
Anti-CDU-Video Die Jugend wehrt sich
Stand: 23.05.2019 14:08 Uhr
In einem Video rechnet der YouTuber Rezo mit der CDU ab. Es wird millionenfach geteilt. Sein Protest zeigt die Spaltung von Jugend und Politik.
Von Melanie Katharina Marks, für tagesschau.de
"Heute sehen wir uns die CDU an." So beginnt das Video. Dann folgen 55 Minuten Abrechnung mit der Volkspartei. Sie zerstöre das Leben und die Zukunft Jugendlicher, sie sei unfähig im Bereich des Urheberrechts und sie sei eine Partei der Reichen. Der YouTuber Rezo nimmt kein Blatt vor den Mund. Und damit schlägt er ein.
Vor vier Tagen hat er das Video mit dem Titel "Die Zerstörung der CDU." in seinem Kanal hochgeladen. Seitdem haben es rund 4,5 Millionen Menschen gesehen, mehr als 500.000 geliked, über 90.000 kommentiert. Endlich Klartext, heißt es in den Kommentaren. Ein Fan schreibt: "Du sprichst mir aus der Seele."
Jugendliche wehren sich
Das Video reiht sich ein in eine neue Welle des Protestes: Jugendliche halten der Politik den Spiegel vor, kritisieren und äußern eigene, konkrete Vorstellungen. Das war etwa der Fall beim Matheabi, als die Schüler die Aufgaben als zu schwer bemängelten. Oder es passiert jeden Freitag bei "Fridays for Future", wo die Demonstranten eine entschlossenere Klimapolitik fordern.
"Da bricht sich etwas Bahn", sagt Jan van Deth, Professor für Politische Wissenschaft und internationale Sozialforschung an der Universität Mannheim. In den vergangenen 20 Jahren habe sich einiges aufgestaut: die Krise Europas, der Klimawandel, die Flut an Informationen sei gestiegen. "Das verunsichert Jugendliche und jetzt gehen sie auf die Straße."
Wie können Parteien junge Menschen in der Youtube-Ära erreichen
tagesthemen 22:15 Uhr, 23.05.2019, Michael Stempfle, ARD Berlin
Parteien repräsentieren Jugend nicht
Eva Feldmann-Wojtachnia, Forscherin für Jugend und Europa am Centrum für angewandte Politikforschung, fügt hinzu: Die Jugendlichen seien politisch, doch fühlten sie sich durch Parteien nicht mehr repräsentiert. "Das liegt zum Teil an den Themen", so Feldmann-Wojtachnia. "Aber insbesondere auch an den Strukturen." Für viele Jugendliche seien Parteien zu behäbig, zu schwerfällig. Deswegen wählten sie den Protest auf der Straße und im Netz.
Der Altersdurchschnitt der Parteimitglieder lag Anfang 2018 zwischen 50 und 60 Jahren. Nur acht Prozent der Parteimitglieder waren unter 30. Die Wahlbeteiligung in dieser Altersgruppe sank in den vergangenen Jahren. Nur noch rund 67 Prozent haben bei der zurückliegenden Bundestagswahl ihre Stimme abgegeben. 1980 waren es noch mehr als 80 Prozent.
Protest überfordert Politik
"Es muss sich etwas ändern", meint deswegen Feldmann-Wojtachnia. "Wir sind in einer Parteienkrise." Die Parteien täten sich nicht nur immer schwerer, neue Mitglieder zu gewinnen. Es sei auch eine Herausforderung, sie zu halten.
Doch anstatt auf den Protest der Jugend einzugehen, tut die Politik das ab. Im Fall des YouTubers Rezo reagiert die CDU abwehrend. Freie Meinungsäußerung sei es, Journalismus nicht, meint Generalsekretär Paul Ziemiak. Dann bezeichnet er die Aussagen in dem Video als Falschbehauptungen - ohne konkreter darauf einzugehen.
Ein Antwort-Video des jüngsten Bundestagsabgeordneten, Philipp Amthor, kündigte die Partei zwar an, zog es dann jedoch zurück. Im Gespräch mit dem NDR sagte Amthor, der Dreh des Videos habe viel Spaß gemacht. "Wir haben uns allerdings dafür entschieden, dass die Übermittlung eines Videos jetzt in der Diskussion vielleicht nicht der beste Weg ist." Die CDU entscheide sich für die offene Diskussion.
Schon am Vormittag hatte die CDU ein Statement hochgeladen. Generalsekretär Ziemiak lud den YouTuber Rezo über Twitter zum Gespräch.
Neue Wege der Partizipation
Meistens kommt es nicht einmal zum Dialog. Im Fall der Klimabewegung "Fridays for Future" äußerten viele Politiker Kritik und Unverständnis. So forderte etwa FDP-Chef Lindner die Jugendlichen auf, die Klimapolitik den Profis zu überlassen.
"Die Parteien stellen nur ihre Position dar, anstatt den Dialog zu suchen", so Feldmann-Wojtachnia. Damit bestätigten sie lediglich die Kritik der Jugendlichen, dass sie zu behäbig seien. Stattdessen müsse Partizipation möglich gemacht werden, sagt Feldmann-Wojtachnia. "Wir müssen neue Formate finden. Es bräuchte zum Beispiel Mediatoren zwischen Politik und Jugendlichen." Diese könnten der Politik die Sprache der jungen Menschen erklären und diese wiederum dabei unterstützen, ihr Anliegen zu Gehör und sich aktiv einzubringen.
Auch van Deth glaubt, dass sich nur etwas verändern wird, wenn Jugendliche in die Politik gehen. "Auf der Straße sind sie so weit entfernt von Brüssel oder Berlin", sagt er. Die Proteste kratzen zwar - wie im Fall der CDU nun - am Image der Partei. Der Schaden halte sich jedoch in Grenzen, weil Kritik vor Allem von jungen Menschen geübt werde. "Und die werden aktuell ohnehin noch weniger von den Parteien repräsentiert. Sie verlieren also kurzfristig nicht signifikant an Wählerstimmen." Um wirklich etwas zu verändern, so van Deth, müssten Jugendliche deswegen stärker in der Politik mitmischen.
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