Gefangene ukrainische Soldaten liegen sich nach ihrer Freilassung in den Armen
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Krieg gegen die Ukraine ++ Russland und Ukraine tauschen Gefangene aus ++

Stand: 03.01.2024 23:01 Uhr

Russland und die Ukraine haben etwa 450 Kriegsgefangene ausgetauscht. Außenpolitiker von Union und Grünen drängen auf die Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern an die Ukraine. Die Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen.

03.01.2024 • 23:00 Uhr

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Der ukrainische Energieversorger Ukrenerho rechnet nicht mit einem Zusammenbruch des Stromnetzes, selbst wenn Russland die kommende Kälte für neue Angriffe nutzen sollte. "Der Feind wird das nicht erreichen", sagte Ukrenerho-Chef Wolodymyr Kudryzkyj nach Firmenangaben in Kiew. Es wäre nicht das erste Mal, dass Russland speziell auf Anlagen der Energieversorgung zielen könnte. Treffer würden zwar Probleme bereiten. "Aber ich bin sicher, dass es nur um zeitweise Unterbrechungen der Stromversorgung wegen Schäden an einigen Anlagen gehen wird", sagte Kudryzkyj. "Es wird keinen Zusammenbruch des Stromnetzes geben." Er riet den Ukrainern trotzdem, sparsam mit Strom umzugehen.

Im vergangenen Winter hatte Russland mit Drohnen und Raketen versucht, die Versorgung mit Strom, Wärme und Wasser in der Ukraine zu zerstören. Es gab Ausfälle, aber das System hielt insgesamt stand. Über den Sommer wurden viele Anlagen nach offiziellen Angaben erneuert und besser gesichert. Auch in diesem Winter hat es bereits Angriffe auf die Energieinfrastruktur gegeben. Die schweren Attacken aus der Luft richten sich derzeit nach Einschätzung westlicher Experten aber vornehmlich gegen die ukrainische Rüstungsindustrie.

Die USA weisen einen Medienbericht zurück, wonach sie eine Änderung der ukrainischen Strategie im Krieg gegen Russland anstreben. Ein Sprecher des Außenministeriums erklärt auf eine entsprechende Journalistenfrage, dies sei "nicht wahr". Das Medium Politico hatte am 27. Dezember berichtet, die USA und europäische Vertreter würden insgeheim ihren Fokus ändern. Demnach solle nicht mehr das ukrainische Ziel eines kompletten Sieges über Russland vorangetrieben werden. Vielmehr werde eine Verbesserung der Lage vor Verhandlungen zur Beendigung des Krieges befürwortet. Als Quellen wurden ein namentlich nicht genannter Vertreter der US-Regierung sowie ein europäischer Diplomat genannt.

Fachleute der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sind nach Angaben der Organisation daran gehindert worden, die Reaktorhallen von drei Blöcken im von Russland besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja zu inspizieren. Experten hätten in den vergangenen zwei Wochen die Reaktorhallen der Blöcke eins, zwei und sechs nicht betreten dürfen, erklärte IAEA-Direktor Rafael Grossi. Es sei das erste Mal, dass IAEO-Experten keinen Zugang zu einer Reaktorhalle eines Blocks erhalten haben, der sich in der Kaltabschaltung befand.

Zudem sei der Zugang zu einigen Teilen der Turbinenhallen des Kraftwerks weiterhin eingeschränkt, erklärte Grossi. Die IAEA warte zudem auf den für den 19. Dezember geplanten Zugang zu den Reaktordächern, der "aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht stattgefunden hat". Grossi erklärte weiter, sein Team werde weiterhin Zugang zu den Reaktorhallen beantragen, in denen sich der Reaktorkern und die abgebrannten Brennelemente befinden.

Grossi sagte außerdem, dass das Notstromsystem des AKW verbessert worden ist. Die russischen Betreiber hatte auf Drängen der IAEA ein System eingerichtet, mit dem das AKW automatisch mit einer Reserve-Stromleitung verbunden wird, falls die Hauptleitung ausfällt.

Der ehemalige Chef eines Foltergefängnisses der ostukrainischen Separatisten in Donezk ist zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Gericht sah die Misshandlung von Gefangenen durch den Mann als erwiesen an, meldete der ukrainische öffentlich-rechtliche Rundfunk. Zudem wurde er als Mitglied der sogenannten Volksrepublik Donezk verurteilt, die in der Ukraine als terroristische Vereinigung gilt. Der Verurteilte war 2021 in Kiew vom Geheimdienst SBU festgenommen worden. Das Urteil ist erstinstanzlich und kann noch angefochten werden.

Das russische Verteidigungsministerium hat mitgeteilt, dass 248 russische Kriegsgefangene als Ergebnis "komplexer" Verhandlungen unter Vermittlung der Vereinigten Arabischen Emirate aus der Ukraine nach Russland zurückgeführt worden seien. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij gab seinerseits auf X, vormals Twitter, bekannt, mehr als 200 ukrainische Gefangene seien aus Russland zurückgebracht worden.

Es ist der erste offiziell vermeldete Gefangenenaustausch seit mehreren Monaten. Seit Beginn des Krieges vor fast zwei Jahren haben beide Seiten mehrmals solche Aktionen vereinbart und vorgenommen. In der zweiten Hälfte vergangenen Jahres geriet dieser Prozess aber ins Stocken.

Der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal hat den Westen für 2024 um Finanzhilfen in Höhe von gut 37 Milliarden Dollar (33,67 Milliarden Euro) gebeten. Um ihre Wirtschaft trotz des russischen Angriffskrieges in Stand zu halten, brauche die Ukraine "regelmäßige, stabile und rechtzeitige" finanzielle Unterstützung durch den Westen, sagte Schmyhal bei der ersten Sitzung seines Kabinetts im neuen Jahr.

Gleichzeitig versicherte Schmyhal, dass die Ukraine ihre Haushaltseinnahmen erhöhen wolle. Fast die Hälfte der Staatsausgaben - 43,9 Milliarden Euro und damit etwa 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - sollen demnach für Verteidigung und Sicherheit ausgegeben werden.

Während die Ukraine 2023 noch 42,6 Milliarden Dollar an externer Unterstützung erhielt, wächst mittlerweile die Sorge vor einem Nachlassen der finanziellen Unterstützung aus dem Westen. Laut einer Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft waren die zugesagten Hilfen an die Ukraine zwischen August und Dezember 2023 um 90 Prozent niedriger als zum gleichen Zeitpunkt ein Jahr zuvor.

Der ukrainische Grenzschutz hat eine Gruppe aus zwölf wehrpflichtigen Männern mit Warnschüssen an der Flucht aus dem Kriegsland gehindert. Der Vorfall habe sich an der Grenze zu Ungarn ereignet, teilte die Behörde in Kiew mit. Alle zwölf stammen demnach aus dem an Ungarn grenzenden Gebiet Transkarpatien. Die Flüchtlinge hatten vorher einem Ortskundigen für die Fahrt zur Grenze pro Kopf umgerechnet 285 Euro bezahlt. Der Fahrer wurde wenig später ebenfalls festgenommen.

Den Flüchtlingen drohen für den versuchten Grenzdurchbruch Geldstrafen. Der Fluchthelfer muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu neun Jahren rechnen. Parallel dazu wurden zwei weitere wehrpflichtige Flüchtlinge an der Grenze zur Republik Moldau gestoppt. Sie waren mithilfe einer Überwachungsdrohne entdeckt worden.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat die NATO mit dem deutschen Rüstungshersteller Comlog einen Vertrag über bis zu 1000 neue "Patriot"-Flugabwehrraketen geschlossen. Das Unternehmen im oberbayrischen Schrobenhausen soll unter anderem Raketen, Ersatzteile und Testsysteme liefern, wie die gemeinsame Beschaffungsstelle der NATO mitteilte.

Die NATO-Staaten wollen damit ihre Luftabwehrsysteme stärken. Die Investition sei ein Zeichen für die Stärke des Militärbündnisses, erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu der Ankündigung. "Die russischen Raketen- und Drohnenangriffe auf ukrainische Zivilisten, Städte und Ortschaften zeigen, wie wichtig eine moderne Luftverteidigung ist", erklärte Stoltenberg weiter.

Das Unternehmen Comlog ist eine Tochter der Rüstungshersteller MBDA und Raytheon, für den Auftrag bekommt die Firma nach Angaben der NATO rund 5,5 Milliarden Euro. Damit werde der Aufbau einer  Produktionsstätte für "Patriot"-Raketen in Deutschland möglich, erklärte MBDA-Geschäftsführer Thomas Gottschild.

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben über der grenznahen Stadt Belgorod zwölf ukrainische Raketen abgefangen. Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow teilte via Telegram mit, die Regionalhauptstadt sei am Mittwochmorgen in zwei Salven beschossen worden. Die Luftabwehr habe funktioniert. Die Lage in Belgorod sei angespannt, weitere Einzelheiten werde er im Laufe das Tages nach einer Inspektion mitteilen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Angesichts der jüngsten russischen Luftangriffe pochen Außenpolitiker von Union und Grünen auf die Lieferung von deutschen "Taurus"-Marschflugkörpern an die Ukraine. "Insbesondere notwendig ist, dass 'Taurus' schnell geliefert wird", sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Deutschland habe schon viel geleistet im Bereich der Flugabwehr. 

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen fordert die Lieferung der deutschen Marschflugkörper ebenfalls: Die Ukraine brauche sie dringend, "um sich auf eigenem Territorium gegen die russischen Angriffe verteidigen zu können". Die ukrainische Regierung habe bislang westliche Waffen nur auf eigenem Territorium eingesetzt und nicht auf russischem. "Sie sichert das auch für den Einsatz von 'Taurus' zu", betonte Röttgen.

Nach Einschätzung der britischen Regierung nimmt Russland bei seinen Luftangriffen besonders die ukrainische Verteidigungsindustrie ins Visier. Russland habe seit dem 29. Dezember die Intensität seiner Attacken gegen die Ukraine erhöht, teilte das Verteidigungsministerium in London mit.

Russische Streitkräfte hätten einen signifikanten Teil der in den vergangenen Monaten aufgebauten Bestände an Marschflugkörpern und ballistischen Raketen eingesetzt. Die jüngsten Angriffe hätten wahrscheinlich vor allem der Verteidigungsindustrie der Ukraine gegolten - nicht der Energieinfrastruktur wie noch im vergangenen Winter, schrieben die Briten auf der Plattform X (früher Twitter).

Der Energieriese Gazprom hat eigenen Angaben zufolge einen neuen Tagesrekord für Gaslieferungen nach China erzielt. Über die Pipeline "Power of Siberia" sei am Vortag mehr Gas als je zuvor binnen einen Tages in das Nachbarland befördert worden, teilte der staatlich kontrollierte Konzern mit. Zudem habe Gazprom im Jahr 2023 durch die Leitung 22,7 Milliarden Kubikmeter Gas geliefert, fast 1,5 Mal mehr als ein Jahr zuvor. Der Westen hat wegen der Invasion der Ukraine seine Gasimporte aus Russland stark eingeschränkt.

Die Bundesregierung hat die jüngsten russischen Luftangriffe auf die Ukraine als Kriegsverbrechen verurteilt, verweigert aber weiterhin die Bereitstellung von "Taurus"-Marschflugkörpern. Dazu gebe es "keinen neuen Stand", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Zugleich betonte er, das Vorgehen Russlands werde von Deutschland scharf verurteilt. "Die massiven Angriffe auf zivile Infrastruktur sind ein Kriegsverbrechen und sind absolut verabscheuungswürdig", sagte Hebestreit.

Im Rahmen eines neues Sanktionspakets gegen Russland haben die EU-Staaten Sanktionen gegen den größten russischen Diamantenförderer PJSC Alrosa verhängt. Der staatseigene Konzern und Geschäftsführer Pawel Alexewitsch Marinytschew stehen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine nun auf der EU-Sanktionsliste, wie der Rat der Europäischen Union mitteilte.

Seit Beginn des Jahres gelten in der EU Importbeschränkungen für russische Rohdiamanten und Juwelen. Die Vermögen des Alrosa-Konzerns und Privatvermögen des Geschäftsführers in der EU werden damit eingefroren, für Marinytschew gilt eine Einreisesperre. Das staatseigene Unternehmen ist nach EU-Angaben für mehr als 90 Prozent der gesamten russischen Diamantenproduktion verantwortlich. Alrosa verschaffe dem Kreml damit "erhebliche Einnahmen", erklärte der Rat.

Die Ukraine hat russischen Angaben zufolge erneut die von Moskau annektierte Halbinsel Krim sowie Grenzregionen in Russland angegriffen. "Die Lage in Belgorod ist weiterhin angespannt. Am Morgen gab es zwei Angriffe", erklärte der Gouverneur der Grenzregion, Wjatscheslaw Gladkow. Die russische Luftabwehr teilte mit, sie habe sechs Raketen über Belgorod abgefangen. 

Die Region an der Grenze zur ostukrainischen Region Charkiw wird seit Beginn des Krieges immer wieder angegriffen. Am Dienstag seien bei Angriffen ein Mensch getötet und elf weitere verletzt worden, erklärte Gladkow. In der nördlich von Belgorod gelegenen Region Kursk wurde bei einem Angriff Gouverneur Roman Starowojt zufolge Infrastruktur beschädigt, es sei zu Stromausfällen gekommen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Angesichts der zuletzt verstärkten russischen Luftangriffe auf die Ukraine drängt Polen den Westen zur Lieferung von Raketen mit längerer Reichweite an die Führung in Kiew. "Wir sollten auf den jüngsten Angriff auf die Ukraine in einer Sprache reagieren, die Putin versteht", schrieb Polens Außenminister Radoslaw Sikorski auf dem Kurznachrichtendienst X. Mit weitreichenderen Raketen könne die Ukraine russische Abschussstellungen für Raketen und Drohnen sowie Kommandozentralen hinter der Front ausschalten. Sikorski forderte zudem eine Verschärfung der Sanktionen, damit Russland keine neuen Waffen mit geschmuggelten Komponenten mehr herstellen könne.

Der aktuelle Vorsitzende im UN-Sicherheitsrat blickt pessimistisch auf das Kampfgeschehen in der Ukraine im Jahr 2024. "Ich glaube, die Lage verbessert sich nicht, sie verschlimmert sich", sagte Frankreichs UN-Botschafter Nicolas de Rivière. Die Zahl der russischen Drohnen- und Raketenangriffe nehme zu, und sie zielten offensichtlich auf die zivile Infrastruktur der Ukraine, sagte de Rivière. "Es gibt eine klare Agenda, die klar darauf ausgerichtet ist, der Bevölkerung Angst einzujagen", sagte er. "All das geht vollkommen gegen internationales Menschenrecht." De Rivière habe keine Hoffnung, dass es kurzfristig zu Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien kommen könne, aber die Anstrengungen, Frieden für die Ukraine zu bringen, sollten dringend aufrechterhalten werden, sagte er.

Antje Passenheim, ARD New York, tagesschau, 03.01.2024 05:46 Uhr

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat Russland und die Ukraine angesichts der jüngsten gegenseitigen Attacken mit zivilen Opfern zur Zurückhaltung aufgerufen. "Alarmierende Eskalation der Feindseligkeiten, Dutzende von Zivilisten in der Ukraine und in Russland getötet", schrieb sein Büro am späten Abend auf der Online-Plattform X, vormals Twitter. Das humanitäre Völkerrecht verbiete wahllose Angriffe und Angriffe auf zivile Objekte. Zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Einhaltung des Völkerrechts forderte Türk "sofortige Schritte zur Deeskalation".

Zuletzt hatte die Zahl der russischen Drohnen- und Raketenangriffe auf die Ukraine zugenommen. Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hatte Russland in den vergangenen fünf Tagen Hunderte Raketen und Drohnen abgefeuert, dabei wurden zahlreiche Menschen getötet oder verletzt.

Die Ukraine fliegt nach russischen Angaben einen Drohnenangriff auf die russische Stadt Belgorod. Mehrere Drohnen seien beim Anflug auf die Stadt Belgorod zerstört worden, sagt der Gouverneur der an die Ukraine grenzenden Region.

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Nach den russischen Luftangriffen auf sein Land spricht der ukrainische Präsident Selenskyj von "russischem Terror". Russland werde "für jedes getötete Leben geradestehen". Es gibt neue Forderungen nach "Taurus"-Lieferungen. Die Entwicklungen vom Dienstag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. Januar 2024 um 07:50 Uhr.