteten gefunden worden, erklärten die Rettungsdienste. Damit sei die Zahl der Getöteten "auf sieben gestiegen".

Das Hilfszentrum befand sich den Angaben zufolge in einem Wohngebiet in der Stadt Orichiw, die nahe der Front liegt. Malaschko sprach von einem "Kriegsverbrechen". Der ukrainische Generalstaatsanwalt erklärte, das Hilfezentrum sei am Sonntagmittag unter Beschuss geraten. Dabei seien auch 13 Menschen verletzt worden. Auf von der Staatsanwaltschaft veröffentlichten Fotos ist ein teilweise eingestürztes zweistöckiges Gebäude zu sehen, das von Trümmern umgeben ist.

Der NATO-Gipfel in Vilnius am Dienstag wird nach Angaben des polnischen Präsident Andrzej Duda kein Startsignal für die Aufnahme der Ukraine in die Allianz geben. Duda sagt in einem Interview mit "Bild", "Welt" und "Politico": "Ich denke nicht, dass die Ukraine eine Einladung in die NATO bekommen wird im formellen Sinn. Die Einladung ist ja ein entscheidender Schritt zur Mitgliedschaft." Der Präsident stellte aber klar: "Ich würde es begrüßen, wenn es eine solch Entscheidung geben würde."

Duda will in Vilnius bei den anderen Staaten dafür werben, dass die NATO-Außenminister bei ihrer Tagung im November mit der Einleitung des Bewertungsverfahrens der Ukraine ein deutliches Zeichen setzen, "dass das Verfahren der Aufnahme begonnen hat." Er sehe Chancen dafür, dass das Tasking-Verfahren in den Beschlüssen von Vilnius Eingang finde.

Bei der türkischen Zustimmung zur Aufnahme Schwedens in die NATO und einem EU-Beitritt der Türkei handelt es sich nach Auffassung der US-Regierung um "getrennte Fragen". "Die Vereinigten Staaten haben die EU-Bestrebungen der Türkei jahrelang unterstützt und tun dies auch weiterhin", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Es handle sich aber um eine Angelegenheit zwischen der Europäischen Union und der Türkei. Die Frage nach einer Wiederaufnahme des vor Jahren auf Eis gelegten EU-Beitrittsprozess für die Türkei sollte kein "Hindernis" für den Beitritt Schwedens in das Verteidigungsbündnis sein, sagte Miller.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson und EU-Ratspräsident Charles Michel zusammengetroffen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte Erdogan und Kristersson am Abend zu einem Vermittlungsgespräch in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Nach Angaben von Diplomaten wurde Erdogans Treffen mit Kristersson und Stoltenberg für die Beratungen mit Michel unterbrochen.

Stoltenberg hofft auf eine Lösung im Streit um den NATO-Beitritt Schwedens, den die Türkei bisher blockiert. Erdogan hatte vor seiner Abreise nach Vilnius allerdings überraschend eine neue Forderung aufgestellt. Er machte die Wiederaufnahme der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei zur Bedingung für seine Zustimmung zum NATO-Beitritt Schwedens.

US-Präsident Joe Biden ist in Litauens Hauptstadt Vilnius eingetroffen, wo er am Dienstag und Mittwoch am NATO-Gipfel teilnehmen wird. Die Präsidentenmaschine Air Force One landete auf dem internationalen Flughafen in Vilnius. Der 80-Jährige wurde von Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda begrüßt. Mit Biden reiste auch US-Außenminister Antony Blinken.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat gemeinsam mit ihren Amtskollegen aus den baltischen Staaten, Polen und der Ukraine dazu aufgerufen, der Ukraine beim NATO-Gipfel eine klare Perspektive zur Mitgliedschaft aufzuzeigen. "Wir rufen die Bündnispartner auf, die Verpflichtung einzugehen, dass die Ukraine Mitglied der NATO wird und das Bündnis einen Weg für den Beitritt der Ukraine zur NATO ebnen wird", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Ukraine solle durch eine politische Entscheidung ähnlich wie Finnland zum NATO-Beitritt eingeladen werden, sobald die Bedingungen dies zuließen.

Die Bestätigung eines Treffens zwischen Wladimir Putin und Jewgeni Prigoschin hat die Spekulationen weiter angeheizt, warum der russische Präsident den Wagner-Chef nach der abgebrochenen Revolte seiner Kämpfer bisher ungeschoren hat davonkommen lassen. Putins ehemaliger Redenschreiber Abbas Galljamow sagte der Nachrichtenagentur AP, Putin erkenne an, dass Prigoschin im Grunde ein Patriot sei. Außerdem brauche er die Wagner-Söldner an der Front in der Ukraine. Prigoschin wiederum sei darauf angewiesen, dass ihn Putin nicht ins Gefängnis stecken lasse. Aus der Rebellion sei der Wagner-Chef aber jedenfalls gestärkt hervorgegangen, sagte Galljamov von Tel Aviv aus in einem Videogespräch. "Er hat gezeigt, dass er Herr der Lage ist."

Die NATO-Staaten haben sich einem Bericht zufolge auf neue Pläne für die Abwehr von möglichen russischen Angriffen auf das Bündnisgebiet verständigt. Die Annahme der Dokumente erfolgte in einem schriftlichen Verfahren, wie die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Diplomaten schreibt. Die Entscheidung soll am Dienstag von den Staats- und Regierungschefs noch einmal bestätigt und dann offiziell verkündet werden.

Die insgesamt mehr als 4000 Seiten starken Verteidigungspläne beschreiben demnach detailliert, wie kritische Orte im Bündnisgebiet durch Abschreckung geschützt und im Ernstfall verteidigt werden sollten. Dafür wird auch definiert, welche militärischen Fähigkeiten notwendig sind. Neben Land-, Luft-, und Seestreitkräften sind auch Cyber- und Weltraumfähigkeiten eingeschlossen.

Auch die Nachrichtenagentur Reuters berichtet unter Berufung auf Diplomaten von einer Einigung auf regionale Verteidigungspläne. Demnach hatte die Türkei die Verabschiedung wegen verschiedener Formulierungen blockiert.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat die NATO-Mitgliedstaaten gedrängt, seinem Land eine Einladung in das Bündnis auszusprechen. "Wir glauben, dass jetzt die beste Zeit ist, um eine solche Entscheidung zu fällen", sagte er im Interview mit den tagesthemen. Bedenken einiger NATO-Staaten, durch eine Einladung in einen Krieg mit Moskau hineingezogen zu werden, trat er entgegen. "Wir glauben, dass die Einladung an sich niemanden in einen Krieg ziehen wird", sagte er. Eine solche sei vielmehr "eine politische Botschaft an die Ukraine". Es gehe nicht um eine sofortige Mitgliedschaft.

Eine mögliche Aufnahme seines Landes in das Bündnis bezeichnete Kuleba als einen Weg zu Frieden in Europa. "Sobald die Ukraine der NATO beitreten kann, gibt es keine Kriege mehr in Europa." Seiner Einschätzung nach würde Russland es dann nicht wagen, das Bündnis anzugreifen. "Eine NATO-Mitgliedschaft kann diesen Krieg nicht stoppen, aber sie kann zukünftige Kriege in Europa vermeiden", so der Minister.

Kanada wird seine Militärpräsenz in Lettland nach Angaben von Premierminister Justin Trudeau "mehr als verdoppeln". Die zusätzlichen Soldaten würden die "Fähigkeiten an Land, im Wasser und in der Luft verstärken und verbessern und Spezialeinsätze in Zentral- und Osteuropa unterstützen", sagte Trudeau auf einem Militärstützpunkt im lettischen Adazi. Es handele sich bei der Verstärkung um einen Teil einer Investition von umgerechnet knapp 2,4 Milliarden Euro, zu der auch der Kauf von Waffensystemen gehöre.

"Wir werden unsere Präsenz mehr als verdoppeln und bis zu 1200 zusätzliche Angehörige der kanadischen Streitkräfte entsenden, um der Demokratie und dem Rechtsstaat zu dienen und sie zu verteidigen", sagte Trudeau. "Dies ist nur eine weitere Art, wie Kanada unsere Verbündeten unterstützt und sich gegen die Aggression des Kremls stellt." 

Einen Tag vor Beginn des NATO-Gipfels in Litauen ist das Land nach Angaben der Regierung Ziel von mehreren Cyberangriffen geworden. Betroffen waren unter anderem Internetseiten der Hauptstadt Vilnius, wie der Leiter des Nationalen Zentrums für Cybersicherheit, Liudas Alisauskas, sagte. Sie wurden demnach bei sogenannten DDoS-Angriffen ("Distributed Denial of Service") durch eine Flut von Anfragen derart überlastet, dass sie nicht mehr erreichbar waren.

Unter anderem waren demnach die Website für Tourismus-Informationen sowie eine App für den öffentlichen Nahverkehr von den Angriffen betroffen. "Dies sind grundlegende Dienste, die für unsere Gäste zur Verfügung stehen müssen", sagte Alisauskas. Nach Angaben der Behörde wurden das Personal sowie die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten und der Polizei verstärkt.

Wie das Zentrum weiter erklärte, erhielt es am Sonntag zudem einen Bericht über zwei weitere Cybervorfälle. Bei einem davon wurde demnach ein regionaler Radiosender gehackt. Dabei sei die laufende Sendung durch Falschinformationen unterbrochen worden, die sich gegen die NATO und die Ukraine gerichtet hätten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will die von den USA geplante Lieferung von Streumunition an die Ukraine nicht bewerten. "Das ist eine souveräne Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika", sagte Scholz nach einem Treffen mit dem australischen Premierminister Anthony Albanese in Berlin. Ein Kommentar zur amerikanischen Entscheidung "verbietet sich in diesem Zusammenhang". Scholz betonte aber, dass Deutschland dem internationalen Abkommen zur Ächtung von Streumunition beigetreten sei. "Deswegen können wir für uns sagen, dass wir das nicht tun, weil wir uns entsprechend eingelassen haben."

Australien beteiligt sich mit einem Militärflugzeug und bis zu 100 australischen Soldaten und zivilen Mitarbeitern an der Versorgung der Ukraine mit militärischer und humanitärer Hilfe. Das Flugzeug vom Typ E-7A Wedgetail soll die multinationalen Logistik-Hubs für die Ukraine überwachen, für sechs Monate in Deutschland stationiert werden und im europäischen Luftraum operieren. Das kündigte der australische Premierminister Anthony Albanese nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin an.

Die Ukraine hat nach eigenen Angaben Schlüsselpositionen um die umkämpfte Stadt Bachmut im Osten des Landes eingenommen. Die Soldaten hätten in den vergangenen Tage die Kontrolle über "Eingänge, Ausgänge und die Bewegungen des Feindes in der Stadt" gewonnen, erklärte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar im Onlinedienst Telegram.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich indes gegen eine Verknüpfung des NATO-Beitritts Schwedens mit einer Wiederbelebung des EU-Beitrittsprozesses mit der Türkei aus. Beide Fragen würden nicht miteinander zusammenhängen. "Deshalb, finde ich, sollte man das nicht als ein zusammenhängendes Thema verstehen", sagte Scholz. Er bekräftigte, dass Schweden alle Voraussetzung für einen NATO-Beitritt erfülle. "Ich hoffe, dass es uns bald gelingt, dass Schweden NATO-Mitglied werden kann."

Die NATO-Mitgliedstaaten haben nach Angaben von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg noch keine endgültige Entscheidung über die Beitrittsperspektive der Ukraine getroffen. Konsultationen über die Bedingungen für den Weg der Ukraine zur NATO-Mitgliedschaft seien weiterhin im Gange, sagte er in Vilnius nach einem Treffen mit den litauischen Staatspräsidenten Gitanas Nauseda.

Weiter betonte Stoltenberg, er sei jedoch sicher, dass die Verbündeten beim NATO-Gipfel eine gute, starke und positive Botschaft haben werden. Das zweitägige Spitzentreffen beginnt am Dienstag in Vilnius. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte zuvor auf Twitter eine angebliche Einigung der NATO-Mitglieder begrüßt, nach der die Ukraine auf vereinfachtem Weg ähnlich wie zuvor Finnland dem Militärbündnis beitreten könne. Demnach hätten die NATO-Verbündeten einen Konsens darüber erzielt, auf den Aktionsplan zur Mitgliedschaft zu verzichten. Stoltenberg sagte auf Nachfrage dazu nur, dass die 31 Verbündeten noch diskutieren und über genaue Formulierungen verhandeln. Daher werde er nicht näher darauf eingehen.

Joe Biden und der britische Premierminister Rishi Sunak haben beim Besuch des US-Präsidenten in London über die Entscheidung Washingtons gesprochen, die von Russland angegriffene Ukraine mit Streumunition zu beliefern. Bei dem Treffen am Amtssitz des Premiers in der Downing Street Nr. 10 sei es um die Ablehnung dieser Waffenart durch Großbritannien gegangen, bestätigte Sunaks Sprecher Max Blain.

Mehr als zwei Drittel der NATO-Mitglieder haben Streumunition geächtet, nicht aber die USA und die Kriegsparteien Ukraine und Russland. Zuerst müsse man festhalten, dass es "eine schwierige Entscheidung" für die USA gewesen sei, sagte Blain. Diese sei Washington durch den russischen Aggressionskrieg aufgezwungen worden. Zugleich verwies er auf etwas, das Sunak bereits am Wochenende betont habe: Großbritannien ist einer der Unterzeichnerstaaten des Osloer Übereinkommens, in dem seit 2010 die Ächtung von Streumunition festgelegt ist. In dem Zusammenhang seien die Verpflichtungen Londons diskutiert worden, keine Streumunition zu produzieren oder einzusetzen sowie von ihrem Gebrauch abzuraten.

	US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Rishi Sunak (links) verlassen 10 Downing Street nach einem Treffen in London.

US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Rishi Sunak (links) verlassen die Londoner Downing Street nach einem Treffen in London

Die Ukraine hat kurz vor dem NATO-Gipfel in Vilnius erneut eine klare Beitrittsperspektive von der Militärallianz gefordert. "Die Ukrainer in der NATO sind der Eckpfeiler der Sicherheit in Europa", schrieb der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, auf Twitter. Kiew werde ohne "aber" und bürokratische Verzögerungen NATO-Mitglied werden. "Bis dahin: noch mehr Technik, noch mehr Granaten, noch mehr Waffen", forderte Podoljak.

Der Kreml warnt im Fall einer Aufnahme der Ukraine in die NATO. Ein NATO-Beitritt der Ukraine wird "sehr negative Folgen für die gesamte und ohnehin schon halbzerstörte Sicherheitsarchitektur Europas haben und eine absolute Gefahr und Bedrohung für unser Land darstellen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Ein solcher Schritt würde von russischer Seite eine "ziemlich harte und verständliche Reaktion erfordern", fügte Peskow hinzu. Der Kreml wisse, dass vor dem NATO-Gipfel am Dienstag und Mittwoch in Litauen derzeit eine lebhafte Debatte unter den NATO-Mitgliedern über einen Beitritt der Ukraine laufe und "dass es dazu verschiedene Standpunkte gibt", sagte Peskow weiter. Das "Kiewer Regime" versuche mit verschiedenen Mitteln "Druck auf alle Beteiligten auszuüben, damit so viele Länder wie möglich im Vorfeld dieses Gipfels ihre Solidarität in dieser Frage demonstrieren".

Der russische Präsident Wladimir Putin hat seinem Sprecher zufolge wenige Tage nach dem Aufstand der Wagner-Gruppe den Söldnerchef Jewgeni Prigoschin getroffen. Am 29. Juni – fünf Tage nach dem Ende der Rebellion – hätten insgesamt 35 Personen an dem dreistündigen Treffen teilgenommen, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Die anwesenden Wagner-Kommandeure sagten Putin demnach, sie seien seine Soldaten und würden weiter für ihn kämpfen. Eine Stellungnahme von Prigoschin liegt nicht vor.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will nach eigenen Angaben mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin über die Verlängerung des ukrainischen Getreideabkommens sprechen. Dabei geht es um die Ausfuhr ukrainischen Getreides über die Schwarzmeerhäfen über den 17. Juli hinaus. Er erwarte auch einen Besuch Putins im August, sagte Erdogan vor seiner Abreise zum NATO-Gipfel.

US-Präsident Joe Biden ist zu einem Treffen mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak in der Londoner Downing Street eingetroffen. Biden kam am Vormittag mit seinem Konvoi am britischen Regierungssitz an. Biden legt auf seinem Weg zum NATO-Gipfel im litauischen Vilnius, der an diesem Dienstag beginnt, einen Zwischenstopp in London ein. Bei seinem Gespräch mit Sunak dürfte die Ukraine im Fokus stehen, im Anschluss empfängt König Charles III. Joe Biden auf Schloss Windsor.

"Beide sind bestrebt, Einigkeit zu zeigen", Sven Lohmann, ARD London, zu Bidens Besuch bei britischem Premier Sunak

tagesschau, 10.07.2023 12:00 Uhr

Russland hat einem Medienbericht zufolge die Produktion der Kampfjets Su-34 und Su-35 verdoppelt. Grund sei der Bedarf in der Ukraine, meldet die Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf einen Top-Manager des staatlichen Konzerns Rostec.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan knüpft einen NATO-Beitritt Schwedens jetzt an die weitere Annäherung seines Landes an die Europäische Union bis hin zu einer vollen Mitgliedschaft. Dies werde er beim Gipfel der 31 NATO-Staats- und Regierungschefs am Dienstag und Mittwoch in Vilnius deutlich machen, sagt Erdogan in Istanbul. Er erwarte, dass die EU den Weg für die Türkei zur Mitgliedschaft ebne, damit die Türkei den Weg Schwedens in die NATO ebnen könne.

Die NATO sieht im Fall der Ukraine nach Angaben von Außenminister Dmytro Kuleba von dem für einen Beitritt üblichen Membership Action Plan (MAP) zur Heranführung an die Standards der Allianz ab. Darauf hätten sich die 31 NATO-Staaten nach "intensiven Gesprächen" verständigt, erklärt Kuleba auf Twitter. "Ich begrüße diese lang erwartete Entscheidung, die unseren Weg in die NATO abkürzt."

Beim NATO-Gipfel im litauischen Vilnius werden die 31 Mitgliedstaaten nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen keine Einladung an die Ukraine in das Bündnis aussprechen. "Für eine Einladung der Ukraine, für konkrete Schritte in Richtung Mitgliedschaft (ist) der Zeitpunkt nicht da", hieß es in Berlin. "Hierfür gibt es auch unter den Verbündeten keinen Konsens." Aus deutscher Sicht sollte der Fokus nun darauf liegen, dass man der Ukraine in der jetzigen Situation ganz konkret helfe.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, hat versucht, Sorgen vor einem Einsatz von Streumunition im Krieg mit Russland zu zerstreuen. Es gebe einen klaren Plan, sagte Makeiev im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Wir werden die Streumunition erstens nicht auf dem Territorium Russlands benutzen." Zweitens werde sie nicht gegen zivile Einrichtungen eingesetzt. Gebiete, die mit Streumunition beschossen werden, würden anschließend bei der Räumung von Minen priorisiert.

Entgegen der Auffassung von jüngst etwa US-Präsident Joe Biden hält Makeiev sein Land bereit für einen NATO-Beitritt. "Wir haben in den letzten 500 Tagen klar gezeigt, dass die Ukraine NATO-reif ist", sagte er. "Auch im Krieg setzen wir unsere Reformen fort. Das wird auch anerkannt von den EU- und NATO-Mitgliedstaaten."

Die Bundesregierung schnürt einem Medienbericht zufolge ein neues Hilfspaket für die Ukraine. Es werde im Verlauf des anstehenden NATO-Gipfels am Dienstag und Mittwoch in Vilnius eine Ankündigung geben zu einer "sehr substanziellen" Lieferung von Hardware, sagte ein ranghoher Regierungsvertreter zufolge in Berlin. Details nannte er demnach nicht.

Die hohe Zahl an Verletzten im Angriffskrieg gegen die Ukraine beeinträchtigt nach Einschätzung britischer Geheimdienste die medizinische Versorgung in Russland. "Der Zustrom militärischer Opfer hat wahrscheinlich die normale Bereitstellung einiger russischer zivil-medizinischer Dienste beeinträchtigt, insbesondere in den Grenzregionen zur Ukraine", teilte das Verteidigungsministerium in London mit. "Wahrscheinlich sind spezialisierte Militärkrankenhäuser für Verletzungen von Offizieren reserviert."

Angesichts von 400 Opfern im Durchschnitt pro Tag seit Kriegsbeginn herrsche "mit ziemlicher Sicherheit" eine Versorgungskrise bei der Betreuung verletzter russischer Soldaten. Das Ministerium zitierte den Leiter der Kampfmedizin-Ausbildung des Rüstungsunternehmens Kalaschnikow mit den Worten, bis zu 50 Prozent der Getöteten hätten bei angemessener Erster Hilfe gerettet werden können. Dass Verletzte nur langsam evakuiert und Verbandsmaterial unsachgemäß verwendet werde, sei "eine der Hauptursachen für vermeidbare Todesfälle und Amputationen", hieß es unter Berufung auf Medienberichte.

Die ukrainische Armee meldet weitere Fortschritte bei der Gegenoffensive gegen die russischen Invasionstruppen. Eigenen Angaben zufolge hätten die ukrainischen Streitkräfte in der vergangenen Woche insgesamt 14 Quadratkilometer von den russischen Streitkräften zurückerobert. Seit Beginn der Gegenoffensive im vergangenen Monat seien es bisher 169 Quadratkilometer an der Südfront und 24 Quadratkilometer um die östliche Stadt Bachmut, teilte das Militär mit. Die Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen. Die ukrainische Offensive kam zuletzt angesichts der massiven Verteidigungsstellungen der russischen Armee nur langsam voran.

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Bei einem russischen Angriff auf die frontnahe Stadt Orichiw im Süden der Ukraine sind nach offiziellen Angaben mindestens vier Zivilisten getötet und elf weitere verletzt worden. Das Wohnviertel sei während der Ausgabe von humanitärer Hilfe von einer gelenkten Fliegerbombe getroffen worden, teilte der Chef der Militärverwaltung der Region Saporischschja, Jurij Malaschko, auf seinem Telegramkanal mit. Drei Frauen im Alter zwischen 43 und 47 und ein 47-jähriger Mann seien auf der Stelle getötet worden. Insgesamt hätten russische Truppen 36 Angriffe auf 10 Ortschaften in der Region durchgeführt.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Erstmals seit dem Söldner-Aufstand in Russland im vergangenen Monat ist Generalstabschef Waleri Gerassimow offenbar wieder öffentlich aufgetreten. Das Verteidigungsministerium in Moskau veröffentlichte Aufnahmen von einer Sitzung, in der Gerassimow über die Abwehr ukrainischer Raketenangriffe auf die annektierte Halbinsel Krim sowie die russischen Regionen Rostow und Kaluga informiert wird. Dabei wurde sein Titel, Chef des Generalstabs der russischen Streitkräfte, verwendet. Die Sitzung soll am Sonntag stattgefunden haben. Ob das Video tatsächlich vom Sonntag stammt oder schon älter ist, ist unklar.

Nach dem Abbruch der kurzzeitigen Rebellion der Söldner-Gruppe Wagner am 24. Juni waren einige Top-Generäle nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetaucht. Daher wurde spekuliert, ob führende Militärs womöglich vorab von den Plänen des Söldner-Chefs Jewgeni Prigoschin wussten.

In Polen ist nach Angaben von Innenminister Mariusz Kaminski ein weiteres Mitglied eines russischen Spionagenetzwerks festgenommen worden. Die verdächtige Person habe militärische Einrichtungen und Seehäfen beobachtet und sei systematisch von den Russen bezahlt worden, schrieb Kaminski auf Twitter. Insgesamt seien damit bei Ermittlungen in diesem Zusammenhang bislang 15 Menschen in Gewahrsam genommen worden.

Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags sehen derzeit keine rechtlichen Anhaltspunkte dafür, dass Deutschland oder andere NATO-Staaten über ihre Waffenlieferungen am Krieg in der Ukraine beteiligt sind - so wie Russland es ihnen vorwirft. "Noch finden sich in der Völkerrechtslehre keine expliziten Rechtsauffassungen, welche die Unterstützung der NATO-Staaten zugunsten der Ukraine pauschal als eine Form der Konfliktbeteiligung bewerten", heißt es in einem aktuellen Gutachten, das von der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen in Auftrag gegeben wurde und der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.

Allerdings bemängeln die Wissenschaftler, dass die Kriterien für eine Konfliktbeteiligung im Völkerrecht nicht klar genug definiert seien. Dabei gehe es nicht nur um etwa den Umfang der gelieferten Waffen. Auch müsse berücksichtigt werden, inwieweit Staaten an der Koordinierung, Zielsetzung oder Steuerung von Kampfhandlungen etwa über Informationen ihrer Geheimdienste oder militärische Beratung und Ausbildung beteiligt sind.

Der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken hat mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba telefoniert. Er habe ein wichtiges Gespräch mit Kuleba im Vorfeld des NATO-Gipfels geführt, schrieb Blinken am späten Sonntagabend auf Twitter. Kuleba teilte ebenfalls auf Twitter mit, das Telefonat mit Blinken sei "produktiv" gewesen. "Wir haben noch 48 Stunden Zeit und arbeiten daran, dass die endgültigen Entscheidungen ein Gewinn für alle sind: für die Ukraine, die NATO und die globale Sicherheit." Die Ukraine hofft, in Vilnius ein klares Signal für eine NATO-Beitrittsperspektive zu erhalten.

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj haben die ukrainischen Streitkräfte bei den Kämpfen im Südosten ihres Landes die Initiative ergriffen. "Wir kommen vorwärts, wir stecken nicht fest", sagte Selenskyj dem US-amerikanischen TV-Sender ABC.

In zwei Gebieten im Südosten tobten schwere Kämpfe, teilte die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maljar auf Telegram mit. Die russischen Truppen verteidigten Bachmut, während die ukrainischen Streitkräfte an der Südflanke der Stadt "einen gewissen Vorstoß" verzeichneten. Nördlich von Bachmut gebe es keine Positionsveränderungen. Westlich der Stadt und in der Nähe von Lyman weiter nördlich gebe es weiter heftige Kämpfe.

Das russische Verteidigungsministerium teilte hingegen mit, russische Truppen hätten ukrainische Vorstöße in der Nähe von Bachmut zurückgedrängt. Die Angaben beider Konfliktparteien lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.

Kurz vor dem NATO-Gipfel in dieser Woche hat sich der Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, für eine frühestmögliche NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ausgesprochen und dafür plädiert, das Land auch mit Kampfjets zu unterstützen. Heusgen sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post" und dem Bonner "General-Anzeiger": "Die Ukraine muss und sie wird auch Mitglied der NATO werden - sobald die Bedingungen es zulassen." 

Das Land in der jetzigen Phase des Konflikts aufzunehmen, scheide aus, da dies das Bündnis durch die Beistandsverpflichtung nach Artikel fünf des Nordatlantikvertrages direkt in den Krieg hineinziehen würde, sagte Heusgen. Allerdings solle der am Dienstag beginnende NATO-Gipfel in Vilnius das Signal aussenden, "dass die Ukraine zur NATO-Familie gehört". 

Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, russische Truppen hätten ukrainische Vorstöße in der Nähe von Bachmut zurückgedrängt. Die heftigen Kämpfe dort würden durch die hügelige Topografie erschwert. Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow teilte indessen mit, seine Kämpfer seien in der Region Bachmut. Laut russischen Berichten ist Kadyrow krank, verletzt oder "im Urlaub".

Das ukrainische Gebiet Sumy im nordöstlichen Teil des Landes nahe der Grenze zu Russland ist laut Angaben der regionalen Militärverwaltung erneut zum Ziel von russischem Granatenbeschuss geworden. Im Tagesverlauf am Sonntag seien elf Explosionen registriert worden, teilte die Militärverwaltung am Abend bei Telegram mit. Es seien aber bislang weder Opfer noch Schäden an der zivilen Infrastruktur gemeldet worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen. Wegen ständigen russischen Beschusses hatte die ukrainische Armee die Bevölkerung der Grenzkreise im nordöstlichen Gebiet Sumy Ende Juni zur Flucht aufgefordert.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Ein NATO-Beitritt der Ukraine kommt für SPD-Chef Lars Klingbeil vor dem Ende des russischen Angriffskriegs nicht in Frage. "Die NATO kann die Ukraine nicht aufnehmen, solange sie im Krieg ist, sonst wären Deutschland und die anderen Bündnisstaaten sofort Kriegspartei", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Vom NATO-Gipfel in Vilnius werde dennoch ein klares Signal der engen militärischen Kooperation mit der Ukraine ausgehen, sagte er. Es gehe unter anderem darum, die Ausbildung ukrainischer Soldaten zu stärken und schon jetzt die Ukraine an NATO-Standards heranzuführen. Und zur Frage weiterer Waffenlieferungen an die Ukraine versicherte Klingbeil: "Was wir wirklich abgeben können, wird geliefert."

Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, hat die Öffentlichkeit über Zusagen der Ukraine beim Einsatz der angekündigten US-Lieferung von Streumunition informiert. Demnach hat die Regierung in Kiew schriftlich zugesichert, die Streumunition nicht auf russischem Territorium und auch nicht in bevölkerten Gebieten einzusetzen.

US-Präsident Joe Biden ist in Großbritannien eingetroffen. Die Air Force 1 des Präsidenten landete am Sonntagabend auf dem Flughafen London Stansted, wie ein mitreisender Reporter berichtete. Heute stehen für Biden Treffen mit Premierminister Rishi Sunak im britischen Regierungssitz 10 Downing Street und mit König Charles III. auf Schloss Windsor an. Mit Sunak will Biden eine Reihe bilateraler und globaler Themen besprechen. Dabei dürfte es auch vor allem um die Ukraine und die Frage gehen, wie weit die NATO die Tür für das von Russland attackierte Land öffnen soll. Am Abend ist Bidens Weiterreise ins litauische Vilnius geplant, wo morgen der NATO-Gipfel beginnt.

Ralf Borchard, ARD Washington, zzt. Vilnius, tagesschau, 10.07.2023 06:19 Uhr

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat einen besseren Schutz der Grenze zu Belarus gefordert. Der Kreml hat die NATO aufgerufen, sich mit der Lage am AKW Saporischschja zu befassen. Der Liveblog vom Sonntag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 09. Juli 2023 um 12:00 Uhr.