Eine Frau begrüßt weinend die ukrainischen Soldaten in der Stadt Butscha
Kommentar

Dutzende Tote in Butscha Die Grausamkeit darf nicht ungesühnt bleiben

Stand: 03.04.2022 12:41 Uhr

Die Berichte aus Butscha zeigen, dass dieser Krieg auch jeden Funken von Menschlichkeit, Anstand und Würde getötet hat. Der russische Präsident Putin muss für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.

Ein Kommentar von Bernd Musch-Borowska, NDR, z.Zt. polnisch-ukrainische Grenze

Mit dem Rückzug der russischen Truppen aus dem Großraum von Kiew wird das Ausmaß der Zerstörung nach und nach sichtbar. Doch die vielen Ruinen von Wohnhäusern und zivilen Gebäuden in den Dörfern und Städten rund um die ukrainische Hauptstadt sind fast der geringste Schaden. Die mutwillig zerstörte zivile Infrastruktur in der Ukraine wird irgendwann wieder aufgebaut werden, neuer und schöner als zuvor.

Aber die Schäden an der Psyche der Menschen, die diesen Horror miterlebt haben, die mit ansehen mussten, wie ihre Familienmitglieder, Freunde und Nachbarn erschossen wurden oder dem Kanonenfeuer russischer Panzer und dem Bombenhagel der Cruise Missiles auf Wohngebiete zum Opfer gefallen sind, diese Schäden sind kaum zu reparieren. Der Krieg hat schon nach nur sechs Wochen ganze Generationen von Ukrainern traumatisiert - und das Ende des Krieges ist noch gar nicht in Sicht.

Perfide Lügen von Putin und Lawrow

Aber schon jetzt bestätigt sich die Binsenweisheit, dass im Krieg zuerst die Wahrheit stirbt und gleich danach jeder Funken von Menschlichkeit, Anstand und Würde. Noch immer behaupten der russische Präsident Wladimir Putin und sein Außenminister Sergej Lawrow, ebenso wie die Generäle der russischen Streitkräfte, es würden nur militärische Ziele beschossen bei dieser, wie sie es nennen, "militärischen Sonderoperation zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine".

Selbst im Angesicht der Augenzeugenberichte und Beweise von Gräueltaten russischer Soldaten an der ukrainischen Zivilbevölkerung versuchen sie ihrem sinnlosen Krieg mit perfiden Lügen eine Berechtigung zu verschaffen.

Zerstörung mit dem Ziel der Machtsicherung

Die eigentlichen Faschisten sitzen in Moskau. Putin und die anderen führenden Politiker seines Regimes haben das Völkerrecht und die internationale Ordnung, die seit dem Zweiten Weltkrieg mühsam aufgebaut wurden, mit einem Schlag zerstört, mit dem Ziel der eigenen Machtsicherung.

Denn eine prosperierende Ukraine in der Nachbarschaft, deren Menschen ihre Zukunft in einem demokratischen Land mit den freiheitlichen Grundwerten der Europäischen Union sahen und das Schutzschild des westlichen Verteidigungsbündnisses, der NATO, anstrebten, wurde für Putin zur Gefahr für seine Macht, weil auch das russische Volk irgendwann diesen Weg anstreben könnte.

Bisherige Sanktionen reichen nicht aus

Die frühere Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Carla Del Ponte, hat einen internationalen Haftbefehl gegen Putin gefordert. Auch wenn ein solches Unterfangen keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, hat sie recht mit dieser Forderung. Dem Regime in Moskau muss die ganze Welt energischer entgegentreten. Politisch und wirtschaftlich. Der Westen muss sich den Begehrlichkeiten Putins von nun an härter in den Weg stellen.

Die bisherigen wirtschaftlichen Sanktionen reichen nicht aus, um das zu erreichen. Notwendig ist auch eine Sanktionierung des Energiesektors, denn nur das würde die herrschende Clique in Moskau wirklich treffen.

Die wirtschaftlichen Folgen eines Gasimport-Stopps müssen wir auf uns nehmen, denn sonst haben wir die Zerstörung, die wir heute in Irpin, Butscha und Hostomel bei Kiew sehen, bald auch bei uns. Zuerst in Warschau, Vilnius und Riga und später in Berlin, Hamburg und München.

Redaktioneller Hinweis

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. April 2022 um 13:10 Uhr in der Sendung "Informationen am Mittag".