Christian Lindner

Bundeshaushalt 2025 Bruchstelle der Ampelkoalition?

Stand: 19.04.2024 06:25 Uhr

Heute sollten die Einzelressorts ihre Budgets für 2025 an Finanzminister Lindner melden. Die Frist wurde um zwei Wochen verschoben. Es gibt einige Baustellen: bei der Rente, der Kindergrundsicherung und der Verteidigung.

Von Lothar Lenz, ARD Berlin

Ganz zu Beginn ihrer politischen Zusammenarbeit wollten SPD, Grüne und FDP mal eine Fortschrittskoalition sein. Aber der Fortschritt, so scheint es, wird in der Ampel immer häufiger ausgebremst vom Streit um den richtigen Weg.

Christian Lindner, Bundesfinanzminister und FDP-Chef, beschrieb es in der ARD-Sendung Caren Miosga so: "Ich spüre jeden Tag die Grenzen, an die wir stoßen, weil es sehr unterschiedliche Auffassungen davon gibt, wie die Menschen leben wollen, wie die Wirtschaft funktioniert, was die Gesellschaft braucht."

Größter Einzeletat im Arbeitsministerium

Hubertus Heil zum Beispiel, der Bundesarbeitsminister, ist Herr über den mit Abstand größten Einzeletat: 175 Milliarden Euro und damit mehr als ein Drittel des gesamten Bundesetats umfasst das Ressort des Arbeitsministers. Der SPD-Politiker ist überzeugt, dass die Gesellschaft vor allem Verlässlichkeit in der Sozialpolitik braucht. Einschnitte in das Rentensystem schließt er deswegen kategorisch aus.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Christian Lindner zum geplanten Rentenpaket der Bundesregierung sagte Heil: "Dieses Prinzip der Lebensleistung muss verlässlich sein, ob jemand 1954 geboren ist oder 1995. Die Menschen, die in Deutschland hart arbeiten, die heute Beiträge zahlen, müssen sich auch in Zukunft auf die gesetzliche Rente verlassen können."

Sparappell an Heil

Dieses Versprechen von Heil ist eine der Großbaustellen für Lindners Haushalt: Denn der Bundeszuschuss an die Rentenkasse ist allein in den vergangenen fünf Jahren um fast 20 Milliarden Euro gestiegen. Er deckt politisch gewollte Leistungen der Rentenversicherung ab, für die das Aufkommen der Beitragszahler nicht reicht: die Mütterrente, Erziehungszeiten, die Grundrente.

All das wird stetig teurer, auch wegen der Alterung der Gesellschaft. Um so drängender formuliert Lindner seinen Sparappell an Heil: "Auch ein überzeugter Sozialdemokrat muss erkennen, dass, wenn er für seine Vorhaben neue, zusätzliche Mittel gewinnen will, erst der Wachstumsmotor wieder angeschmissen werden muss."

Lindner schlägt Moratorium für Sozialvorhaben vor

Aber woher das Geld nehmen für Konjunkturprogramme - oder für die Steuersenkungen, die Lindner eigentlich für wünschenswert hält? Er selbst schlug bereits ein Moratorium für neue Sozialvorhaben vor. So lasse sich Spielraum schaffen für die anderen Aufgaben des Staates.

Dazu dürfte Lindner zur Zeit vor allem die Ankurbelung des strukturell schwachen Wachstums der deutschen Volkswirtschaft zählen. Zuletzt war sein "Wachstumschancengesetz", das Investitionsbeihilfen und Steuererleichterungen für Unternehmen vorsah, von den Ländern im Bundesrat auf einen Bruchteil des ursprünglichen Volumens zusammengestrichen worden. Die Finanzminister der Länder befürchteten Einnahmeausfälle.

Langer Streit über die Kindergrundsicherung

Die zweite Baustelle bei den Haushaltsverhandlungen dürfte die Kindergrundsicherung sein. Die grüne Familienministerin Lisa Paus möchte, dass der Bund Leistungen für Kinder zusammenfasst - und automatisch auszahlt, ohne dass es noch komplizierter Antragsverfahren bedarf.

Seit Langem streitet sich Paus mit Lindner darüber, was das Projekt kostet und wie viele zusätzliche Stellen es für die administrative Umsetzung braucht. Trotzdem gibt sie sich optimistisch: "Das Gesetz haben Christian Lindner, der Bundeskanzler und ich gemeinsam verhandelt und dann im Kabinett gemeinsam verabschiedet. Ich bin zuversichtlich, dass wir, weil wir uns jetzt so intensiv damit beschäftigt haben, jetzt auch zügig zu einem Ergebnis kommen."

Frist um 14 Tage verlängert

Von "zügig" kann derzeit allerdings keine Rede sein. Die Frist, in der alle Einzelressorts ihre Budgets an Lindner melden müssen, ist gerade um 14 Tage verlängert worden.

Der Bundesfinanzminister nutzt die Zeit, das Projekt Kindergrundsicherung noch einmal ganz grundsätzlich zu kritisieren. Denn abgehängte Kinder, sagte Lindner der ARD, gebe es vor allem in Migrantenfamilien: "Wenn man das Problem der Kinderarmut lösen will, dann sorgt man dafür, dass die Eltern Sprachförderung bekommen und einen Arbeitsplatz, und man verbessert die Kita-Versorgung und macht die Schulen besser."

Schuldenbremse lockern?

Besser werden muss auch und vor allem die Bundeswehr - die dritte Baustelle. Der Finanzbedarf für die Verteidigung steigt weiter; erst recht, wenn das Sondervermögen 2028 ausgegeben ist und das Zwei-Prozent-Ziel der NATO aus dem regulären Bundeshaushalt erreicht werden muss.

Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach in der ZDF-Sendung "Was nun…?" aus, was er erwartet: einen Verteilungskampf. "Uns nützen die schönsten digitalen Bibliotheken und die schönsten Fahrradschnellwege nichts, wenn wir angegriffen werden und nicht in der Lage sind, uns verteidigen zu können. Es geht um Prioritätensetzung. Ja, es wird Einschnitte im Haushalt geben müssen, wenn wir die Verteidigung gewährleisten wollen."

Für Pistorius wäre es deshalb auch denkbar, die Schuldenbremse zu lockern für die Finanzierung von Bundeswehr und Zivilschutz - wieder so ein Thema, bei dem Lindner mehr als ein Wörtchen mitreden wird.

15 bis 20 Milliarden Euro könnten fehlen

Noch bestätigt niemand offiziell, wie hoch der "Fehlbedarf" bei Lindners Haushaltsplanung für das kommende Jahr ist - die Summe also, die zwischen den Steuereinnahmen plus der erlaubten Kreditaufnahme und den Ausgabewünschen der Ministerien liegt. 15 bis 20 Milliarden Euro werden es wohl sein, vermuten Beobachter.

Die Aufstellung eines Bundeshaushalts für das Wahljahr 2025 kann damit zur Bruchstelle werden für eine Koalition, die sich eigentlich dem Fortschritt verschrieben hatte.

Lothar Lenz, ARD Berlin, tagesschau, 18.04.2024 17:39 Uhr