Die Flaggen der EU und der Ukraine
Liveblog

Ukraine-Krieg und die Folgen ++ Neue EU-Kredite für die Ukraine ++

Stand: 09.09.2022 23:00 Uhr

Die Ukraine könnte bald neue Milliarden-Kredite von der EU erhalten. Der russische Verwalter der Region Charkiw berichtet von Fortschritten der ukrainischen Truppen. Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen.

09.09.2022 • 23:00 Uhr

Ende des Liveblogs

Wir beenden an dieser Stelle für heute den Liveblog und bedanken uns für Ihr Interesse.

Ukrainische Truppen haben nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr als 30 Siedlungen in der ostukrainischen Region Charkiw zurückerobert. "Wir übernehmen nach und nach die Kontrolle über neue Siedlunge", sagte Selenskyj in einer Videoansprache. Überall bringe man die ukrainische Flagge und den Schutz für des ukrainischen Volkes zurück. Sowohl im Donbass im Osten der Ukraine als auch im Süden des Landes dauerten die "erbitterten Kämpfe" an, sagte der Präsident.

Das türkische Rüstungsunternehmen Baykar plant dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge den Bau einer Fabrik für Drohnen in der Ukraine. "Wir haben die Einzelheiten der Konstruktion einer Baykar-Fabrik in der Ukraine und die Produktion neuer Waren unter Verwendung ukrainischer Komponenten besprochen", schreibt Selenskyj in einem Online-Beitrag nach einem Treffen mit dem Chef des Konzerns, Haluk Bayraktar. Die TB2-Drohne von Baykar ist in der Ukraine sehr beliebt, nachdem sie zur Zerstörung zahlreicher russischer Artilleriesysteme und gepanzerter Fahrzeuge beigetragen hat.

Die Europäische Kommission hat der Behauptung des russischen Präsidenten Wladimir Putin widersprochen, der Großteil des aus der Ukraine exportierten Getreides gehe an EU-Staaten. Wie Kommissionssprecher Peter Stano auf Anfrage der Nachrichtenagentur KNA erklärte, fuhren 54 Frachter nach Asien, 16 weitere nach Afrika. Von den 32 Schiffen mit Ziel Europa sei ein Teil der Ladung anschließend in asiatische und afrikanische Länder weitertransportiert worden.

Putin hatte am Mittwoch bei einem Wirtschaftsforum in Wladiwostok erklärt, fast das gesamte aus der Ukraine exportierte Getreide gehe nicht an Entwicklungsländer, sondern in die EU.

Zu den weiteren Zielen der Schiffe zählten nach Angaben Stanos die Türkei, Südkorea, Iran, Ägypten und Sudan. Zwei vom Welternährungsprogramm gecharterte Frachter steuerten Dschibuti und den Jemen an. "Putin manipuliert einmal wieder die Fakten und verbreitet Desinformation", sagte der Sprecher.

Die Ukraine kann bald weitere fünf Milliarden Euro an Krediten von der EU erhalten. Die Finanz- und Wirtschaftsminister der EU-Länder befürworteten die Milliardenhilfe, wie die tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte. Das neue Darlehen soll für den laufenden Betrieb des Staates verwendet werden. Außerdem sei sicherzustellen, dass die kritische Infrastruktur des Landes wie Schulen und Krankenhäuser weiter laufen könnten, sagte der tschechische Finanzminister Zbynek Stanjura, der ein Treffen mit seinen EU-Kollegen in Prag leitete.

Das Geld ist Teil eines im Mai angekündigten Hilfspakets über insgesamt neun Milliarden Euro. Vor der Auszahlung der fünf Milliarden Euro muss noch das Europaparlament zustimmen. Eine Milliarde Euro wurde bereits Anfang August ausgezahlt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt den Finanzhilfebedarf für die Ukraine auf insgesamt 38,8 Milliarden Euro, wie aus der Mitteilung der Ratspräsidentschaft hervorgeht.

Der ukrainische Staatskonzern Naftogaz hat den russischen Gaskonzern Gazprom wegen weggefallener Transitgebühren verklagt. "Wir fordern von Gazprom, in vollem Umfang zu bezahlen", schrieb Naftogaz-Chef Jurij Witrenko bei Facebook. Das russische Unternehmen habe seit Mai seinen Transit reduziert und daher weniger überwiesen. Der 2019 unterzeichnete Vertrag sehe jedoch in einer Klausel eine Mindesttransitmenge vor. Diese müsse unabhängig vom realen physischen Transport bezahlt werden. Der Gerichtsstandort ist Zürich.

2019 hatte Naftogaz in einem ähnlichen Fall bereits umgerechnet über drei Milliarden Euro von Gazprom vor einem schwedischen Schiedsgericht erstritten. Trotz des laufenden russischen Angriffskrieges hat die Ukraine seit dem 24. Februar über 12,4 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas in Richtung Westen transportiert.

Angesichts der hohen Strompreise in Europa könnte Polen schon bald deutlich mehr Atomstrom aus der benachbarten Ukraine beziehen. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bedankte sich in Kiew beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für die Bereitschaft, Energie aus dem AKW Chmelnyzkyj zu liefern. Dies würde es ermöglichen, weniger Kohle in Kraftwerken zu verbrennen, sagte Morawiecki.

Das Kernkraftwerk Chmelnyzkyj liegt im Westen der Ukraine. Es verfügt über zwei aktive Reaktoren der sowjetischen Bauart WWER-1000 mit einer Gesamtleistung von 2000 Megawatt. Seit Mitte März ist die Ukraine an den europäischen Stromverbund angeschlossen und liefert bereits Strom in die EU.

Die Städte Isjum, Kupjansk und Welykyj Burluk in der ukrainischen Region Charkiw werden nach russischen Angaben evakuiert. Das von Russland besetzte Gebiet sei durch die ukrainische Gegenoffensive bedroht, sagt der russische Beamte Witali Gantschew im staatlichen Fernsehen.

09.09.2022 • 16:52 Uhr

IAEA-Chef fordert Waffenruhe um AKW

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi, bezeichnet die Situation in der ukrainischen Stadt Enerhodar, in der Mitarbeiter des von Russland besetzten Atomkraftwerks Saporischschja leben, als "zunehmend prekär". Er forderte ein sofortiges Ende des Beschusses in der gesamten Region, der auch einen Stromausfall in Enerhodar verursacht habe. "Das ist der einzige Weg, um dafür zu sorgen, dass wir es nicht mit einem Atomunfall zu tun bekommen."

Grossi gab zudem an, es sei unwahrscheinlich, dass wieder verlässliche Stromverbindungen von außen zur Atomanlage hergestellt würden. "Die Atomanlage hat keinen Strom von außen. Und wir haben gesehen, dass die Infrastruktur erneut beschädigt wird, sobald sie repariert ist", teilte Grossi mit. "Das ist absolut inakzeptabel. Das kann nicht sein." Das AKW arbeitet nach Angaben seines Betreibers derzeit im Notbetrieb mit erhöhtem Risiko. Das staatliche Unternehmen Enerhoatom teilte mit, Reparaturen an den beschädigten Stromleitungen, die das AKW mit dem ukrainischen Stromnetz verbinden, seien wegen der anhaltenden Angriffe nicht möglich.

Im russischen Fernsehen ist ein substanzieller Fortschritt der ukrainischen Truppen eingeräumt worden. "Allein die Tatsache, dass unsere Verteidigungslinien durchbrochen wurden, ist bereits ein großer Sieg für die ukrainischen Streitkräfte", sagte der Leiter der von Russland eingesetzten Verwaltung für die Provinz Charkiw, Witali Gantschew, im russischen Staatsfernsehen mit Blick auf ukrainische Gegenangriffe im Raum Charkiw. Damit bestätigte auch die russische Seite die größte Veränderung im Frontverlauf seit Wochen.

Die Finanzminister der Europäischen Union haben ein Darlehen in Höhe von fünf Milliarden Euro für die Ukraine unterstützt, um der Ukraine dabei zu helfen, Schulen, Krankenhäuser und andere staatliche Einrichtungen am Laufen zu halten, während sie gegen die russische Invasion kämpft. Das teilte das tschechische Finanzministerium mit.

Das Darlehen, das durch Garantien der EU-Mitgliedstaaten abgesichert werden soll, ist Teil eines im Mai angekündigten Gesamtpakets in Höhe von neun Milliarden Euro. Die erste Milliarde Euro wurde Anfang August vollständig überwiesen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Zweifel an den deutschen Argumenten gegen die Lieferung großer Mengen Bundeswehr-Waffen an die Ukraine geweckt. Auf die Frage, ob Alliierte im Zweifelsfall eher Fähigkeitsziele des Bündnisses erfüllen sollten, als der Ukraine noch mehr Ausrüstung zu liefern, machte der Norweger deutlich, dass er eine Niederlage der Ukraine für gefährlicher hält als unter Plan gefüllte Waffenlager in NATO-Staaten. Bei einer Pressekonferenz mit US-Außenminister Antony Blinken sagte er:

Indem wir dafür sorgen, dass Russland in der Ukraine nicht gewinnt, erhöhen wir auch unsere eigene Sicherheit und stärken das Bündnis.

Die Nutzung der Waffenbestände von NATO-Staaten trage dazu bei, das Risiko eines aggressiven Vorgehens Russlands gegen Nato-Länder zu verringern. Mehr als 80 Prozent der russischen Landstreitkräfte seien derzeit im Krieg in der Ukraine gebunden.

CDU-Chef Friedrich Merz fordert die Bundesregierung auf, der Ukraine mehr Waffen zu liefern. "Mit FDP und Grünen zusammen hätte ich eine Exportgenehmigung für 100 Marder-Schützenpanzer für die Ukraine erteilt", sagte Merz auf dem CDU-Bundesparteitag.

Zu Kritikern der Waffenlieferungen sagte er: "Wenn Russland die Waffen schweigen lässt, ist der Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine die Waffen niederlegt, ist die territoriale Souveränität des Landes zu Ende - das ist der Unterschied."

Nach Angaben des russischen Präsidenten Wladimir Putin will Russland bis Ende des Jahres 30 Millionen Tonnen Getreide exportieren. Das sagte Putin in einer Fernsehansprache. Außerdem sei Russland bereit, dieses Volumen auf 50 Millionen Tonnen zu erhöhen.

Das Stadtzentrum von Charkiw ist von russischen Raketen getroffen worden. Zehn Menschen seien verletzt worden, darunter drei Kinder, schreibt der Gouverneur der gleichnamigen Region, Oleh Synehubow, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Raketen seien in einer Schule und einem Kunstzentrum für Kinder eingeschlagen, teilt Ihor Terechow, der Bürgermeister der zweitgrößten ukrainischen Stadt, ebenfalls auf Telegram mit. Auch Wohnhäuser seien getroffen worden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Vereinten Nationen haben Hunderte Fälle von willkürlichen Verhaftungen und Verschleppungen in der Ukraine dokumentiert. Mehr als 400 Fälle gingen auf das Konto der russischen Seite, rund 50 Fälle seien den ukrainischen Streitkräften zuzuschreiben, teilte die UN-Mission zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine mit. 

Seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine im Februar habe es einen dramatischen Anstieg an Rechtsverletzungen gegeben, sagte die Leiterin der Mission, Matilda Bogner, bei einer aus Odessa übertragenen Videokonferenz. Bislang seien mindestens 416 Menschen Opfer von willkürlichen Verhaftungen oder Verschleppungen durch russische Streitkräfte in von Moskau kontrollierten Gebieten geworden. Von ihnen seien 16 tot aufgefunden worden, 166 Menschen wurden demnach wieder freigelassen.

Wie das russische Verteidigungsministerium mitteilte, sollen die Streitkräfte des Landes einen in den USA hergestellten HIMARS-Raketenwerfer in der ostukrainischen Region Charkiw zerstört haben. In einer Erklärung auf Telegram gab das Ministerium auch bekannt, die Streitkräfte hätten eine in den USA hergestellte M777-Haubitze in der Region Saporischschja im Südosten der Ukraine zerstört. Reuters konnte die Berichte nicht sofort überprüfen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der Leiter der russischen Militärverwaltung in den besetzten Gebieten der ostukrainischen Region Charkiw, Witali Gantschew, räumt einen Erfolg der ukrainischen Truppen ein. "Alleine die Tatsache, dass unsere Verteidigung durchbrochen wird, ist bereits ein bedeutender Sieg für die ukrainischen Streitkräfte", sagt er dem russischen Staatsfernsehen. Gebiete östlich der gleichnamigen Stadt sind unter russischer Kontrolle, gleichwohl ist es Russland bislang nicht gelungen, die zweitgrößte Stadt der Ukraine einzunehmen.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Ein führender Mitarbeiter des ukrainischen Präsidentenbüros berichtet von der Festnahme eines Dorfvorstehers wegen Kollaboration mit den russischen Truppen. Es handele sich um den Vorsteher von Iwaniwka, eines in der Region Charkiw gelegenen und von russischer Besatzung befreiten Dorfes, schreibt der stellvertretende Leiter des Präsidentenbüros, Kyrylo Timoschenko, auf Telegram. Er veröffentlicht ein Foto, das einen ukrainischen Soldaten zusammen mit einem gefesselten Mann in Zivilkleidung und mit verbundenen Augen zeigt. Dessen Gesicht ist nicht deutlich zu erkennen. Es sei "der Leiter der verräterischen Dorfverwaltung von Iwaniwka", schreibt Timoschenko.

Die russische Armee schickt wohl als Reaktion auf die ukrainische Gegenoffensive gepanzerte Fahrzeuge und Kanonen zur Verstärkung in die Region Charkiw im Nordkosten der Ukraine. Das meldeten russische Nachrichtenagenturen mit Verweis auf Bilder des Verteidigungsministeriums. 

Der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef der Region Charkiw, Vitali Gantschew, sagte im Fernsehen, es gebe "heftige Kämpfe" in der Nähe der Stadt Balaklija, deren Rückeroberung die Ukraine bereits gestern vermeldet hatte. "Reserven aus Russland wurden dorthin geschickt", sagte er. Die Region Charkiw ist seit den ersten Tagen des russischen Angriffskriegs ab dem 24. Februar teilweise von der russischen Armee besetzt.

Die russische Invasion hat in der Ukraine allein bis zum 1. Juni Schäden von über 97 Milliarden US-Dollar verursacht, so ein Bericht von Weltbank, der Europäischen Kommission und der ukrainischen Regierung. Der Wiederaufbau der Ukraine dürfte insgesamt fast 350 Milliarden Dollar kosten - ungefähr das 1,6-Fache der Wirtschaftsleistung des Landes in 2021.

Allein zur Abdeckung des Nötigsten, etwa dem Wiederaufbau von Schulen und Krankenhäusern, bräuchte es 105 Milliarden US-Dollar. Die endgültige Summe würde laut dem Bericht noch höher, da der Krieg noch andauere. "Die Auswirkungen des Krieges werden noch über Generationen spürbar sein."

Russische Geheimdienste versuchen verstärkt, Russlandreisende als Informanten anzuwerben. Das befürchtet das Bundesamt für Verfassungsschutz laut Informationen des "Spiegel". Deutsche in Russland könnten demnach künftig "härter und rücksichtsloser" durch russische Agenten "bearbeitet" werden, so eine interne Analyse der Kölner Spionageabwehr.

Dabei sei davon auszugehen, dass Russlands Spione auch mit Erpressung arbeiten würden, um ihre Zielpersonen zur Kooperation zu zwingen. Mitarbeiter diplomatischer Vertretungen stünden besonders im Fokus der Geheimdienste, aber auch Geschäfts- und Privatreisende.

Für Russen werden Einreiseanträge in den Schengen-Raum teurer, langwieriger und umständlicher. Der Rat der Europäischen Union nahm in Brüssel einen Kommissionsvorschlag an, seit 2007 geltende Erleichterungen bei der Visa-Vergabe komplett auszusetzen.

Die Regelung tritt am Montag in Kraft. Dann kosten Visa damit 80 statt 35 Euro, die übliche Bearbeitungszeit steigt von 10 auf is zu 45 Tage. Antragsteller müssen zudem mehr Dokumente vorlegen und können nicht ohne weiteres Visa für mehrfache Einreisen erhalten.

Die EU werde aber für bestimmte Gruppen weiter offen bleiben, hieß es - etwa für russische Angehörige von EU-Bürgern, Journalisten, Dissidenten und Vertreter der Zivilgesellschaft. Schon am 25. Februar, einen Tag nach dem Angriff auf die Ukraine, hatte die EU die Visa-Erleichterungen eingeschränkt, allerdings nur für russische Beamte und Geschäftsleute.

Die ukrainischen Streitkräfte sollen bei ihren Operationen in Charkiw und Cherson einige Erfolge erzielt haben. Das hat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin mitgeteilt. Er sagte bei einer Pressekonferenz mit seinem tschechischen Amtskollegen in Prag: "Wir sehen jetzt Erfolge in Cherson, wir sehen einige Erfolge in Charkiw - und das ist sehr, sehr ermutigend".

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will sich für weitere Getreidelieferungen aus der Ukraine stark machen. Dem Sender Habertruk sagte Erdogan, er werde sich bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin dafür einsetzen, dass weiter Waren im Rahmen eines der Vereinten Nationen und der Türkei verhandelten Abkommens transportiert würden. Die Türkei präsentiert sich in dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland als Vermittler - hatte dem Westen aber zuletzt eine Provokation Russlands vorgeworfen.

Mit dem Einführen der ersten Uran-Brennstäbe hat die Slowakei den umstrittenen dritten Block des Atomkraftwerks Mochovce in Betrieb genommen. "Darauf haben wir viele Jahre gewartet", sagte der konservative Ministerpräsident Eduard Heger vor den anwesenden Journalisten. "Die Slowakei schreitet damit von 52 auf 65 Prozent Atomenergie-Anteil an der Stromproduktion voran", erklärte der Regierungschef.

Eine besonders gute Nachricht nicht nur für die Slowakei, sondern für ganz Europa sei, dass das Land damit in der Stromerzeugung autark werde und zusätzlich "gerade jetzt so dringend benötigte Energie" auf den europäischen Markt liefern könne. Das EU-Land Slowakei grenzt sowohl an die von Russland angegriffene Ukraine als auch an Österreich. Wien steht der Atomenergie mit großer Ablehnung gegenüber.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will in der Energiekrise überschuldeten Unternehmen im Insolvenzrecht entgegenkommen, nicht aber zahlungsunfähigen Firmen. Würde das Kriterium der Zahlungsunfähigkeit ausgesetzt, könnte das Vertrauen der Betriebe untereinander schwinden, sagte er in Berlin. "Dann droht möglicherweise eine Vorkasse-Wirtschaft." Das könnte schwere Folgen haben. Vertrauen im Wirtschaftskreislauf sei wichtig, etwa um Waren gegen Rechnung zu liefern.

Bei einem russischen Luftangriff ist nach ukrainischen Angaben ein Krankenhaus in der nordöstlichen Region Sumy getroffen worden. Das Gebäude sei am Morgen zerstört und mehrere Menschen seien verletzt worden, teilt der Gouverneur der Region, Dmytro Schwyzkji, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Das Krankenhaus befinde sich im Bezirk Welyka Pysariwka, der an Russland grenze. Der Luftangriff sei über die Staatsgrenze hinweg gestartet worden. Die russische Regierung bestreitet immer wieder, dass zivile Ziele anvisiert würden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Russland verwehrt nach Angaben den Vereinten Nationen (UN) den Zugang zu ukrainischen Kriegsgefangenen. Zudem gebe es Belege für Folter, sagt Matilda Bogner, die Leiterin des UN-Einsatzes zur Beobachtung der Menschenrechtslage in der Ukraine.

Die Russische Föderation hat keinen Zugang zu Kriegsgefangenen gewährt, die auf ihrem Territorium oder in Gebieten unter ihrer Besatzung festgehalten werden.

"Dies ist umso besorgniserregender, als wir dokumentiert haben, dass Kriegsgefangene im Machtbereich der Russischen Föderation, die von den Streitkräften der Russischen Föderation oder von ihr nahestehenden bewaffneten Gruppen festgehalten werden, gefoltert und misshandelt wurden." Russland bestreitet Folter oder andere Misshandlungen von Kriegsgefangenen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will einen Vorstoß der EU-Kommission zur Beschränkung der russischen Einnahmen aus Gasgeschäften unterstützen - allerdings nur, wenn auch Staaten wie Ungarn zustimmen. Wenn Länder, die derzeit noch Gas aus Russland bekämen, bereit seien, das Risiko eines vollständigen Lieferstopps durch Russland zu tragen, sei er gerne dabei, das zu machen, sagte der Grünen-Politiker am Rande eines EU-Treffens in Brüssel.

Das mit der Ukraine abgeschlossene Getreideabkommen wird nach russischer Darstellung "schlecht" umgesetzt. Seine Verlängerung hänge aber davon ab, dass die Vereinbarungen erfüllt würden, erklärt das Außenministerium in Moskau der Nachrichtenagentur RIA zufolge.

Am Mittwoch hatte der russische Präsident Wladimir Putin gesagt, durch das Abkommen würden Russland und die Entwicklungsländer betrogen. Die Türkei und die Vereinten Nationen hatten das Abkommen im Juli mit den beiden Kriegsparteien ausgehandelt. Es ermöglicht die Freigabe ukrainischer Getreideexporte über das Schwarze Meer, die vor allem von armen Ländern dringend gebraucht werden. Wegen des Krieges waren Häfen an der ukrainischen Schwarzmeerküste monatelang blockiert.

Im deutschen Mittelstand geht die Angst vor einer Pleitewelle um. Die hohen Energiepreise, die Lieferketten-Probleme und der Fachkräfte-Mangel beunruhigen viele Unternehmer. "Jeden Tag erreichen uns Notrufe von Betrieben, die kurz davor sind, ihre Produktion einzustellen, weil sie die enorm gestiegenen Energierechnungen nicht mehr bezahlen können", klagt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Handwerks. "Wegen der Energie-Krise rollt auf das Handwerk eine Insolvenz-Welle zu."

Lettlands Parlament hat im Eilverfahren die völlige Loslösung der orthodoxen Kirche des Landes vom Moskauer Patriarchat beschlossen. 73 Abgeordnete stimmten laut örtlichen Medienberichten für eine entsprechende Gesetzesinitiative des Staatspräsidenten Egils Levits - drei sprachen sich dagegen aus und ein Abgeordneter enthielt sich.

Levits dankte dem Parlament für die "Unterstützung der Autokephalie (Eigenständigkeit) der lettisch-orthodoxen Kirche". Jede Einflussnahme des Patriarchen von Moskau auf die Glaubensgemeinschaft sei nun rechtlich ausgeschlossen, schrieb er auf Twitter.

Ungarn hat sich klar gegen einen Preisdeckel auf russisches Gas ausgesprochen. Dies sei gegen europäische und ungarische Interessen, sagte der Außenminister des osteuropäischen Landes, Peter Szijjarto, in einem Facebook-Video vor dem Sondertreffen der EU-Energieminister zu den explodierenden Energiepreisen. Ein Preisdeckel würde zu einem sofortigen Stopp russischer Energielieferungen führen. Ungarn ist besonders abhängig von russischen Öl- und Gaslieferungen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die EU-Länder aufgerufen, einen Preisdeckel für russisches Öl zu unterstützen. "Wir wollen Einnahmen für Russland vermeiden und das Preisniveau für unsere Volkswirtschaften erhalten", sagte Lindner am Rande eines informellen Treffens mit seinen EU-Kollegen in Prag. Er verwies auf das Vorbild der sieben wichtigen Industriestaaten (G7). 

Die Ukraine meldet im Zuge ihrer Gegenoffensive weitere Geländegewinne im Süden und Osten. Das ukrainische Militär teilte mit, in der Nähe der Großstadt Charkiw im Osten versuchten russische Truppen, verletzte Soldaten und beschädigte militärische Ausrüstung wegzubringen. Dies gehe bei den Dörfern Wilchuwatka südwestlich und Borodojarkse südöstlich von Charkiw vonstatten.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Am Abend hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache erklärt, die ukrainischen Streitkräfte hätten "Dutzende Ortschaften befreit" und seit dem 1. September in Osten und Süden ein Gebiet von mehr als 1000 Quadratkilometern zurückerobert. Die russische Seite widersprach dem teilweise. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Sollten die ukrainischen Geländegewinne zutreffen und vor allem gehalten werden, wäre das ein schwerer Schlag für das russische Militär. Allerdings halten russische Truppen nach früheren Angaben etwa 125.000 Quadratkilometer in der Ukraine besetzt. Das ist ein Fünftel des Staatsgebietes einschließlich der Halbinsel Krim.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Nach dem Uniper-Konzern benötigt nun auch der ostdeutsche Gasimporteur VNG wegen der rasant gestiegenen Energiepreise Hilfe vom Staat. "Um weiteren Schaden von VNG abzuwenden und die Handlungsfähigkeit des VNG-Konzerns insgesamt zu sichern", sehe sich das Unternehmen zu einem entsprechenden Antrag veranlasst, teilte der Versorger heute mit.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte in Prag, die Bekämpfung der hohen Inflation müsse jetzt oberste Priorität haben. Die Finanzpolitik, die jahrelang in der Corona-Pandemie mit Rekordschulden extrem locker war, müsse in einen neutralen Modus wechseln.

Vor dem Treffen der EU-Finanzminister ergänzt Lindner, er werde in ganz Europa für den von den sieben führenden Industrienationen (G7) vorgeschlagenen Preisdeckel auf russisches Öl werben.

09.09.2022 • 07:14 Uhr

Morawiecki reist nach Kiew

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki reist heute in die ukrainische Hauptstadt Kiew. Es werde eine Reihe von Treffen geben, sagt sein Regierungssprecher Piotr Muller dem Sender Polsat. Wichtige Themen in Zusammenhang mit der geopolitischen Situation würden besprochen, darunter Energie und militärische Sicherheit.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hat vor gravierenden Problemen beim Riss von Lieferketten gewarnt. "Die chemische Industrie in Deutschland klagt beispielsweise, dass angereicherte Salzsäure fehlt, die aber Automobilzulieferer oder etwa Stadtwerke brauchen", sagt der CDU-Politiker im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Einige Energieversorger kündigen bereits an, die Versorgung in einigen Wochen einschränken zu müssen, wenn sie nicht ausreichend angereicherte Salzsäure bekommen."

Althusmann warnte außerdem vor Problemen in der Autoindustrie. "Der Autozulieferer Hanomag in Hannover ist sowohl ein gas- als auch stromintensiver Betrieb. Wenn seine Produktion von Fahrwerksteilen oder Zahnrädern für Autos stockt, steht innerhalb von einer Woche nahezu die gesamte deutsche Automobilindustrie still", warnt er. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck unterschätze die Dramatik der Situation.

Die Bundesvorsitzende der SPD, Saskia Esken, erteilt der Forderung der FDP nach einem Weiterbetrieb der drei noch produzierenden deutschen Atomkraftwerke bis 2024 eine klare Absage. "Eine Verlängerung der Laufzeiten mit einer Beschaffung von neuen Brennstäben wird es nicht geben", sagte Esken dem "Handelsblatt" laut Vorabbericht.

Die Ukraine strebt einen internationalen Vertrag an, um von Russland mehr als 300 Milliarden Dollar Kriegsentschädigung zu erhalten. "Wir wollen eine Kompensation für alle Schäden, die Russland in der Ukraine durch seinen Angriffskrieg verursacht hat", forderte der ukrainische Justizminister Denys Maliuska laut einem Vorabbericht der Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dazu brauche die Ukraine auch den Zugriff auf die Reserven der russischen Zentralbank in Höhe von rund 300 Milliarden Dollar, die bereits in den G-7-Staaten eingefroren seien.